Es ist schon eine ganze Weile her, dass Heinz-Christian Strache sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Wien bewegt hat. Und auch für unser Gespräch steigen wir an diesem sonnigen Nachmittag in keines. „Ich lebe seit 15 Jahren mit massiven Drohungen, teils sogar mit Morddrohungen“, erzählt Strache, der bei unserem Spaziergang durch den Park vor dem Rathaus von einem Sicherheitsmann begleitet wird.

Es sei „entsetzlich, welcher Hass und welche Aggression einem in der Politik entgegenschlagen“. Er bekomme auf der Straße viel Zuspruch, aber auch Beschimpfungen zu hören. „Ich sag dann immer: Ich wünsch Ihnen auch noch einen schönen Tag.“ Viele Passanten im Park erkennen und beäugen ihn. An diesem Nachmittag pöbelt ihn niemand an, gut zureden tut ihm jedoch auch niemand.

Strache im Gespräch mit Innenpolitik-Redakteurin Christina Traar im Park vor dem Wiener Rathaus.
Strache im Gespräch mit Innenpolitik-Redakteurin Christina Traar im Park vor dem Wiener Rathaus. © Christoph Kleinsasser

Der Spaziergang ist ein kurzer, der von Strache für das Gespräch ausgewählte Ort befindet sich direkt neben dem Rathaus. Es ist ausgerechnet jenes Lokal, in dem er vor fast genau einem Jahr seinen nachhaltigen Rückzug aus der Politik verkündet hatte. Es handle sich somit um den „besten Ort“, um seine politische Geschichte hier fortzusetzen, sagt Strache und nippt an seinem Kaffee.

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Es ist eine Geschichte voller Wendungen. Nach der Abspaltung des BZÖ übernimmt der gebürtige Wiener 2005 die strauchelnde FPÖ und kann sie zu immer größeren Wahlerfolgen und schließlich sogar in eine Regierungsbeteiligung mit der ÖVP führen. Strache zieht ins Vizekanzleramt ein und gefällt sich in der Rolle des Staatsmannes. Doch an einem Freitagabend im Mai sorgt die Veröffentlichung eines Videos für Aufsehen, das Strache und seinen Parteifreund Johann Gudenus in einer Villa auf Ibiza zeigt und beide in Erklärungsnot bringt.

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Strache tritt kurz darauf zurück, Türkis-Blau zerplatzt. Und nach einem ausgewachsenen Skandal um eingereichte und ausbezahlte Spesen wird die seit Jahren unangefochtene Nummer eins in der freiheitlichen Partei aus ebendieser ausgeschlossen. Die FPÖ steht nach massiven Einbrüchen bei der Nationalratswahl vor einem Trümmerhaufen.

"Nepp ist eine billige Kopie"

Ein halbes Jahr später verkündet Strache seine Rückkehr – mit einer eigenen Liste, die seinen Namen trägt und ihm den Einzug in den Wiener Gemeinderat sichern soll. Und damit sein politisches Comeback. Warum? „Die Politik in diesem Land rennt in eine so dramatisch falsche Richtung, dass ich – nach reiflicher Überlegung – diese Entscheidung getroffen habe.“ Zudem habe er viel Zuspruch aus der Bevölkerung bekommen. Deshalb rechne er auch nicht nur mit einem Einzug, sondern sogar mit einem zweistelligen Ergebnis. Denn: „Ich bin das Original, ein echter Wiener geht nicht unter.“ Die FPÖ habe ohne ihn „kein Thema“, Nachfolger Dominik Nepp sei lediglich eine billige Kopie. „Den kennt ja keiner.“

Über ihn und den Rest seiner ehemaligen Parteifreunde hat Strache wenig Freundliches ins vor ihm aufgebaute Mikrofon zu sagen. Das komme auch beim freiheitlichen Wahlvolk nicht gut an. „Verrat wollen die Leute nicht.“ Einen eben solchen ortet er bei seiner Ex-Partei, die er hinter Ibiza, Spesenaffäre und Co. vermutet. Ziel dieser Aktion sei es gewesen, ihn von der Spitze zu stoßen, schließlich habe er viele Neider. „Diese Herrschaften können es gar nicht erwarten, weitere Verleumdungen zu verbreiten“, schimpft Strache und gestikuliert wild mit den Armen. „Auf diese Ebene steige ich gar nicht herab, das ist Souterrain-Niveau.“ Er habe immer gewusst, dass Politik schmutzig ist. „Aber dass sie so schmutzig, so dreckig ist und so unter die Gürtellinie geht, das habe ich nicht für möglich gehalten.“

Heinz-Christian Strache
Heinz-Christian Strache © Christoph Kleinsasser

Es dauert jedoch nicht lange, bis Strache selbst zum verbalen Rundumschlag gegen seine politischen Mitbewerber ausholt. SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig sitze „im Schlafwagen, der schmeckt wie abgestandenes Wasser“, die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein könne daneben ihre „Minimundus-Klientelpolitik“ betreiben. Der türkise Finanzminister Gernot Blümel habe nicht das geringste Interesse an Wien und Neos-Kandidat Christoph Wiederkehr sei – ebenso wie Nepp – „nicht existent“.

"Wie sehr muss dich der Herrgott lieb haben?"

In den letzten zwei Jahren habe er viel über sich selbst und über sein engstes Umfeld gelernt, sagt Strache und schaut kurz zur Decke. „Man muss lernen, sich selbst, aber auch anderen zu verzeihen.“ Diese Zeit habe ihm jedoch auch gezeigt, dass „solche Krisen im Leben auch eine Riesenchance“ seien, um Klarheit zu finden. Er sieht das so, sagt Strache und grinst: „Wie sehr muss dich der Herrgott lieb haben, dass er dir zwischendurch einen Tritt in den Hintern verpasst?“ Nur so sei man gezwungen, über sich und sein Leben nachzudenken.

Über fehlende Glaubwürdigkeit und Reue will Strache im Gespräch nichts hören. Ebenso wenig wie von einem möglichen Scheitern bei der Wien-Wahl, das ihm so manche Umfrage prophezeit. Er ist sich sicher: „I will be back.“