Die irakischen und amerikanischen Soldaten auf der Luftwaffenbasis Al-Asad wussten seit Tagen, was auf sie zukommt. Im Dezember 2018 hatte US-Präsident Donald Trump den Stützpunkt im Westen des Irak besucht, am 3.Jänner war von hier aus die Drohne aufgestiegen, deren Raketen dann den iranischen Top-Kommandeur Qassem Soleimani und den irakischen Milizenchef Abu Mahdi al-Muhandis töteten. In der Nacht auf Mittwoch dann brach die Hölle los.

Nach Angaben des Pentagon schlugen ein gutes Dutzend ballistische Raketen auf dem riesigen Militärgelände ein, abgefeuert von iranischem Territorium und untermalt von einer staatlichen Propagandawelle. Eine zweite Salve traf den Fliegerhorst in Erbil, im kurdischen Nordirak, von wo aus die US-Luftwaffe ihre Einsätze vor allem in Syrien fliegt.

Mindestens 80 „amerikanische Terroristen“ seien getötet worden, Hubschrauber zerstört und Gebäude dem Erdboden gleichgemacht, brüstete sich das iranische Staatsfernsehen. Revolutionsführer Ali Khamenei pries die Operation als „Schlag ins Gesicht“ der USA.
Das gemeinsame Oberkommando in Bagdad dagegen erklärte, weder Angehörige der irakischen noch der internationalen Streitkräfte seien zu Schaden gekommen.

Information kam vorab

Auf der Al-Asad Basis sind etwa 500 US-Soldaten stationiert. Teheran habe die irakische Regierung vorab über den bevorstehenden Luftschlag informiert, ohne allerdings die exakten Ziele zu nennen, teilte der amtierende Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi mit. Ausdrücklich fügte er hinzu, Irak lehne „jede Verletzung seiner Souveränität und jeden Angriff auf sein Territorium ab”, eine Kritik, der sich auch der kurdische Staatspräsident Barham Saleh und der sunnitische Parlamentspräsident Mohammed al-Halbusi ausdrücklich anschlossen.

Trump bei seiner Rede in Washington
Trump bei seiner Rede in Washington © AP

"Weder Eskalation noch Krieg"

Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif, dem die USA derzeit ein Visum für einen Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat verweigern, deutete in einem Tweet an, mit den beiden Raketenangriffen sei die angekündigte iranische Vergeltung abgeschlossen. Sein Land suche „weder Eskalation noch Krieg, aber wir verteidigen uns gegen jede ausländische Aggression“, fügte er hinzu. Iranische Hardliner dagegen klangen deutlich kriegerischer. Der Raketenangriff sei eine wichtige Operation gewesen, erklärte Ajatollah Khamenei. Wichtigstes Ziel bei der Vergeltung für Qassem Soleimani aber sei „dass die korrupte amerikanische Präsenz in der Region zu einem Ende kommt.“

EU lädt nach Brüssel ein

EU-Außenbeauftragter Joseph Borrell erneuerte seine Einladung an Zarif, zu Gesprächen nach Brüssel zu kommen. Um das in letzter Zeit sehr gespannte Verhältnis zu Frankreich zu entspannen, ließ die iranische Justiz am Mittwoch überraschend die Anklage wegen Spionage gegen zwei französisch-iranische Wissenschaftler fallen, die in Paris an der Hochschule Science Po lehren und seit Sommer 2019 in Teheran im berüchtigten Evin-Gefängnis inhaftiert sind. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versucht seit Monaten, zwischen den USA und Iran zu vermitteln, um eine Lockerung der US-Sanktionen zu erreichen.

Verpflichtungen annulliert

Bei dem Atomvertrag, den Donald Trump im Mai 2018 einseitig aufkündigte, annullierte Iran nach dem Tod Soleimanis sämtliche Verpflichtungen, betonte jedoch, alle Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde weiter zuzulassen und sofort zur vollen Vertragstreue zurückzukehren, wenn auch die anderen Unterzeichnerstaaten ihren Pflichten nachkommen. Dem Iran geht es vor allem um eines Lockerung des harten Wirtschaftsboykotts durch die USA, dem die Europäer, China und Russland bisher keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzen. Als Folge sind die iranischen Ölverkäufe um 80 bis 90 Prozent eingebrochen.

In dem Staatshaushalt, der nach Angaben des Präsidentenamtes ein Volumen von umgerechnet 35 Milliarden Euro hat und der sich zu zwei Dritteln aus Öleinnahmen finanziert, klaffen enorme Löcher. Die Hälfte der 80 Millionen Iraner lebt mittlerweile an der Armutsgrenze. Selbst Funktionäre des Regimes räumen ein, noch nie in den vierzig Jahren der Islamischen Republik habe es eine derart verheerende ökonomische, soziale und politische Krise gegeben.