Wiens  Dompfarrer Toni Faber geht davon aus, dass auch die Kirchen in den nächsten Wochen und Monaten ihre Pforten öffnen und schrittweise wieder hochfahren. „Es kann nicht sein, dass in Baumärkten einkauft wird und die Kirchen geschlossen sind“, so Faber im Gespräch mit Peter Pelinka in der Wiener Redaktion der Kleinen Zeitung im Rahmen der Interviewserie „Was zählt.“ Faber deutet an, dass bereits in den nächsten Wochen Taufen im engsten Familienkreis (zehn bis 20 Personen) und Hochzeiten im kleinen Kreis (30 bis 40 Personen) stattfinden werden. „Ich habe nicht alle Hochzeiten und Taufen aus meinem Kalender gestrichen, sondern versuche eher, neue Termine zu fixieren.“ Größere Gottesdienste mit mehreren hundert Personen sind - auch wegen des von der Regierung verhängten Veranstaltungsverbots - bis Ende Juni unmöglich. „Wir stehen hundert Prozent hinter den Maßnahmen der Regierung. Die komplette Schließung war absolut notwendig, um Leben zu retten.“

"Die Menschen sind auf der Suche nach Sinn"
"Die Menschen sind auf der Suche nach Sinn" © Andreas Janzek

„Ein Ostern wie 2020 werde ich hoffentlich nie erleben“, blickt Faber auf die Feiertage zurück. „Es war schmerzlich zu erleben, dass beim Gottesdienst neben dem Ministranten und dem Organisten niemand da war.“ Andererseits sei das Interesse an der Kirche schon lange nicht mehr so groß gewesen wie in diesen Tagen. „Ich spüre, dass die Sehnsucht nach dem Sinn und christlichen Deutungsvarianten deutlich zugenommen hat.“

Bin nicht der Seitenblicke-Seelsorger

In dem halbstündigen Video-Interview enthüllt der Dompfarrer, er sei froh, dass Kardinal Christoph Schönborn, der in den letzten Monaten einen doppelten Lungeninfarkt erlitten hatte bzw. dem ein Prostatakarzinom entfernt worden war, nicht zum Papst gewählt wurde. „Er wäre mit der Leitung der Gesamtkirche nicht gut beraten gewesen.“ Zum Vorwurf, er, Faber, bewege sich zu sehr in der Society-Gesellschaft: „Ich bin nicht der Seitenblicke-Seelsorger, sondern der City-Missionar.“ Zur City gehöre die Gesellschaft der Seitenblicke dazu. „Ich bin in Rufweite der Gesellschaft.“ Leute wie Richard Lugner werden belächelt, seien aber auch „Menschen, die ihre Sorge mit dem lieben Gott haben und in Leid und Schmerz Beistand brauchen.“ Ein besonderes Anliegen ist dem gebürtigen Wiener („der liebe Gott hat den kleinen Bub aus Rodaun ausgesucht“) die Einbindung der modernen Kunst. Erst kürzlich sei der Maler Erwin Wurm wieder in die Kirche eingetreten.