Der Freispruch des langjährigen Planungssprechers der Grünen Christoph Chorherr sowie von neun Mitangeklagten hat – wieder einmal – eine Debatte über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ausgelöst. Vor allem das Schlussplädoyer, in dem einer der beiden Ankläger meinte, der Fall gehöre "in jedes Strafbuch für Korruption", stand im krassen Widerspruch zum Freispruch und der Aussage des Richters, wonach kein "Missbrauch in irgendeiner Form" festgestellt werden konnte. Chorherr war der Vorwurf gemacht worden, er habe Einfluss auf den positiven Abschluss von Widmungsverfahren der Mitangeklagten genommen, im Gegenzug hätten sie an einen wohltätigen Verein in Südafrika, dem Chorherr vorstand, gespendet.  

Georg Krakow, Vorstandsmitglied von Transparency International, kennt beide Seiten: die Rolle des Staatsanwalts wie jene des Strafverteidigers. Im Interview mit der Kleinen Zeitung verteidigt Krakow zwar die WKStA: "Ich halte überhaupt nichts von der Forderung, dass sie aufgeteilt oder abgeschafft gehört – ganz sicher nicht, eher das Gegenteil." Es sei auch nicht die Aufgabe einer Staatsanwaltschaft, ausschließlich für Verurteilungen zu sorgen. "Wenn wir das wollten, bräuchten wir keine Gerichte mehr." Auch verweist er auf die Schwierigkeiten, auf die die WKStA im Speziellen im Kampf gegen Korruption stößt: "Bei einer Bilanzfälschung liegen immer objektive Beweismittel vor, bei der Korruption gibt es vielleicht nur ein Telefonat." Bei Heimlichkeitsdelikten sei dies immer schwierig. "Es kann relativ leicht eine Verdachtslage entstehen, die dann sehr schwierig nachzuweisen ist. Das führt zu einer Menge an Verfahren, die leicht mit Freispruch enden können."

Allerdings spart Krakow, der den einstigen Bawag-Boss Helmut Elsner als Chefankläger hinter Gitter gebracht hat, nicht mit Kritik an den Korruptionsjägern, die sich mit dem Appell "Denken Sie bitte österreichisch" am Schlusstag an die Schöffen gewandt haben. "Die Vermutung, dass jemand in einem Verein oder sonst wo Einfluss hat, weil es auf der Hand liegt, reicht nicht aus. Man muss die Vermutung durch Ermittlungen untermauern. Das Argument, wir wissen eh, wie Österreich funktioniert, reicht nicht aus." Krakow nennt ein Beispiel: "Es kann sein, dass Chorherr (Anmerkung: der Planungssprecher der Grünen) einen maßgebenden Einfluss auf Vassilakou (Anmerkung: die Planungsstadträtin der Grünen) hatte, es kann aber auch genauso das Gegenteil sein. Man muss dem Sachverhalt auf den Grund gehen."

Krakow schlägt der WKStA den Ausbau der internen Qualitätskontrollen vor. "Es wäre sinnvoll, wenn die Staatsanwaltschaft stärker als bisher in die interne Qualitätskontrolle investiert." So könnten gewisse Sachverhalte zunächst intern auf den Prüfstand gestellt werden, ehe man damit an die Öffentlichkeit gehe oder sie in eine Anklage hineinschreibe. "Wir haben in Österreich das Mindset: Es ist eh alles korrupt. Das führt dazu, dass man bei gewissen Aspekten gar nicht mehr den Beweis erbringen will. Die Grundannahme gibt es im Recht nicht."

Juristisch sieht Krakow auch Lücken im Korruptionsstrafrecht. So stellten Zuwendung an gemeinnützige Organisationen bei pflichtgemäßen Amtsgeschäften und beim Anfüttern eine Ausnahme dar. "Diese Ausnahme ist fehl am Platz. Ich darf mir ein pflichtgemäßes Amtsgeschäft kaufen, wenn ich den Kaufpreis an eine gemeinnützige Organisation spende." Hier müsse nachgebessert werden.