Nachdem gestern mit Christian Pilnacek und Johann Fuchs zwei hohe Beamte der Justiz geladen waren, beleuchtet der ÖVP-U-Ausschuss heute weiter Vorgänge in der Rechtssprechung. Am Nachmittag wurde jener Staatsanwalt befragt, der gegen Pilnacek und Fuchs ermittelt. Er wurde für die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft (StA) Wien an die StA Innsbruck dienstzugeteilt – und musste so vor wenigen Tagen mit Fuchs den Mann als Beschuldigten befragen, der bis vor Kurzem noch sein direkter Vorgesetzter war. Eine Befangenheit sieht er nicht.

Fuchs wird als Leiter der OStA Wien vorgeworfen, eine Anzeige gegen Pilnacek an diesen weitergeleitet zu haben. Das sei in der Regel Aufgabe der Staatsanwaltschaft, nicht der Oberstaatsanwaltschaft, sagt die Auskunftsperson heute. Dass er Pilnacek geschrieben hatte: "deine ganz persönliche Vorausinformation: Jetzt hat der Pilz dich angezeigt", sei Resultat eines Tweets von Peter Pilz, in dem dieser die Anzeige angekündigt habe, hatte Fuchs gestern erklärt.

Zu Pilnacek und OGH-Vizepräsidentin Eva Marek gebe es bereits seit sechs bis acht Wochen Vorhabensberichte, bestätigte der Staatsanwalt. Was die Staatsanwaltschaft Innsbruck vorhat – also die Verfahren einzustellen oder gegen Pilnacek Anklage zu erheben beziehungsweise gegen Marek zu ermitteln – und worum es in dem Bericht zu Marek geht, ist unklar. Der Staatsanwalt muss zu diesen neuen, laufenden Verfahren, nichts sagen. Auf Frage der ÖVP betont er, keine Auffälligkeiten bezüglich Leaks bei der WKStA beobachtet zu haben. Auch zu politischen Einflussnahmen auf die Justiz hat er keine Wahrnehmungen.

Chats "unpassend, zynisch und respektlos"

Zuvor sollte eben jene Marek dem U-Ausschuss vor allem ihre Bestellung zur Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien im Jahr 2014 erklären. Damals war Marek von der Personalkommission nicht als Erste gereiht worden. An die Öffentlichkeit gelangte Chats legen nahe, dass mit ihrer Besetzung ÖVP-ungenehme Personen verhindert werden sollten.

Marek schrieb später über ihre Bestellung zur Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien an Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP): "DANKE für das Einhalten unserer Gespräche und dass ich Dir aus einer ausweglosen Situation helfen dürfte. SPRICH (Maria-Luisa) Nittel und (Ilse-Marie) Vrabl(-Sanda) verhindert werden mussten." Die Nachrichten hätten sie aber selbst betroffen gemacht, sie seien "absolut unpassend, extrem zynisch und respektlos", sagte Marek. Was sie mit "deine Leute sind alle versorgt" gemeint haben könnte, konnte die Höchstrichterin – wie zuvor Brandstetter – im U-Ausschuss nicht erklären.

Bestellung als "Qualitätsoffensive"

Sie sei Leiterin der OStA geworden, "weil ich mich beworben habe", erklärt Marek. Den Vorsitz in der Personalkommission habe Pilnacek innegehabt, die Leiterin der WKStA, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, sei erstgereiht gewesen. Dass Brandstetter dennoch Marek bestellte, sieht diese als "Qualitätsoffensive" des früheren ÖVP-Ministers. Brandstetter selbst hatte erklärt, Vrabl-Sanda sei als Leiterin der WKStA "unverzichtbar" gewesen. Man müsse einem Minister auch zugestehen, die aus seiner Sicht beste Kandidatin auszuwählen, sagte ÖVP-Abgeordnete Corinna Scharzenberger vor Beginn der Befragung.

