Wie in Österreich Schlagzeilen entstehen, kann man offenbar im Mailverkehr von Pressesprechern nachlesen: Im Herbst 2020 wollte das Wirtschaftsministerium unter der Führung von Margarete Schramböck (ÖVP) eine eigene digitale Shopping-Plattform etablieren.

Damit das "Kaufhaus Österreich" auch medial mit offenen Armen empfangen wird, machte sich Schramböcks Sprecher ans Werk – offenbar mit dem Ziel, nicht nur durch Inserate selbst, sondern vor allem durch redaktionelle Inhalte für gute Stimmung zu sorgen. Das zeigt ein Mailverkehr, der heute im ÖVP-U-Ausschuss präsentiert wurde.

Bei der Krone "gleich mit den Schaltungen nachgehen"

Am 20. Oktober 2020 schrieb der damalige Sprecher an einen Kollegen, er habe betreffend "Connection 'Krone'/Redaktionell-Verkauf" (sic!) im Zusammenhang mit dem Kaufhaus Österreich gesprochen. Vertreter der Kronen Zeitung inklusive "Dichand himself" hätten "großes Interesse gezeigt, die Geschichte, wenn möglich und passend als Titel am ersten Adventsonntag-Wochenende zu spielen", so der Sprecher weiter.

Das heiße, man müsse im Ressort davor bereit sein und "dann auch gleich mit den Schaltungen nachgehen". Sein Gegenüber antwortete, man müsse dies erst mit der Wirtschaftskammer besprechen.

Die ´Kronen Zeitung´ vom 1. Dezember 2020
Die ´Kronen Zeitung´ vom 1. Dezember 2020 © Kronen Zeitung

Tatsächlich öffnete die "Kronen Zeitung" dann am 1. Dezember 2020 auf der Titelseite mit "Österreich trotzt Online-Riesen!" Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper vermutet einen Fall von Inseraten-Korruption. Schramböck, die heute von 9 bis 14 Uhr im ÖVP-U-Ausschuss Auskunft gab, hatte dazu keine Wahrnehmungen, da sie nicht im E-Mail-Verkehr ihrer früheren Mitarbeitenden ist.

Aus der "Kronen Zeitung" heißt es dazu: "Wir können für die 'Kronen Zeitung' ausschließen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem 'Interesse an einer möglichen Geschichte' und Anzeigenschaltungen gibt. 'Unabhängigkeit' ist einer der wichtigsten Werte der 'Krone' und von Beginn an im Redaktionsstatut verankert. Wie Sie wissen, ist durch das Konstrukt der Mediaprint die redaktionelle Verantwortung (Krone-Verlag) und der Werbemarkt-Verkauf (Mediaprint) auch firmenmäßig getrennt."

Krisper präsentierte in Folge Beispiele großflächiger Inserate des Wirtschaftsministeriums in der "Kronen Zeitung", die dann tatsächlich im Dezember 2020 folgten – allerdings nicht mehr das bis dahin bereits heftig in der Kritik stehende "Kaufhaus Österreich" bewarben. Stattdessen ist darauf eine "aktive Frau" zu sehen, wie die frühere Ministerin betont. Dazu prangt der Schriftzug "#einfachdigital". "Sie halten das für inhaltsleer, ich halte das anders", fasste Schramböck Krispers Fragen dazu zusammen. Die E-Mail von ihrem Sprecher hält sie nicht für verwerflich: "Er hat sich darum gekümmert, das hat er hier gemacht."

Bei Inseraten "nicht direkt involviert"

Bereits vor etwas mehr als drei Wochen hätte die frühere Wirtschaftsministerin im U-Ausschuss befragt werden sollen. Ein positiver Coronatest verhinderte das damals. Stattdessen sollten damals ihr früherer Kabinettschef und sein Stellvertreter Auskunft geben – beide hatten in ihren Führungsfunktionen allerdings eher wenige Wahrnehmungen gesammelt.

Die frühere Ministerin betonte heute, sich bei jeder Besetzung an den Vorschlag der Kommission und die Erstreihung gehalten zu haben. Auf die Bestellungskommissionen habe sie niemals Einfluss genommen. In die Themen der Inserate sei sie nicht involviert gewesen zu sein und verwies an die zuständigen Fachabteilungen. Sie habe keine Wahrnehmung dazu, in welcher Größenordnung Inserate in Auftrag gegeben wurden, so die frühere Ministerin.

