Im ORF hatten die sieben Kandidaten zur Bundespräsidentenwahl am Donnerstagabend noch einmal Gelegenheit, im Fernsehen ihre Standpunkte darzulegen. Eine klassische Diskussion aller Kandidaten miteinander scheiterte daran, dass Amtsinhaber Alexander Van der Bellen wie frühere Bundespräsidenten erklärt hatte, nicht mit seinen Herausforderern diskutieren zu wollen - der Würde des Amtes wegen. Stattdessen führten die ORF-Moderatoren Susanne Schnabl und Armin Wolf einzelne Interviews.

Van der Bellen durfte am Schluss der Sendung zuerst Kritik an seinen Social-Media-Auftritten - die ihrererseits wenig mit "Würde des Amts zu tun hätten" zurückweisen: "Kein Mensch glaubt ernsthaft, dass Juli, mein Hund, ein Interview gibt", bezog der Präsident sich auf ein neues Video. Zu alt für das Amt hält sich der 78-Jährige nicht: "Ich finde, ich bin jetzt langsam reif genug und alt genug, um dieses Amt auszuüben." Sollte er sich nicht mehr fit genug fühlen, würde er sicher sagen: "Oida, es reicht." Den Vorwurf, dass er Schwarz-Grün gegenüber großzügiger gewesen sei als gegenüber Türkis-Blau, will Van der Bellen so nicht unterschreiben: Wo der Unterschied zwischen den Strache-Gesprächen auf Ibiza und den ÖVP-Chats liegt, konnte er aber nicht herausarbeiten. Die "Sideletter", in denen die Parteien sich im Geheimen Spitzenjobs vereinbart hatten, fand Van der Bellen "nachvollziehbar".

Zuvor hatte MFG-Chef Michael Brunner den Anfang gemacht, der angesichts der Corona-Maßnahmen grundsätzliches in Frage stellte: "Glauben sie tatsächlich noch an einen funktionierenden Rechtsstaat in Österreich?" fragte Brunner das Moderatorenpaar - um im nächsten Satz zu sagen, dass der Verfassungsgerichtshof zahlreiche Corona-Verordnungen augehoben hatte. Wie schon im Kleine-Interview erklärt Brunner, die Rolle des Präsidenten stärken zu wollen - unter anderem kündigt er abermals an, die Regierung entlassen zu wollen.

Der Waldviertler Schuhproduzent Heinrich Staudinger erklärte auf die Frage, ob er sich als Bundespräsident an alle Gesetze halten werde, "Das bringe ich nicht zusammen." Außerdem würde er als Oberbefehlshaber des Bundesheers diesem gerne die Waffen reduzieren - zugunsten einer "aktiven Friedenspolitik".

Das Gespräch mit dem ehemaligen Haider-Adlatus und BZÖ-Politiker Gerald Grosz wurde von einer Auseinandersetzung mit Schnabl überschattet, die - korrekterweise - erklärt hatte, Grosz sei dereinst wegen Übler Nachrede verurteilt worden. Er sah darin die Unterstellung einer strafrechtlichen Verurteilung und drohte rechtliche Konsequenzen an. 

Dominik Wlazny wurde unter anderem zu seinem Vorschlag befragt, Besetzungskommissionen für politische Spitzenpositionen zu formieren. Darauf, wie diese zusammengesetzt wären hatte der Mediziner und Musiker ebensowenig eine Antwort wie darauf, wer (abgesehen von Innenminister Gerhard Karner) derzeit durchfallen würde. Nur soviel: Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) habe "das große Corona-Bild" nicht im Auge.

Rechtsanwalt (und "Krone"-Kolumnist) Tassilo Wallentin glaubt, dass es für viele der schwierigen Fragen der Zeit von Asyl bis Inflation "gar nicht so komplizierte" Lösungen gebe. Das derzeitige "System" böte dafür aber keinen Ansatz, nur mit ihm würde frischer Wind einziehe. Gesetze mit Binnen-I würde er nicht unterfertigen, weil "der Adressatenkreis nicht klar" sei.

FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz findet die EU - wie sein Parteichef Herbert Kickl - "kriegsgeil" und ruft dazu auf, die Sanktionen gegen Russland im Sinne der Neutralität zu beenden; sollte er Präsident werden, würde er die Regierung zwingen, sich in der EU mit allen Mitteln gegen die Sanktionen einzusetzen. Vei einer Volksabstimmung über einen Austritt aus der Union würde er derzeit noch mit Nein stimmen, da es eine Reformmöglichkeit gebe.

Video: Die sieben Präsidentschaftskandidaten im Überblick