Die Staatsausgaben für Pensionen werden massiv ansteigen. Pensionistenvertreter sprechen von "Zahlen-Alarmismus". Ist Alarmismus angebracht?
WALTER PÖLTNER: Die Bewertung überlasse ich Ihnen. Was wäre bei einem Unternehmer angebracht, wenn die jährlichen Ausgaben in fünf Jahren um 80 Prozent steigen? Kann man dann weitermachen wie bisher? Aber in einem Umlageverfahren, wie wir es beim Pensionssystem haben, bricht deshalb natürlich keine große Krise aus. Was es jedoch gibt, sind Opportunitätskosten. Wenn man zehn Milliarden mehr für Pensionen ausgibt, fehlt dieses Geld anderswo – zum Beispiel bei Bildung. Das muss man schon dazu sagen, wenn man Pensionen erhöht.

Niedrige Pensionen werden im nächsten Jahr um 10,2 Prozent erhöht. Damit soll Altersarmut verhindert werden. Wirkt das?
Mich stört, dass man mit den Pensionserhöhungen einmal im Jahr so tut, als würde man Sozialpolitik machen. Sozialpolitik ist mehr als Geldverteilen. Und nicht hinter jeder kleinen Pension steckt ein armer Mensch. Teilzeitarbeitende Vorstandsgattinen mit kleiner Pension sind nicht arm. Armutsbekämpfung kann man über die Ausgleichszulage machen, aber auch hier muss man aufpassen: Wenn jemand, ohne arbeiten zu gehen, auf die gleiche Pension kommt wie eine Hilfsarbeiterin, die ihr Leben lang gearbeitet hat, entsteht eine Schieflage, die zu Konflikten führt.

Wie geht das?
Wer ein niedriges Einkommen hatte und eine niedrige Pension bekommt, hat am Ende womöglich weniger verfügbares Einkommen als jemand, der die Ausgleichszulage bekommt. Damit ist man ja dann auch befreit von Rezeptgebühr, GIS-Gebühr, etc. Es ist eine verzwickte Situation. Wir schaffen – obwohl wir es gut meinen – ein hohes Maß an Frustration. Da passieren im System der Pensionserfassung viele Fehler.

Wie lässt sich das korrigieren?
Ich kann nur hoffen, dass die nächsten Anpassungen vernünftig sind. Aber ich selber habe die Hoffnung nicht. Das Hauptproblem ist, dass wir in Österreich zu früh in Pension gehen. Wenn alle mit 65 Jahren gingen, hätten wir kein Problem. Genau hier müsste aktive Sozial-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik ansetzen.

Wie genau?
Der Großteil der Menschen geht aus psychischen Gründen in die Invaliditätspension. Da müsste man mit einer gezielten betrieblichen Gesundheitsförderung gegensteuern und nicht warten, dass Leute krank werden und sie dann in Pension schicken. Dafür braucht es gezielte Förderung und eine gesetzliche Grundlage. Außerdem sollte jeder aktiv darüber informiert werden, um wie viel sich seine Pension erhöht, wenn er zwei Jahre länger arbeitet.

Walter Pöltner war Spitzenbeamter, Kurzzeit-Minister und Vorsitzender der Alterssicherungskommission
Walter Pöltner war Spitzenbeamter, Kurzzeit-Minister und Vorsitzender der Alterssicherungskommission © APA/HERBERT NEUBAUER