Warum das Wirtschaftsministerium unter ihrer Führung mehr Inserate schalten ließ, obwohl es weniger Kompetenzen hatte? "Es war kleiner, ja, aber es war anders", sagte Schramböck. In den vorgelegten RTR-Daten blätternd erklärte sie, dass wohl 2020 Corona und sonst vor allem das neue Thema Digitalisierung "sehr wahrscheinlich ein Treiber" gewesen sei. "Aber ich war nicht direkt involviert."

Kampfparolen am 1. Mai

Auch in das Thema Umfragen war Schramböck nicht involviert, Themen seien aber in Klausuren immer wieder besprochen worden. Der Kabinettschef sei ebenfalls nicht besonders eingebunden gewesen, das Kabinett habe hier "mit dem Ministerium" zusammengearbeitet, erklärte die frühere Ministerin. Bei den Klausuren wurden aber nicht alle Fragen an Schramböck weitergegeben, erklärt diese zur Frage, warum ihr Ministerium "Kampfparolen am 1. Mai" abfragen ließ.

Dass man als Wirtschaftsministerium neben Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer (ÖVP) auch Vertreterinnen oder Vertreter der Arbeiterkammer abfragen könnte, ist für die frühere ÖVP-Politikerin "eine gute Anregung". Dass nur ÖVP-Politiker abgefragt wurde, liege wohl an den Themen, die Entscheidung sei beim "Team" gelegen.

Zustimmung zu Schramböck

Schramböcks Ministerium ließ die Beliebtheit der Ministerin 19 Mal abfragen, das "macht meiner Meinung nach Sinn", findet Schramböck. Immerhin würde man mehr mit Personen als Organisationen verbinden. Und das "Ministerium und die Ministerin sind viel stärker miteinander verbunden", als das in jedem Unternehmen der Fall sei. Die SPÖ-Abgeordnete Julia Herr fragt sich, was das Ministerium mit der Information anfängt, wie hoch die Zustimmung der Ministerin bei ÖVP-Wählern ist. Die Ministerin betont, nicht an der Erstellung beteiligt gewesen zu sein und vertraut auf das Urteilsvermögen ihres damaligen Teams.

Auffällig ist, dass die frühere Ministerin auch anders antwortet, als der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Demox, das die Umfragen durchführte. Die frühere Ministerin versucht, Zusammenhänge zu Inhalten des Ressorts zu finden. Der Meinungsforscher hatte erklärt, dass dies nicht immer notwendig sei. Fragen nach der Arbeit der Opposition in der Coronakrise seien etwa "einzelne Fragen, die ein Gesamtbild übermitteln sollen". Solche Hintergrundvariablen seien ein "wesentliches Kontroll- und Analyseinstrument", so der Demoskop.

Die Sektion informieren

Wie sehr die Presseabteilung in die Vergabe von Aufträgen eingebunden war, zeigt auch folgende Nachricht von Schramböcks früherem Ressortsprecher zu einer Beauftragung: "Nachdem die Sektion 1 die Agentur bezahlt, sollte man diese auch noch informieren 😉." Die frühere Ministerin zeigt sich zufrieden, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich bemüht zeigten, rechtskonform vorzugehen.

Ob es unter ihrer Führung üblich war, die Sektion erst beim Bezahlen einzubinden? Sie sei persönlich nicht eingebunden gewesen, habe aber keine Wahrnehmungen dazu, dass nicht rechtskonform gehandelt wurde, sagt Schramböck.

Der Blick der Journalistinnen und Journalisten: Links Opposition und Grüne, in der Mitte die ÖVP, rechts Auskunftsperson, Vorsitz, Verfahrensrichterin und Verfahrensanwältin
Der Blick der Journalistinnen und Journalisten: Links Opposition und Grüne, in der Mitte die ÖVP, rechts Auskunftsperson, Vorsitz, Verfahrensrichterin und Verfahrensanwältin © APA/HELMUT FOHRINGER

Gescheitertes Kaufhaus mit unklaren Kosten

Für die Ladung der Ex-Ministerin hatte sich die SPÖ vom Ministerium schon vor drei Wochen alle elektronischen Akten, bei denen Kosten für das mittlerweile eingestellte "Kaufhaus Österreich" angefallen waren, liefern lassen. Das Ergebnis: Laut SPÖ hat das Projekt über 1,8 Millionen Euro gekostet.

