Dem Vorstoß der Wirtschaftskammer, die Bepreisung von CO₂-Emissionen um mindestens ein Jahr zu verschieben, erteilte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) eine Absage: "Es ist ein Diskussionsbeitrag." Entscheidend und viel wichtiger sei es, "jetzt voll in die Erneuerbaren zu gehen".

Außerdem sei der CO₂-Preis gleichzeitig die Basis für die Auszahlung des Klimabonus, Haushalte mit geringeren Einkommen würden durch die ökosoziale Steuerreform gewinnen, sagte Kogler in der ZiB 2 Montagabend. "Und das würde dann wegfallen." Insofern würde man dort "einen Schaden stiften". Er fände es daher "sinnvoll", an der CO₂-Bepreisung festzuhalten.

Kogler attackierte die WKÖ frontal: "Es waren allen voran die Herren der Bundeswirtschaftskammer, die uns aktiv in diese Gasabhängigkeit getrieben haben." Seit 2009 sei klar, dass Österreich viel stärker aus den Fossilen gehen und diversifizieren müsse. Allen voran die Bundeswirtschaftskammer habe Putin den "roten Teppich mit Schleimspur ausgerollt", sagte Kogler. "Die Regierungsmitglieder sollen sich nicht von jenen aufscheuchen lassen, die uns in dieses Unglück mit hineingeritten haben."

WKÖ-Chef Mahrer fordert nun von Vizekanzler Werner Kogler eine Entschuldigung für dessen Rundumschlag gegen die Kammer. Er weise "die haltlosen Vorwürfe des Vizekanzlers entschieden zurück, die WKÖ wäre in irgendeiner Art und Weise für die Abhängigkeit von russischem Gas verantwortlich - sowohl inhaltlich als auch was das Niveau der Wortwahl betrifft", schreibt Mahrer am Dienstagnachmittag in einer der Stellungnahme. "Es wäre eine rasche Entschuldigung des Vizekanzlers gegenüber der Wirtschaftskammer-Organisation, den Funktionärinnen und Funktionären und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angebracht", so Mahrer.

"Unternehmen und Haushalte kämpfen mit Energiepreisen"

Angesichts des "entsetzlichen Angriffskriegs gegen die Ukraine" würden Unternehmen und Haushalte mit steigenden Energiepreisen kämpfen. "Es stellt sich in einer nie dagewesenen Dimension die Frage der Versorgungssicherheit und der Leistbarkeit von Energie für die Betriebe und die Haushalte. Das muss die Spitzenpolitik jetzt sachlich im Auge behalten und jegliche Belastungsmaßnahme auf den Prüfstand stellen", so Mahrer.

30 Euro je Tonne CO₂ ab 1. Juli

Als die Bundesregierung Anfang Oktober des Vorjahres den Fahrplan zur Bepreisung des Ausstoßes von klimaschädlichem CO₂ als Kernstück der ökosozialen Steuerreform vorstellte, löste sie heftige Diskussionen aus: Ob denn der Preis von 30 Euro je Tonne CO₂-Emissionen ab 1. Juli 2022 nicht viel zu zaghaft und der Pfad der Verteuerung nicht allzu mutlos seien.

"Flexibel handhaben"

Fünf Monate später nimmt die Diskussion in die Gegenrichtung Fahrt auf: Der Generalsekretär der Wirtschaftskammer, Karlheinz Kopf, spricht sich angesichts des massiven Preisanstiegs für fossile Energie für eine Verschiebung der Einführung des CO₂-Preises um mindestens ein Jahr aus, vielleicht auch zwei. Man müsse dies "flexibel und parallel zur Preisentwicklung handhaben". WKÖ-Präsident Harald Mahrer erklärt dies damit, dass die Preise ohnehin hoch seien und Marktmechanismen griffen.

Unterstützung erfährt die WKÖ von FPÖ-Chef Herbert Kickl, der überdies eine "sofortige Halbierung der Mehrwertsteuer auf Treibstoffe" fordert.

"Putinanbiederer und Bremsklötze"

Scharfe Kritik an der Wirtschaftskammer übt die Sprecherin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth. Die Vertreter des Wirtschaftsbundes, für Jungwirth "ehemalige Putinanbiederer und Bremsklötze der Nation", outeten sich als "Lobbyisten der fossilen Energie". Auch Umweltschutzorganisationen sind strikt gegen eine Verschiebung der CO₂-Bepreisung.

"Marginale Preissteigerungen"

Eine "Scheindebatte" sieht der grüne Klima- und Energiesprecher Lukas Hammer: Angesichts der enormen Preissteigerungen bei den fossilen Energieträgern sei der österreichische CO₂-Preis "marginal". Die Situation sei "extrem ernst", sagt Hammer, der die Steuerreform für die Grünen führend mitverhandelt hat. "Wir müssen dringend Lösungen finden, wie wir Haushalte und Betriebe in dieser Lage unterstützen und wie wir mittel- bis langfristig aus der fossilen Abhängigkeit herauskommen", dabei dürfe es "keine Denkverbote" geben. Jetzt am CO₂-Preis zu schrauben, der durch den "Klimabonus" ohnehin weitgehend rückerstattet werde, sei aber nicht sinnvoll.

Die österreichische Bepreisung startet Mitte des Jahres mit einem Preis von 30 Euro pro Tonne CO₂. Der Preis soll in den kommenden Jahren – 35 Euro 2023, 45 Euro 2024 – steigen und 2025 in ein Zertifikatshandelssystem übergehen.

Kilometergeld auf 50 Cent erhöhen

Um vor allem Pendlern zu helfen, soll nach Vorstellungen des ÖAMTC und der Arbeiterkammer an zwei Schrauben gedreht werden: Das Kilometergeld müsse von 42 Cent auf 50 Cent steigen, fordert der Autofahrerklub, die AK verlangt eine "dringende Valorisierung" des seit 2008 unveränderten Kilometergeldes. Die AK regt zudem Anpassungen bei der Pendlerpauschale an. Ein kilometerabhängiger Absetzbetrag anstelle gestaffelter Freibeträge würde Pendler mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten und "könnte mithelfen, die Mehrkosten durch Energiepreisinflation und CO₂-Preis zu kompensieren".