Weniger Steuern und weniger Ausländer - so lässt sich der erste Teil des ÖVP-Wahlprogramms zusammenfassen, den ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz am Dienstag präsentiert hat. Unter dem Titel "Der neue Weg - Neue Gerechtigkeit & Verantwortung" kreist es auf 119 Seiten um die Schwerpunkte Steuern senken, Familien entlasten, Eigentum fördern und Zuwanderung ins Sozialsystem stoppen.

Das ÖVP-Programm enthält eine Reihe bisher unbekannter Vorhaben und auch ein grobes Finanzierungskonzept zur geplanten Steuerentlastung von 12 bis 14 Milliarden Euro bis 2022:

Die Lohn- und Einkommensteuern will Kurz durch niedrigere Steuersätze für die ersten drei Tarifstufen um 3 bis 4 Mrd. senken. Die Steuersätze sollen dazu von 25 auf 20, von 35 auf 30 und von 43 auf 40 Prozent reduziert werden. Keine Veränderung ist bei den höchsten Einkommens- bzw. Tarifstufen geplant. Die kalte Progression will Kurz für alle Einkommen durch eine jährliche automatische Inflationsanpassung aller Tarifstufen abschaffen. Geplante Entlastung: 1,6 Mrd. Euro. Das Einkommensteuergesetz soll stark vereinfacht werden. Ziel: Jeder soll seine Arbeitnehmerveranlagung "in zehn Minuten und mithilfe einer einzigen Seite" machen können.

Die Körperschaftssteuer auf nicht entnommene Gewinne soll ebenfalls abgeschafft werden und 1 Mrd. bringen. Ziel: Mehr Eigenkapital in den Firmen.

Die Lohnnebenkosten sollen um 3 Mrd. sinken. Das ÖVP-Programm sieht hier eine Halbierung der Unternehmer-Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds vor. Die Vollkosten eines Mitarbeiters für ein Unternehmen sollen auf dem Gehaltszettel transparent gemacht werden. Darüber hinaus will man auch Mitarbeiter-Beteiligungen erleichtern. Erwartungsgemäß sieht das ÖVP-Konzept keine neuen Steuern (Erbschafts-, Eigentums- bzw. Vermögenssteuern) vor.

Für jedes Kind soll es hingegen einen Steuerbonus von 1.500 Euro geben. Kurz will auch die staatlichen Gebühren für den Kauf des ersten Eigenheimes streichen. Darunter fallen die Grunderwerbssteuer, die Eintragung ins Grundbuch sowie die Eintragung des Pfandrechts. Der Gebührenerlass soll bei 20.000 Euro gedeckelt sein.

Steuerbetrug von internationalen Konzernen: Die ÖVP will Online-Firmen dazu verpflichten, in Österreich "digitale Betriebsstätten" zu gründen, wenn wenn eine gewisse Zahl von Nutzern überstiegen wird. Der in Österreich erzielte Gewinn soll dann hier versteuert werden.

Punkto Pensionen betont die ÖVP, dass es keine Kürzung von kleinen und mittleren Pensionen geben soll. Das faktische Pensionsantrittsalter soll an das gesetzliche angepasst werden. Bei längerem Arbeiten soll es höhere Zuschläge bei der Korridorpension geben. Menschen, die länger arbeiten, sollen zwischen dem 65. und 68. Lebensjahr keine Pensionsversicherungsbeiträge zahlen, und Frauen sollen die Möglichkeit haben, freiwillig bis 65 und länger zu arbeiten. Alle noch verbliebenen Pensionsprivilegien will die ÖVP abschaffen. Genannt werden die Stadt Wien, ÖBB sowie die Nationalbank.

Die Mindestsicherung will die ÖVP künftig wieder österreichweit regeln. Das Wahlprogramm sieht dabei die Deckelung "Mindestsicherung für eine Bedarfsgemeinschaft" auf maximal 1.500 Euro vor. Es soll einen stärkeren Fokus auf Sachleistungen geben, insbesondere bei Wohnen, Energie, Lebensmitteln oder Deutschkursen. Ein weiterer Punkt im Wahlprogramm: Streichung von Sozialleistungen für Zuwanderer und Beschränkung der Zuwanderung ins Sozialsystem.

