In Belgrad beginnt heute die Wahl eines neuen Oberhaupts der serbisch-orthodoxen Kirche. Patriarch Irinej war Ende November im Alter von 90 Jahren an den Folgen des Coronavirus verstorben. Bis dahin hatten Teile der orthodoxen Geistlichkeit das Virus eher auf die leichte Schulter genommen. Das hat sich nun geändert. Die Wahl findet nicht wie üblich in einer Kapelle am Sitz des Patriarchen, sondern in der Krypta der Kirche des Heiligen Sava statt. Den Vorsitz führt an sich der älteste der Bischöfe, doch Bischof Lavrentije wurde einen Tag vor Beginn der „Heiligen Versammlung der Bischöfe (Sveti Archirejskij Sabor) ins Krankenhaus eingeliefert; daher führt nun der Bischof von Srme, Vasilije, den Vorsitz.

Das aktive Wahlrecht haben insgesamt 43 Bischöfe und andere Amtsträger der serbischen Orthodoxie; das passive Wahlrecht, also das Recht gewählt zu werden, haben nur 34 Personen, weil damit etwa auch eine gewisse Amtszeit verbunden ist, die eine Bischof bereits eine Eparchie (Diözese) führen muss.

Eine serbische Besonderheit bildet der Wahlmodus; das sogenannte „Apostolische Los“ wurde einst geschaffen, um im kommunistischen Jugoslawien zu verhindern, dass die Machthaber Druck auf die Wahl des Patriarchen ausüben können. Daher werden drei Kandidaten bestimmt, die jeweils mindestens eine Zweidrittelmehrheit bekommen müssen. Ihre Namen werden aufgeschrieben, in je ein Kuvert gesteckt; diese Umschläge werden in die Bibel gelegt; daraus zieht dann ein hochgeachteter Mönch ein Kuvert mit dem Namen des neuen Patriarchen; diese Ehre kommt diesmal dem 94-jährigen Archimandriten Jovan zu, der einer der ältesten Mönche in Serbien ist.

Politische Einflussnahme

Auch in Serbien ist die Zahl der tatsächlich Gläubigen gering; doch die orthodoxe Kirche ist ein wichtiger Träger der Identität und eine landesweite Organisationsstruktur. Daher sind natürlich auch die nach dem Fall des Kommunismus und nach dem Sturz von Slobodan Milošević im Oktober 2000 regierenden Politiker daran interessiert, dass eine Person zum Patriarchen gewählt wird, der kein erklärter Gegner ihrer Politik ist.  Da aber eine direkte politische Intervention durch das „Apostolische Los“ nicht möglich ist, wird versucht, darauf Einfluss zu nehmen, wer in den Dreiervorschlag kommt. Weil so manche orthodoxe Bischöfe wirtschaftliche Interessen oder Schwachstellen in ihrem Lebenswandel haben, ist eine Einflussnahme durchaus möglich; hinzu kommen Medienkampagnen, wie aktuell etwa gegen den Bischof in Deutschland Grigorije mit Sitz in Düsseldorf. Grigorije steht der zerstrittenen Opposition gegen Staatspräsident Aleksandar Vučić nahe, wobei die deutsche Diözese zu den reichsten der serbisch-orthodoxen Kirche zählen soll. Natürlich haben die serbischen Medien über Favoriten spekuliert, aber erst die Wahl wird zeigen, ob diese Spekulationen eine Grundlage hatten.