Sonntagnachmittag riss dem amerikanischen Präsidenten der Geduldsfaden. Nach fast 48 Stunden im Militärspital mit stündlichen medizinischen Untersuchungen und der Verabreichung von Medikamentencocktails sehnte sich Donald Trump nach einem Bad in der Menge. Er wollte den treuen Fans nahe sein, die sich entlang einer Zufahrtsstraße zum Krankenhauskomplex versammelt hatten, um ihrem politischen Idol beizustehen.

Und so heckte der Präsident mit seinem Stabschef Mark Meadows und Social-Media-Berater Dan Scavino einen Plan aus, der seine Entschlossenheit und Stärke demonstrieren sollte. Die beabsichtigte Botschaft: Der mächtigste Mann der Welt lässt sich nicht vom Coronavirus kleinkriegen.

Doch der Schuss ging nach hinten los. Im Schritttempo rollte Trump in einem gepanzerten Geländewagen winkend am Spalier seiner Anhänger entlang. Der Präsident saß auf dem Hintersitz und trug eine schwarze Maske. Zwei Bodyguards, ebenfalls mit Maske, einer war der Fahrzeuglenker, saßen mit im schwarzen Chevrolet-SUV. Stoisch, ohne eine Miene zu verziehen, schienen sie ihre ganze Aufmerksamkeit nur der Straße zu widmen. Der Auftritt wurde von Trump per Video auf Twitter angekündigt. Er habe eine „Überraschung“ auf Lager „für die grandiosen Patrioten“. Die Nachricht wurde aber erst nach der Spazierfahrt veröffentlicht.

"Die Leute könnten sterben. Für politisches Theater."

Die Spritztour erntete massive Kritik von Kommentatoren und Medizinern. Vor allem dass Trump wissentlich seine Leibwächter in Gefahr brachte, sorgte für Empörung. Ein Mediziner des renommierten George-Washington-University-Krankenhauses twitterte: „Jeder, der mit Trump im Fahrzeug saß, muss sich nun für zwei Wochen in Quarantäne begeben. Die Leute könnten krank werden. Sie könnten sterben. Für ein politisches Theater. Von Trump angewiesen, ihr Leben für ein Schauspiel aufs Spiel zu setzen. Das ist Wahnsinn.“ Das Weiße Haus konterte am Montagmorgen, dass der Ausflug vom medizinischen Team des Spitales abgesegnet worden war.

Die politische Optik freilich ist verheerend.Nicht nur, weil am Montag bekannt wurde, dass auch Trumps Pressesprecherin Kayleigh McEnany positiv auf Covid-19 getestet wurde. Der Ausflug zeigte das Gegenteil von Stärke. Der Jubel seiner Fans konnte nicht den Eindruck zerstreuen, dass Trump im Geländewagen wie ein Gefangener wirkte. Das erinnert an die vielleicht bekannteste fehlgeschlagene PR-Aktion in einem Wahlkampf in der jüngeren US-Geschichte. 1988 trat der Demokrat und Gouverneur von Massachusetts, Michael Dukakis, gegen den damaligen Vizepräsidenten George H. W. Bush an.

Der liberale Dukakis wirkte vor allem in Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gegenüber Bush, einem dekorierten Kriegshelden, schwach. Das Wahlkampfteam des Gouverneurs initiierte daher einen Besuch in einer Waffenfabrik in Michigan, die Panzer produzierte. Die Bilder, die von diesem Fototermin in die Öffentlichkeit gelangten, waren aber für Dukakis verheerend. Sie zeigten den Kandidaten, unbeholfen mit Helm im Turm eines Kampfpanzers sitzend. Bush, die Presse und die breite Öffentlichkeit verspotteten den Demokraten als unauthentisch.

Michael Dukakis und George W. Bush bei der TV-Debatte im US-Präsidentschaftswahlkampf 198
Michael Dukakis und George W. Bush bei der TV-Debatte im US-Präsidentschaftswahlkampf 198 © AP

Laut einer Umfrage in der Woche nach dem Besuch gaben 25 Prozent der Befragten zu Protokoll, dass es wegen der verpatzten Panzer-Spritztour weniger wahrscheinlich sei, dass sie Dukakis wählen würden.
Dukakis verlor dann letztendlich auch die Wahl gegen Bush. Bis heute gilt in amerikanischen Wahlkämpfen eine fehlgeschlagene politische PR-Aktion als „Dukakis im Panzer“. In diesem Sinne könnte Donald Trump im schwarzen Chevrolet-SUV vielleicht bald als republikanische Fortschreibung von Dukakis’ Misserfolg in die Annalen der amerikanischen Wahlkampfgeschichte eingehen.

Trump: Werde Krankenhaus noch Montag verlassen

US-Präsident Donald Trump verlässt nach eigenen Angaben noch an diesem Montag (Ortszeit) das Krankenhaus, wo er wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt wurde. Er fühle sich sehr gut, schrieb Trump am Montag auf Twitter. "Haben sie keine Angst vor Covid", twitterte der US-Präsident weiters.