Nach Aufschlüsselung der SPÖ überstiegen bereits die Werbekosten die ursprünglich verlautbarten Kosten. Demnach fielen 909.611,81 Euro für Werbung an – 20.400 davon allein für das Logo der "Kaufhaus Österreich". Das Digitalisierungsstaatssekretariat kann diese Berechnung nicht nachvollziehen, hier wird von Kosten in der Höhe von 950.000 Euro gesprochen.

Zuvor hatte das Wirtschaftsministerium von 1,26 Millionen gesprochen. Schramböck verweist im U-Ausschuss auf parlamentarische Anfragen, es sei ja wichtig "hier nicht falsche Zahlen zu nennen". Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten das damals sehr genau ausgearbeitet.

Teures Leitbild

Auch der "Leitbildprozess", der von der Firma der Ex-Frauenministerin Sophie Karmasin (ÖVP) durchgeführt wurde, ist für die Abgeordneten interessant. Dieser soll laut Ministerium über Jahre gelaufen sein, insgesamt seien 32 Seiten fabriziert worden, 20 Interviews und eine Onlineumfrage für rund 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchgeführt und ausgewertet worden. Kostenpunkt: 125.920 Euro, wie die Wochenzeitung "Falter" berichtet hatte.

Vorsitz führt die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ)
Vorsitz führt die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) © APA/HELMUT FOHRINGER

Schramböck verteidigte – wie schon ihr Kabinettschef und sein Stellvertreter – den Prozess und seine Kosten. Es sei ein wesentlicher gewesen, da das Ministerium völlig neu aufgestellt worden sei, neue Aufgaben seien dazugekommen, alte weggefallen. Es sei etwa darum gegangen, einen stärkeren Fokus auf Serviceorientierung zu legen.

"Digitales Amt" ein "wichtiges Projekt"

Man sei noch "mitten in den Aufräumarbeiten" nach der Regierungszeit von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sagte die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli im Vorfeld der Befragung. So wurden etwa vom Digitalisierungsministerium 30.000 Euro für eine Pressekonferenz im Bundeskanzleramt ausgegeben. Präsentiert wurde damals die App "Digitales Amt", die mehr als 7,4 Millionen Euro gekostet hat. Der Großteil der 1,6 Millionen Euro an Werbekosten für die digitale Applikation ging an Printmedien.

Sie könne nicht beurteilen, was die Beauftragung war, das müsse man sich in den Unterlagen genau ansehen, so Schramböck im U-Ausschuss zu den Kosten der Pressekonferenz. Die App selbst sei aber "ein wichtiges Projekt, das auch entsprechend präsentiert und kommuniziert gehört", findet die Ex-Ministerin. Bei der Anmeldung ihres neuen, eigenen Unternehmens habe sie das "Digitale Amt" selbst benutzt.

Keine "große Show"

"Wir erwarten uns nicht die große Show, die große Aufklärung", sagte der FPÖ-Abgeordnete Christian Ries – dafür sei Schramböck nie gestanden. Der SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer sieht bei der früheren Ministerin zwei Teile: Unvermögen, an deren Ende Steuergeldverschwendung stünde sowie Missbrauch von Steuergeld für parteipolitische Zwecke.

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger erwartete sich gar einmal mehr einen Ausschusstag ohne Erkenntnisse. Die Tatsache, dass man sich für Herbst "umfangreiche Ladungslisten" erwartet, deutet für ihn darauf hin, dass es sich beim U-Ausschuss "um ein politisches Tribunal" handle. Krainer sieht das anders: Egal, wohin man bei der ÖVP schaue, gebe es dasselbe Bild, "nämlich Missbrauch von Steuergeld – und zwar in einer Dimension und Fläche, die ich so nicht erwartet hätte".

Nach der Befragung Schramböcks, die heute die einzige Auskunftsperson war, dürften noch die Freunde von Geschäftsordnungsdebatten auf ihre Kosten kommen: Es soll noch über rund 200 Beweisanträge abgestimmt werden. Außerdem soll einstimmig beschlossen werden, dass Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid dem Ausschuss im Herbst behördlich vorgeführt werden soll. Anschließend geht es für den Ausschuss in die Sommerpause.