Erst am Montag waren neue Vorwürfe gegen den ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium (BMF) und späteren Öbag-Chef Thomas Schmid bekannt geworden. Diesmal steht auch der steirische Investor Sigfried Wolf im Fokus. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit bzw. der Bestechung, laut "Falter" könnte Ex-Öbag-Chef Schmid dem Unternehmer 630.000 Euro Steuerschuld erlassen haben. Es gilt die Unschuldsvermutung, der neue Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) versprach "volle Aufklärung".

Der Fall hatte eine Besonderheit in den Ermittlungen gegen den engen Vertrauten von Sebastian Kurz: Einmal stand nicht Schmids Handy und die darauf ausgetauschten Nachrichten im Fokus. Bis heute, denn die Ermittler wurden erneut auf dem Mobiltelefon des ehemals höchsten Beamten des Finanzministers fündig. "Kronen Zeitung", "Falter" und "profil" zitieren Passagen aus den Chats.

Thomas Schmid schreibt etwa am 6. Jänner 2017 seinem Kabinettsmitarbeiter im Finanzministerium:

Gemeint ist offensichtlich, dass der eigene Mitarbeiter eine Prostituierte der Wohlhabenden in Österreich sei. Der Mitarbeiter des Finanzministeriums zeigt sich durch die Aussage seines damaligen Chefs im Chat aber nicht entrüstet, im Gegenteil: "Danke, dass wir das so offen besprechen können!", antwortet er laut "profil". Auf Schmids Bitte, diese Aussage nicht bei der Arbeiterkammer zu melden, antwortet der Mitarbeiter laut "profil": "Ich werde mir das für schlechtere Zeiten aufheben"

Steuern sparen

Dieser Chatverlauf mag für sich genommen nicht strafrechtlich relevant sein, verdichtet aber den Verdacht der Korruptionsermittler: Käufliche Politik. Konkret geht es in diesem Fall um eine Steuernachzahlung: Der Millionär und Großinvestor Wolf soll Anfang 2017 beim damals höchsten Beamten im Finanzministerium Schmid interveniert haben, um sich rund 630.000 Euro an Steuerschuld zu sparen.

Die neuen Chats liefern einen genauen Einblick in den Ablauf des vermuteten Deals. So berichtet die "Krone", dass Schmid an den damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) 2016 schrieb:

Statt der ursprünglich fälligen rund elf Millionen Euro Steuernachzahlung sollte der Millionär 2016 nur noch 7,1 Millionen Euro plus rund 690.000 Euro an Zinsen für seine Steuerschuld bezahlen. Doch das reichte Wolf laut den Ermittlern nicht. Er wollte auch die Zinsen nicht zahlen.

"So wurde abermals von Wolf direkt und unter mithilfe seiner Steuerberater massiv bei Vertretern des BMF auf Kabinettsebene interveniert", schreibt die WKStA laut "profil". Wenige Tage später erinnerte Schmid seinen Mitarbeiter an dessen Rolle als Prostituierte der Reichen. Ein paar Tage später informierte Schmid den steuerschuldigen Wolf laut "profil": "Versuchen, was geht."

Steuernachsicht auf der Autobahnraststätte

Doch die Fachabteilung im Finanzministerium wollte dem Investor keine Steuernachsicht gewähren – auch nach einem Jahr Tauziehen nicht. Also wurde, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft, die Fachabteilung schlicht übergangen. Der millionenschwere Wolf wandte sich direkt an eine übergeordnete Mitarbeiterin – und hegte einen regen Austausch mit der Frau, die für seinen Steuerakt zuständigen war:

Die beiden treffen sich laut "Kronen Zeitung" auch tatsächlich auf der Raststation in Niederösterreich. Die WKStA vermutet, dass Wolf bei diesem Gespräch bestochen haben soll. Konkret soll er ihr angekündigt haben, ihre Karriere durch eine Intervention bei Thomas Schmid zu unterstützen. Als Gegenleistung sollte sie seinen Steuerantrag zu seinen Gunsten behandeln.

"Sie will Baden."

Einen Tag nach dem Treffen schreibt Wolf an Schmid: "Thomas, guten Morgen!! Ich habe mit der Dame geredet. Sie will Baden." Dabei soll es um den Chefposten des dortigen Finanzamtes gehen. Am 18. Juli 2018 erkundigt sich Wolf zunächst bei Schmid, wie das Hearing um die Leitungsstelle verlaufen ist.

Nach positiver Rückmeldung schrieb er wieder direkt der Frau, berichtet "profil": "… hoere gerade – hearing ist top!! gelaufen." Die Finanzbeamtin dankte laut "profil" zunächst mit Smileys und schrieb am Tag darauf: "Nochmals thanks!!!!!!!! ‚Scheine dem Herrn Bundesminister ... vorgeschlagen zu sein‘." Der millionenschwere Investor Sigfried Wolf antwortet der Finanzbeamten:

Wenige Wochen später erhielt sie den Posten. Erst im Frühjahr 2019 sehen interne Prüfer routinemäßig Steuernachlässe durch und stoßen auf den beschriebenen Fall. Laut "profil" soll Wolf dann erneut versucht haben, bei Schmid zu intervenieren. Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium war im Mai 2019 aber bereits Öbag-Chef und riet Wolf davon ab, seinen Namen zu nennen.

Die Finanz hob den seinerzeitigen Bescheid auf. Der Fall liegt bis heute vor dem Bundesfinanzgericht. Die Beteiligten streiten die Vorwürfe ab, es gilt für alle die Unschuldsvermutung.

Opposition sieht sich bestätigt und will aufarbeiten

Die Opposition sah in den neuen Enthüllungen die Bestätigung dafür, dass der neue U-Ausschuss dringend notwendig sei. "Der Untersuchungsausschuss wird sich ganz genau ansehen, wie das System Kurz rund um den Ex-Kanzler und Thomas Schmid und ihre türkise Familie entstehen konnte. Dass dieses System nur für sich und seine Freunde und Gönner und nicht für die Menschen und das Land gearbeitet hat, wird von Tag zu Tag klarer", meinte etwa Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sah wiederum Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in der Pflicht. "Die neuen Chats aus dem Finanzministerium sind der absolute Tiefpunkt der türkisen Truppe und belegen schwarz auf weiß die Käuflichkeit der ÖVP." Für Deutsch ist klar: "Nehammer muss zu den neu aufgetauchten Chats unmissverständlich Stellung beziehen, für volle Transparenz und Konsequenzen sorgen. Der Kanzler kann und darf nicht länger schweigen."

"Die heute bekannt gewordenen Chat-Protokolle um den vermeintlichen Steuerskandal rund um den ÖVP-nahen Industriellen und Oligarchenfreund Sigi Wolf zeigt einmal mehr das Sittenbild, das in der 'neuen' und in der 'alten' ÖVP offenbar zum guten Umgangston gehört hat. Wer rund um den Ex-Kanzler Sebastian Kurz sein soziales und berufliches Netz gespannt hatte, der fiel zumeist auf die finanzielle Butterseite", meinte FPÖ-Fraktionsvorsitzender Christian Hafenecker.