In ihrer Arbeit als Leiterin der OStA Wien sei die Zusammenarbeit mit der WKStA "sehr angenehm" gewesen, sagt Marek. Für sie als Behördenleiterin war besonders wichtig, dass Berichte der Korruptionsjäger professionell gefertigt gewesen seien. Die OGH-Vizepräsidentin erklärte, nicht Mitglied einer Partei zu sein. Dass sie in ihrer Zeit als Studentin Mitglied der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) war, könne sie sich nicht vorstellen.

Nicht zu Postenschacher geladen

Mareks Befragung gestaltete sich am Vormittag schwierig: Entsprechende Fragen wurden von Vorsitzendem Wolfgang Sobotka (ÖVP) auf Empfehlung der Verfahrensrichterin nur zugelassen, wenn die Abgeordneten einen Zusammenhang zu möglicher Beeinflussung auf Ermittlungen und Aufklärungsarbeit herstellten, da Marek auch nur zu diesem Thema geladen war. Die SPÖ erklärte, dass bei Mareks Ladung die Vorwürfe zu ihrer Bestellung noch nicht bekannt gewesen seien.

Da sie nicht zu Postenbesetzungen geladen sei, habe sie sich auch nicht auf die medial bekannten Nachrichten vorbereitet, die zu ihrem Rückzug aus vielen Funktionen am OGH geführt hatten, erklärte Marek. Die nunmehrige Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs hielt fest: "Ich kenne kein 'System Pilnacek'", nur das Justizsystem. In diesem habe sie bisher nicht erlebt, dass sich ein Justizminister nicht an die Empfehlung des Weisungsrats gehalten hätte, sagte sie auf Frage der ÖVP.

Die SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits fragte Marek zu einem Chat des nunmehrigen Leiters der OStA Wien, Johann Fuchs, an Christian Pilnacek. Damals war Thema, dass Pilnaceks Sektion geteilt werden solle. Marek werde "dieses Thema" an die damalige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein "herantragen", schrieb Fuchs. Sie habe dazu keine Wahrnehmungen, sagte Marek, nachdem sie von der ab Mittag vorsitzenden zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) um eine Antwort gebeten wurde.

Causa Schlössle

Die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli wollte zeigen, dass Mareks Bestellung auch klare Auswirkungen auf Verfahren hatte. Konkret befragt sie die nunmehrige Höchstrichterin zur Causa Schlössle: Der Investor René Benko zahlte 250.000 Euro für ein Vorkaufsrecht an die Gemeinde Lech und 250.000 Euro für "eine zeitlich vernünftige Abwicklung".

Die WKStA ermittelte, das Verfahren wurde dann aber per Weisung eingestellt. Benkos Anwalt Böhmdorfer habe Unterlagen gebracht und sei dann wieder gegangen, erklärte Marek. Die OStA habe dann die Aktenlage geprüft und sei "zu einer anderen Rechtsmeinung gekommen als die WKStA". Die neuen Dokumente des Benko-Anwalts wurden dann nicht mehr an die Korruptionsjäger übermittelt, da diese bereits eine hohe Arbeitsbelastung hatten. Sie habe "nicht einfach eine Weisung" zur Einstellung gegeben, betonte die Auskunftsperson. Der Weg sei über das Ministerium an den Weisungsrat gegangen.

Staatsanwalt und Abteilungsleiter über Pilnacek und Fuchs

Nach Marek kommt jener Staatsanwalt, der von der Wiener Anklagebehörde der Innsbrucker Staatsanwaltschaft dienstzugeteilt worden ist und dort die Ermittlungen gegen Pilnacek und Fuchs betreut. Die Volkspartei sieht hier – wie gestern auch Fuchs – eine merkwürdige Konstruktion, da ein Wiener Staatsanwalt gegen seine früheren Vorgesetzten doch befangen sein könnte. Auch die FPÖ sieht eine "komische Optik". Der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer sieht kein Problem, er habe das so verstanden, dass der Staatsanwalt bereits in der Causa eingearbeitet sei.

