Die Ankündigung der türkis-grünen Bundesregierung, Covid-19 in einem "Dialogprozess" aufzuarbeiten, ist nicht nur auf ungeteilte Begeisterung gestoßen. Mittwochabend und Donnerstagfrüh meldeten sich zahlreiche Experten zu Wort, deren Stimmen im Lauf des Pandemiemanagements gehört worden waren, und verwehrten sich gegen die Aussage Kanzler Karl Nehammers, die Politik sei "expertenhörig" gewesen.

IHS-Gesundheitsökonom Thomas Czypionka beispielsweise weist in einem Twitter-Thread "das Framing, man sei nur Experten gefolgt und die seien quasi an den Fehlern schuld" zurück. Ein häufiges Problem sei im Gegenteil gewesen, dass die Regierung Empfehlungen von Expertinnen und Experten nicht gehört habe bzw. diesen eben nicht gefolgt sei.

Auch Statistiker Erich Neuwirth, der seit Beginn der Pandemie Gesundheitsdaten gesammelt und ausgewertet sowie die Stadt Wien beraten hat, zeigt sich "verwundert": "Politiker sollten nicht erst im Nachhinein für die Entscheidungen, die sie – und nicht die Experten – getroffen haben, Erklärungen von den Experten verlangen."

Der Wiener Lungenfacharzt Arschang Valipour wiederum ist sich sicher, dass ihm gegenüber niemand "hörig" war – regt aber an, eine grundsätzliche Diskussion über die Rolle von Experten in einer Pandemie zu führen.

"Traurig und absurd" findet der Innsbrucker Verfassungsexperte und Föderalismusforscher Peter Bußjäger die Ankündigung der Regierung: "Mich würde ja interessieren, welchen Expertinnen und Experten die Bundesregierung hörig war."

Einen detaillierten Plan, wie der "Dialogprozess" ablaufen soll, wer in einer entsprechenden Kommission sitzen könnte und nach welcher Methodik vorgegangen wird, gibt es einstweilen noch nicht. Eine entsprechende Anfrage im Bundeskanzleramt blieb bisher unbeantwortet.