15 Jahre nach dem Verkauf der Bundeswohnungen und eineinhalb Jahre nach Verhandlungsbeginn geht heute der Grasser-Prozess in den 100. Tag. Eröffnet wurde dieser mit der Zeuginneneinvernahme einer Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen, die mit zehn Prozent am Österreich-Konsortium beteiligt war, das letztendlich den Zuschlag für die Wohnungen erhielt.

Gestern hatte bereits ihr damaliger Vorgesetzter bei der Wiener Städtischen im Wiener Straflandesgericht als Zeuge ausgesagt. Nach der ersten Zeugin wird die Assistentin des mittlerweile verstorbenen Vorstandschefs der Raiffeisenlandesbank OÖ, Ludwig Scharinger, befragt. Die Bank war gemeinsam mit der Immofinanz Hauptgesellschafter des Österreich-Konsortiums, Scharinger wurde als Angeklagter geführt.

Prominenter Zeuge

Einen prominenten Zeugen hat Richterin Marion Hohenecker für den Nachmittag geladen. Dann wird Klaus Kumpfmüller aussagen, er ist amtierender Vorstand der Finanzmarktaufsicht und war zuvor unter anderem in der RLB OÖ und in der Hypo OÖ tätig.

Der Erstangeklagte, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP), hat heute vor Prozessbeginn gegenüber dem ORF einmal mehr beklagt, dass er nun schon seit über zehn Jahren von der Justiz verfolgt werde, obwohl er unschuldig sei. Der Drittangeklagte, der Ex-Lobbyist Peter Hochegger, wiederum blieb bei seinem Teilgeständnis, wonach bei der Privatisierung der Bundeswohnungen (Buwog u.a.) Schmiergeld geflossen sei.

Die Staatsanwaltschaft wirft Grasser, seinem Trauzeugen Walter Meischberger, Hochegger und anderen vor, beim Buwog-Verkauf über eine 9,6 Mio. Euro schwere Provision illegal mitkassiert zu haben. Grasser und Meischberger bestreiten dies. Dass die 9,6 Mio. Euro geflossen sind, ist aber unbestritten - Meischberger und Hochegger haben, da sie das Geld nicht versteuerten, bei Auffliegen des Buwog-Skandals im Jahr 2009 eine Selbstanzeige bei den Finanzbehörden erstattet. Meischberger betont, er habe die Provison nur mit Hochegger geteilt und habe nichts an Grasser und den mitangeklagten Makler Ernst Karl Plech weitergegeben. Jedoch war für rund 2,5 Mio. Euro der Provision, die laut Meischberger ihm gehören, Plech zeichnungsberechtigt.

"Schwiegermuttergeld"

Bestandteil des Prozesses war bisher auch das "Schwiegermuttergeld", also 500.000 Euro, die Grasser in seiner Zeit als Finanzminister in bar und persönlich nach Österreich gebracht und ohne Zahlungsbeleg auf ein Konto bei der Meinl Bank eingezahlt hat. Grasser gibt an, er hab das Geld von seiner Schwiegermutter erhalten, diese bestätigte das aber nicht.

Ein Ende des Prozesses ist nicht in Sicht, mit der Zeugeneinvernahme im zweiten Anklagepunkt, der Einmietung der Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower, wurde noch nicht einmal begonnen. Das gleiche gilt auch für die weiteren in den Prozess aufgenommenen Causen - die teilstaatliche Telekom Austria als "Bankomat" für ÖVP, SPÖ und FPÖ und der Verkauf der Meischberger-Villa in Wien-Döbling.