Der Pflegeregress ist Geschichte, und zwar seit gestern auch für all jene Fälle, in denen es schon vor dem 1. Jänner 2018 einen Zahlungsbefehl, eine Vereinbarung auf Ratenzahlung oder eine Eintragung ins Grundbuch gegeben hat. Der Verfassungsgerichtshof hat eine Klarstellung vorgenommen, nachdem es darüber Auffassungsunterschiede in den einzelnen Bundesländern gegeben hatte.

Die Verfassungsrichter halten fest: „Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben und Geschenknehmern im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig“, selbst dann, wenn schon vor Jänner 2018 eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist. Mit Jänner dieses Jahres wurde ja der Pflegeregress abgeschafft. Zugegriffen werden darf nur noch auf das laufende Einkommen der Pflegebedürftigen.

Für Kosten, die nach 1. Jänner entstanden sind, gab es ohnehin keine Regresspflicht mehr. Auch offene Verfahren wurden beigelegt, nachdem der OGH im Sommer des heurigen Jahres festgestellt hatte, dass nicht der Zeitpunkt des Entstehens der Kosten, sondern der Zeitpunkt des Vermögenszugriffes - also das Ende des Verfahrens - entscheidend für eine entsprechende Forderung ist. Offen waren rechtskräftige Exekutionstitel, Ratenvereinbarungen und pfandrechtliche Sicherstellungen in den Grundbüchern, da das Sozialministerium es verabsäumt hatte, Übergangsbestimmungen zu erlassen. Nun sprachen die Höchstrichter ein Machtwort.

Brief an den Bund

Den Ländern entgehen dadurch Millionen. Im Falle der Steiermark sind es rund 25 Millionen, in Kärnten etwa 7,4 Millionen Euro. Der steirische Spitals- und Pflegelandesrat Christopher Drexler (ÖVP) übermittelte umgehend eine Depesche an den Bund: Es müsse nun Verhandlungen über eine Kompensationszahlung an die Länder geben.
Anlass für die Klarstellung war die Beschwerde eines Betroffenen, aber zuvor hatte bereits Volksanwalt Günther Kräuter die Sache ins Rollen gebracht: Er hatte aufgezeigt, dass die Regressansprüche in unterschiedlichen Ländern verschieden behandelt wurden. Die Steiermark und Wien etwa beharrten auf ihren Forderungen, weil es sich um Gelder handle, auf die man in Zusammenhang mit den Verpflichtungen gegenüber dem Steuerzahler nicht einfach verzichten könne. Andere Länder - Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg - waren bereits von einem Verzicht ausgegangen.

Kräuter sprach von einem „Missstand“ und einer „Ungleichbehandlung“ und forderte eine einheitliche Regelung. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein sah kein Problem, was gestern Früh zunächst die SPÖ auf den Plan rief. Hartinger-Klein sei aufgefordert, für eine Regelung zu sorgen. Dass sie kein Problem sehe, könne nur „mit intellektuellen Kapazitätsengpässen“ zu tun haben. Auch der Pensionistenverband machte geltend, es könne nicht vom Wohnort abhängen, ob noch Regress-Forderungen geltend gemacht werden oder nicht.