Intransparente Finanztransaktionen, unter anderem mit Geldern aus dem Peterspfennig, stecken hinter dem unerwarteten Rücktritt von Kardinal Angelo Becciu, der am Donnerstagabend von seinem Amt als Präfekt der vatikanischen Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen zurückgetreten ist. Er verzichtet auch auf seine Rechte als Kardinal, wie das Presseamt des Vatikans bekannt gab. Für den Rückzug des 72-Jährigen wurde keine Begründung genannt.

Spendengelder missbräuchlich verwendet

Laut dem italienischen Nachrichtenmagazin "L'Espresso" soll der aus Sardinien stammende Becciu auf Druck von Papst Franziskus zurückgetreten sein. Der Purpurträger sei beim Heiligen Vater wegen eines Skandals um eine Investition des Vatikan in eine Luxusimmobilie im Londoner Stadtteil Chelsea in Ungnade gefallen. Beccius Rücktritt könnte mit einer Untersuchung zusammenhängen, die im Vatikan seit dem vergangenen Jahr zu diesem Immobiliengeschäft läuft. Das Bauprojekt war angeblich über in Steueroasen ansässige Fonds und Firmen finanziert worden. Der Vatikan hatte im Jahr 2014 in das Projekt zu investieren begonnen, als Becciu im Sekretariat, also der zentralen Verwaltungsstelle des Vatikans, tätig war.

Die Polizei des Vatikan durchsuchte im vergangenen Jahr die Büros des Sekretariats und beschlagnahmte Finanzdokumente und Computer. Fünf Mitarbeiter wurden vom Dienst suspendiert. Becciu hatte zu Beginn dieses Jahres das Immobiliengeschäft in Chelsea verteidigt.

Becciu vertraute laut "L'Espresso" dem Finanzexperten Enrico Crasso hohe Summen an. Dieser investierte das Geld in Fonds mit Sitz in Steueroasen. Ferner soll Becciu Geld aus dem Peterspfennig einer mit der Caritas zusammenarbeitenden Genossenschaft auf Sardinien zugeschanzt haben, in der auch Beccius Bruder mitmischte, berichtete das Magazin. Der Peterspfennig (Obolo di San Pietro) ist eine wesentliche Einnahmequelle für den Heiligen Stuhl. Nach Vatikanangaben wird er für humanitäre Zwecke sowie für allgemeine Aufgaben der Kirchenleitung verwendet.

Becciu: "Ich habe keinen Euro gestohlen"

Becciu bestreitet die Vorwürfe: Ich habe dem Papst gesagt: 'Warum tust du mir das vor der ganzen Welt an.' Es gibt keine Vergehen, ich bin sicher, dass die Wahrheit ans Licht kommen wird", sagte Becciu im Interview mit der Tageszeitung "Domani". "Bei unserem Treffen hat mir der Heilige Vater gesagt, dass ich meinen Bruder mit Geldern aus dem Staatssekretariat begünstigt hätte. Doch ich kann alles erklären. Es gibt keine Vergehen", sagte der 72-Jährige.

Becciu bestritt, dass die Genossenschaft seines Bruders 100.000 Euro aus den Geldern des Staatssekretariats erhalten habe. Der Betrag sei der Caritas auf Sardinien zugeflossen. "Dieses Geld befindet sich noch in den Kassen der Diözese", meinte Becciu.

"Ich habe keinen Euro gestohlen. Ich weiß nicht, ob gegen mich ermittelt wird. Kommt es zu einem Prozess, werde ich mich jedenfalls verteidigen", beteuerte der Kardinal. Er verzichtet auch auf seine Rechte als Kardinal, wie das Presseamt des Vatikans bekannt gab. Für den Rückzug des 72-Jährigen wurde keine Begründung genannt.

Italienische Medien bezeichneten Beccius Rücktritt als "Schock" für den Vatikan. Ein Kardinalsrücktritt kommt im Vatikan selten vor. Seit Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus 2013 war dies noch nie geschehen. Ungewöhnlich sei auch die öffentliche Mitteilung des Kardinalrücktritts seitens des Vatikan am späten Abend, berichteten italienische Medien.

Becciu hat eine lange Karriere im Vatikan hinter sich. Nach mehreren Jahren als Apostolischer Nuntius diente er als Substitut im vatikanischen Staatssekretariat. Nachdem er 2018 seinen 70. Geburtstag gefeiert hatte, war der Prälat in seiner Rolle als Präfekt der Kongregation für Heilig- und Seligsprechungen zum Kardinal aufgerückt. Seit Anfang 2017 amtierte der Geistliche auch als Sonderbeauftragter des Papstes für den Malteserorden, wo er in den vergangenen Jahren den ordensinternen Reformprozess begleitete.