Bei einer Sondersitzung des Nationalrates präsentierten sich heute der neue Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sowie seine neuen türkisen Minister (plus Staatssekretärin) den Volksvertreterinnen und -vertretern im Parlament. Drei Tage nach ihrer Angelobung erklärten Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), wie sie die kommenden Regierungsmonate gestalten wollen.

Die letzte Erklärung dieser Art hat noch nicht einmal vor zwei Monaten stattgefunden, als sich Alexander Schallenberg als neuer Kanzler präsentiert hatte. Er nimmt heute wieder als Außenminister auf der Regierungsbank Platz.

"Eine große Ehre"

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka eröffnete die 133. Sitzung des Nationalrates und gelobte gleich zu Beginn die zwei neuen weiblichen ÖVP-Abgeordneten an, die für den aus der Politik ausgeschiedenen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und die neue Staatssekretärin Claudia Plakolm nachgerückt sind. Daraufhin ergriff Nehammer zum ersten Mal als Kanzler im Hohen Haus das Wort.

Es sei für ihn "eine große Ehre, heute eine Regierungserklärung abgeben zu dürfen", erklärte er. Der Kanzler bedankte sich für "vertrauensvolle Gespräche" im Vorfeld (auch mit der Opposition) und bei Kurz, der für das Land viel getan habe – vor allem in Zeiten der Pandemie. Dank richtete er auch an Kurzzeit-Kanzler Schallenberg, "es ist schön, dass du wieder in meinem Team bist". Auf die Zusammenarbeit mit Vizekanzler Kogler "freue ich mich", fügte Nehammer hinzu.

"Virus ist unberechenbarer geworden"

Nachdem Nehammer alle neuen Minister und die Staatssekretärin einzeln begrüßt hat, betonte er, dass "keiner von uns weiß, welche Herausforderungen noch auf uns zu kommen". Nach den nun beschlossenen Öffnungsschritten bleibe der Fokus auf die Sicherheit bestehen, Lockdown für Ungeimpfte sowie die Impf- und Maskenpflicht sorge dafür, so der neue Kanzler. "Das Virus ist nach wie vor da und ist unberechenbar geworden."

Es handle sich bei den regionalen Öffnungsschritten nicht – wie von einigen Kommentatoren so gesehen – um einen Fleckerlteppich, sondern um eine Vorgehensweise, die "nicht alles über einen Kamm schert". An die Ungeimpften im Land wandte sich Nehammer direkt. Ihm sei bewusst, "dass Sie unsicher sind und Angst vor dieser Entscheidung haben". Die Impfung sei aber die Chance, Freiheit für uns alle zu erreichen. "Wenn Sie uns als Politiker misstrauen, bitte misstrauen Sie auch den Chatgruppen", die falsche Inhalte verbreiten. "Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Arzt, der Sie schon lange begleitet."

Nehammer skizzierte Projekte, auf die sich die Regierung nun konzentrieren werde. Neben der ökosozialen Steuerreform nannte er auch den Fokus auf die Wirtschaft, Digitalisierung und die Entlastung von Familien. Auch die Schulen seien zentral, "geben Sie einen großen Dank an die Kinder dieses Landes". Lerndefizite müsse man ausgleichen. Auch auf EU-Ebene wolle Nehammer die Zusammenarbeit weiter vorantreiben, "weil die Herausforderungen immer größer werden". Als Beispiel nannte der frühere Innenminister "globalisierte Migration".

Freiheitliche Empörung über Kogler

Vizekanzler Kogler schloss sich im Anschluss dem Dank an Schallenberg und die ausgeschiedenen Mister an. Es sei "zu keiner Zeit" das Staatslenken still gestanden. Und "obwohl mich dafür einige kritisieren werden", dankte Kogler auch explizit der ÖVP. Sie habe die Lage "in einer Krise" zügig "bereinigen" können.

Angesichts der Pandemie erklärte Kogler, dass man den gezielten Missbrauch mancher politischer Kräfte von Ängsten in der Bevölkerung "missachten sollten". Dies trage weiter zur Spaltung bei. Begleitet von empörten und lautstarken Zwischenrufen aus den Reihen der Freiheitlichen ergänzte Kogler, dass er kein Verständnis für "Staatsverweigerer, Neonazis" und Co. habe, die "da samstags durch die Stadt spazieren".

Rendi-Wagner: Wofür bedanken Sie sich?

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fragte im Anschluss, wofür man sich hier gegenseitig bedanke. "Für den vierten Lockdown?" Der Dank gebühre eher dem überlasteten Gesundheitspersonal. Auch die jüngste "Fleckerlteppichlösung" habe gezeigt, "dass sich die Regierung selbst aufgegeben hat". Denn: "Zuschauen ist nicht regieren."

FPÖ-Chef Herbert Kickl, der bereits am Vormittag scharfe Kritik an Kanzler Nehammer geübt hatte, bezeichnete die Regierung als "Laufhaus", weil sich die Akteure so schnell austauschen. "Man kann der Regierung kein Wort mehr glauben." Zudem widerspreche sich die Regierung permanent selbst. Kogler attestierte er "moralische Verwahrlosung".

Laut Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger fragen sich nun viele, "wie verlässlich diese Regierung noch ist". Kritik übte sie aber vor allem an der FPÖ. "Sagen Sie mir einen einzigen machbaren Vorschlag, der von Ihrer Fraktion kam." Die FPÖ habe ein Verständnis von Freiheit, "die fast schon kindisch ist".