Für Asyl- bzw. subsidiär Schutzberechtigte soll es in den ersten fünf Jahren eine "Mindestsicherung light" in Höhe von 560 Euro pro Einzelperson geben. Ein Übergang in die reguläre Mindestsicherung soll dann stattfinden, wenn es in den ersten fünf Jahren reguläre Vollzeitbeschäftigung für mindestens 12 Monate gab. Der Zugang zu Sozialleistungen in Österreich soll laut ÖVP grundsätzlich erst nach fünf Jahren Aufenthalt möglich sein. Die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder möchte die Volkspartei, wie bereits wiederholt gefordert, an das Lohnniveau des Wohnsitzes anpassen.

In Sachen Arbeitszeitflexibilisierung schlägt Kurz "praktikablere Arbeitszeiten immer in Abstimmung auf betrieblicher Ebene" vor. Zur flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit soll ein Zeitwertkonto bzw. "Arbeitszeit-Sparbuch" eingerichtet werden. Arbeitnehmer sollen selbst entscheiden können, welche Gehaltsbestandteile, Überstunden, Zulagen, Prämien oder Sonderzahlungen - für spätere Auszeiten ohne Abstriche - steuerbegünstigt auf ein Konto überwiesen werden. Bereits bekannt ist die von Kurz geplante Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Übernachtungen von 13 auf 10 Prozent.

Sozialbetrug mittels E-Card will die ÖVP eindämmen, Sozialversicherungen sollen zusammengelegt und reduziert werden, die entsprechenden Leistungen harmonisiert. Darüber hinaus sieht das ÖVP-Programm auch eine Gebührenerhöhungsbremse für die nächste Legislaturperiode vor. Gebührenerhöhungen für öffentliche Dienstleistungen dürfen demnach nicht über der Inflationsrate liegen. Die entsprechende Regelung soll nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder gelten.

Finanzieren will Kurz die geplanten Entlastungen durch Gegenmaßnahmen in drei Bereichen: 4 bis 5 Mrd. durch höheres Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum, 4 bis 5 Mrd. durch eine Ausgabenbremse und 4 Mrd. durch Effizienzsteigerungen im System. Der Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem soll laut ÖVP etwa 1,5 Mrd. bringen, bei den Sozialversicherung will man 0,7 Mrd. einsparen, in der öffentlichen Verwaltung 1,0 Mrd. Die Bekämpfung der Steuerflucht soll 0,8 Mrd. bringen.

Kritik von SPÖ und FPÖ

Auf Kritik gestoßen ist das ÖVP-Wahlprogramm bei Noch-Koalitionspartner SPÖ und bei den Freiheitlichen. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder verwies in einer Aussendung darauf, dass die ÖVP 10 Mrd. Euro Kürzungen für den Mittelstand plane. Die FPÖ wiederum betonte, dass 560 Euro Mindestsicherung für "Asylanten 560 Euro zu viel sind".

Die SPÖ fühlte sich in ihren Erwartungen bestätigt, wonach ÖVP-Obmann Sebastian Kurz Kürzungen im Umfang von beinahe 10 Mrd. Euro plane. Hinter Begriffen wie "Ausgabenbremse" und "Systemeffizienz" würden sich "massive Einschnitte" für Arbeitnehmer, Pensionisten, im Gesundheitswesen und in der Pflege verstecken, so Schieder. Die Kosten des ÖVP-Programmes würden "vollständig bei den geringeren Einkommen und beim Mittelstand geltend gemacht", betonte der Klubobmann weiters.

Die Freiheitlichen monierten die ÖVP-Pläne für die Mindestsicherung. Asyl sei ein Schutz auf Zeit und nicht das Recht auf Einwanderung in den Sozialstaat, hieß es in der Aussendung. Die von der Volkspartei geplante "Mindestsicherung light" stoppe den Zuzug ins Sozialsystem nicht, die FPÖ hingegen will diese "Einfallstor" in den Sozialstaat schließen, erklärte Generalsekretär Herbert Kickl.