Sonderbericht zur WKStA: Insgesamt gut aufgestellt

Als dritte Auskunftsperson war dann der Abteilungsleiter für Großverfahren und berichtspflichtige Strafsachen in der Sektion Einzelstrafsachen im Justizministerium, Robert Jirovsky, an der Reihe. Er berichtete etwa über unterschiedliche Rechtsansichten zwischen ihm und Pilnacek bezüglich einer Anzeigepflicht gegen Brandstetter in der Causa um eine Besetzung, bei der Brandstetter Bedenken gegen den erstgereihten Abteilungschef hegte und ein Hearing unter eigener Federführung ansetzte, bei dem auch ein Ministeriums-Chauffeur einbezogen worden sein soll. Er, Jirovsky, habe eine Anzeigepflicht befürwortet, Pilnacek sei dagegen gewesen.

Jirovsky berichtete auch über einen Auftrag von Ex-Justizminister Josef Moser (ÖVP), die Arbeit der WKStA zu durchleuchten. Dieser sei ihm vermutlich von Pilnacek übermittelt worden, ganz genau wisse er es aber nicht. Ähnliche Aufträge bezüglich der Überprüfung anderer Staatsanwaltschaften habe er sonst nicht bekommen. Ergebnis der Prüfung: Der Großteil der WKStA arbeite solide, deren Berichte seien meist ein Genuss zu lesen. Vereinzelt habe es aber durchaus auch Probleme gegeben. Insgesamt sei die WKStA gut aufgestellt, "aber nicht so elitär, wie sich selbst darstellen wollte".

Ebenfalls Thema war der Strafantrag gegen Fuchs, den die Staatsanwaltschaft Innsbruck nach Bedenken des Weisungsrats im Justizministerium adaptieren musste. Jirovsky selbst hatte eine neuerliche Vorlage an den Weisungsrat vorbereitet - das Kabinett habe das aber nicht für nötig erachtet, die Ministerin habe dies auch begründet. Dem habe man sich dann auch angeschlossen, so Jirovsky: Einerseits habe die Adaptierung ohnehin den Bedenken des Weisungsrats entsprochen, andererseits habe der Rat selbst in einer früheren Causa zu erkennen gegeben, dass er eine neuerliche Befassung nicht wolle.

Familie als Entschlagungsgrund

Die ÖVP sieht durch die gestrige Befragung von Fuchs, einem "Profi, frei von jeder Parteipolitik", "zahlreiche politische Luftschlösser" der Opposition in sich zusammenfallen.

ÖVP-Abgeordnete Corinna Scharzenberger
ÖVP-Abgeordnete Corinna Scharzenberger © APA/HELMUT FOHRINGER

Besonders die gestrige Befragung von Pilnacek, der sich breit entschlug, stieß der Opposition hingegen schlecht auf. Der suspendierte Sektionschef hatte argumentiert, ohne Zugriff auf seine Chats auch nichts dazu sagen zu können. Zu Nachrichten, in denen er sich bei hochrangigen Politikerinnen und Politikern dafür einsetzte, dass seine Frau Präsidentin des Oberlandesgerichts Graz werden sollte, hatte er nichts sagen wollen, da es sein privates Umfeld betreffe. "Postenschacher ist grundsätzlich etwas ganz, ganz Böses – außer es trifft die eigene Familie", fasste FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker etwas polemisch zusammen.

Eine solche Argumentation werde man nicht durchgehen lassen, sagte Hafenecker. "Wenn man dem Landeshauptmann der Steiermark eine SMS schickt, wo man ganz klar dafür wirbt, dass seine Frau einen Job kriegt", müsse man das beantworten können, warum man das getan hat. Außerdem habe Pilnaceks Frau im Anschluss auch bei Ministern und dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) interveniert, so Hafenecker. "Das Private kann natürlich auch politisch sein", hier dürfe und müsse der U-Ausschuss nachfragen, meinte die grüne Abgeordnete Tomaselli.