Von der Alitalia über Whirlpool bis zum angekündigten Rückzug des Stahlgiganten ArcelorMittal: Für die italienische Regierung hat ein heißer Herbst begonnen. Mit unzähligen Krisenherden im Wirtschaftsbereich ist das Kabinett in Rom konfrontiert. Premier Giuseppe Conte gerät schon zwei Monate nach dem Amtsantritt seiner neuen Regierung zunehmend unter Druck.

Wie ein Blitz schlug am Montag in Rom die Nachricht ein, dass der indisch-französische Stahlriese ArcelorMittal auf die erst vor einem Jahr besiegelte Übernahme des Stahlwerks Ilva im apulischen Tarent verzichte. Damit gerät vor allem die Regierungspartei Fünf Sterne unter Beschuss, die alles auf die Rettung der rund 10.000 Jobs bei Ilva, einst Juwel der europäischen Stahlindustrie, gesetzt hatte. Bei einem Gespräch mit der Regierung erklärte das Großunternehmen, es sei nicht in der Lage, einen mit der Regierung in Rom besiegelten Plan zum Neustart des Stahlwerks umzusetzen und forderte die Streichung von 5.000 der 10.000 Jobs in Italien.

Die Regierung Conte will dies nicht akzeptieren und verlangt, dass der Konzern seinen Verpflichtungen nachkommt. Die Schließung des Ilva-Werkes hätte gravierende Auswirkungen nicht nur auf die Beschäftigung und die Zulieferindustrie, sondern auf das gesamte italienische Industriesystem, das ganz auf seine Stahlproduktion verzichten müsste. Die Belegschaft im Ilva-Stahlwerk im süditalienischen Tarent trat am Freitag gegen die Rückzugspläne ArcelorMittals in einen 24-stündigen Streik.

Die Oppositionsparteien gehen auf die Barrikaden und fordern den Rücktritt der erst seit zwei Monaten amtierenden Regierung aus Sozialdemokraten (PD) und Fünf-Sterne-Bewegung. Diese sei unfähig, Italien eine effiziente wirtschaftspolitische Linie zu sichern und mit den unzähligen heiklen Krisen bei Großkonzernen umzugehen, wie auch die ungewisse Zukunft der Alitalia bezeuge.

Die von der Regierung gesetzte Frist zum Verkauf der maroden Airline am 21. November hält die Opposition für unrealistisch. Die Suche nach einem Partner, der die Fluggesellschaft mit 11.000 Mitarbeitern wieder auf Erfolgskurs bringt, gestaltet sich als durchaus problematisch. Die AUA-Mutter Lufthansa erklärte am Donnerstag, sie wolle nur in eine bereits restrukturierte Alitalia investieren. Seit Monaten verlängert die Regierung in Rom die Verkaufsfrist für die Airline, ohne dass Licht am Ende des Tunnels in Sicht ist. Inzwischen verringern sich die liquiden Geldmittel der Fluggesellschaft. Nicht ausgeschlossen wird, dass die Regierung Alitalia bald einen neuen Brückenkredit in Höhe von 350 Mio. Euro gewähren muss, um das Fluggeschäft weiter erhalten zu können. Die Mitarbeiter der Fluggesellschaft bangen um ihre Zukunft.

Im Stich gelassen

Im Stich gelassen fühlen sich auch die Arbeitnehmer im Werk des US-Konzerns Whirlpool in Neapel. Das Unternehmen will die 412 Mitarbeiter kündigen und die Waschmaschinenproduktion aus Italien abziehen, um anderswo günstiger zu produzieren. Weitere 1.400 Mitarbeiter in den Zulieferbetrieben sind von der Schließung betroffen. Erst im Oktober 2018 hatte Whirlpool ein Abkommen mit der Regierung in Rom geschlossen und eine Reihe von Investitionen mit Garantien auf Erhalt der derzeitigen Jobs bis Dezember 2021 angekündigt.

"Italien wird von einem Kabinett aus gefährlichen Inkompetenten geführt. Wir haben die Pflicht, sie nach Hause zu schicken", wetterte der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, der im August, nach 14 Monaten Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung, die Regierungsallianz gebrochen hatte, was den Weg zur zweiten Regierung Conte aus PD und Fünf Sternen ebnete. Die Lega landete auf den harten Bänken der Opposition und führt seitdem eine unermüdliche Kampagne für vorgezogenen Parlamentswahlen in Italien. Auch den Budgetplan der Regierung Conte kritisieren die Oppositionskräfte heftig, weil dieser ihrer Ansicht nach mit der Einführung neuer, schwer belastender Steuern verbunden sei.

Aus Linksparteien ertönt die Forderung nach einer Verstaatlichung der kriselnden Unternehmen zur Jobrettung. Damit würde Italien jedoch einen Sprung von rund 30 Jahren zurück machen, als die Privatisierung staatlicher Betriebe begonnen hatte. Eine Verstaatlichung, gegen die sich Brüssel heftig stemmen würde, ist auch wegen Italiens riesiger Staatsschuld nicht realisierbar. Die Übernahme und Sanierung maroder Unternehmen würde die öffentlichen Kassen schwer belasten.

Die EU sieht schwarz

In dieser schwierigen Lage sieht die EU-Kommission für Italien im nächsten Jahr schwarz. Österreichs südliches Nachbarland ist Europas Schlusslicht in Sachen Wirtschaftswachstum, wie aus den am Donnerstag veröffentlichten EU-Prognosen hervorgeht. Die Wachstumsaussichten 2020 wurden von 0,7 Prozent auf 0,4 Prozent reduziert. Im Gesamtjahr 2019 dürfte das Plus bei der Wirtschaftsleistung nicht mehr als 0,1 Prozent betragen.

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