Die Regierungsparteien, ÖVP und Grüne, konnten für die Impfpflicht auch Teile der Opposition gewinnen, namentlich Neos und SPÖ.  NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger war bei der Präsentation durch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) mit am Podium. Die SPÖ will noch den endgültigen Gesetzestext abwarten, bevor sie sich offiziell damit präsentiert, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stehe aber hinter der Impfpflicht, hieß es. Der FPÖ habe man mehrfach Gespräche angeboten, diese wurden jedoch ausgeschlagen.

Der Gesetzesentwurf geht heute in die Begutachtung, die Begutachtungsfrist läuft bis 10. Jänner. Die Impfpflicht soll ab Februar des kommenden Jahres gelten und Ende Jänner 2024 außer Kraft treten. Betroffen sind alle Personen ab dem 14. Lebensjahr, die in Österreich ihren Hauptwohnsitz haben.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler: "Die Impfpflicht ist der einzige Weg heraus aus der Pandemie." Am Sonntag ende der Lockdown für Geimpfte und Genesene, und es müsse alles daran gesetzt werden, dass es zu keinem weiteren komme. Es sei ausgiebig geprüft worden, ob die Maßnahme verfassungsrechtlich möglich sei.

Tätige Reue möglich

Es geht nicht vordergründig darum, die Menschen, die noch nicht geimpft seien, zu strafen, sondern darum, sie abzuholen und dazu zu bringen, sich aus der Solidarität mit der Gesellschaft heraus impfen zu lassen. "Ich verstehe, dass viele unglücklich über die Impfpflicht sind, mir selbst ist die Freiheit auch sehr wichtig. Aber um wieder alle in Freiheit leben zu können, sehen wir keinen anderen Weg."

Es sei auch die Möglichkeit der "tätigen Reue" vorgesehen: Man werde sich also von einer Strafe befreien können, indem man sich nachträglich impfen lasse.

Geltung für zwei Jahre

Davon, von der Einführung der Impfpflicht abzusehen, wenn eine bestimmte Impfquote erreicht sei, sei man wieder abgekommen, so Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein. Grund sei die Erkenntnis, dass es in den kommenden zwei Jahren jedenfalls noch mehrere Impfzyklen brauchen werde. "Die Pandemie ist nicht vorbei." Wichtig sei jedenfalls auch, nicht auf neue Impfstoffe zu warten. "Die werden kommen, aber alle Experten raten dazu, sich jetzt bereits mit den vorhandenen Impfstoffen impfen und boostern zu lassen."

Mückstein präsentierte die Details und gab zu Protokoll, er selbst habe auch gehofft, ohne Impfpflicht auskommen zu können. Es hätten sich viele impfen lassen, "aber die Zahl reicht nicht aus, um uns ausreichend zu schützen". Mückstein bedankte sich bei Neos und SPÖ für die gemeinsame inhaltliche Arbeit.

Die Eckpunkte:

  • Die Impfpflicht soll Anfang Februar 2022 in Kraft treten und vorläufig bis Ende Jänner 2024 gelten und gilt für alle mit Hauptwohnsitz in Österreich, ab 14 Jahren.
  • Befreit sind Schwangere für die Dauer der Schwangerschaft, obwohl die Schutzimpfung für schwangere Personen ausdrücklich empfohlen sei, wie Mückstein betonte. Ausgenommen von der Impfpflicht sind weiters Personen, die nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden können, sowie genesene Personen für 180 Tage ab dem Tag der Probenentnahme des positiven PCR-Tests.
  • Als Nachweis für die Ausnahme genügt eine ärztliche Bestätigung, die den Ausnahmegrund und das Datum des Wegfalls des Ausnahmegrundes enthalten muss. Genesene können den Ausnahmegrund mit einem Genesungsnachweis belegen.
  • Bei Schwangeren und gesundheitsgefährdeten Personen ist der Ausnahmegrund im Zentralen Impfregister einzutragen, bei Genesenen nicht. Es ist somit ersichtlich, wenn bestimmte Ärzte besonders häufig Atteste ausstellen.
  • Es wird keine zwangsweise verabreichte Impfung geben.

Ärzte folgender Fachrichtungen dürfen die Atteste ausstellen: Allgemeinmediziner, Internisten, Psychiater, Dermatologen, Gynäkologen, Kinderärzte, Amtsärzte. Es gibt eine Liste von Ausnahmegründen, die sich auf Unverträglichkeiten von Wirkstoffen bezieht, die vom Gesundheitsministerium der Ärztekammer übermittelt wird.

Und wie erfolgt die Durchführung bzw. Kontrolle?

  • Die Daten von Melderegister, Impfregister und Epidemiologischen Meldesystem werden miteinander abgeglichen.
  • Vierteljährlich finden die sogenannten „Impfstichtage“ statt. An diesen müssen alle Personen, die von der Impfpflicht erfasst sind, geimpft sein oder einen Ausnahmegrund im Zentralen Impfregister eingetragen haben.
  • Ungeimpfte Personen werden vierteljährlich per Erinnerungsschreiben dazu aufgefordert, sich bis zum nächsten „Impfstichtag“ impfen zu lassen oder einen Ausnahmegrund durch einen dazu berechtigten Arzt bzw. Ärztin ins Zentrale Impfregister eintragen zu lassen.
  • Befindet sich am jeweiligen Impfstichtag kein Eintrag einer Impfung oder eines Ausnahmegrundes im Zentralen Impfregister, wird der ungeimpften Person von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde eine Strafverfügung ausgestellt.

So hoch können die Strafen sein:

  • Die Strafen werden vierteljährlich verhängt.
  • Bei einem ordentlichen Verfahren beträgt das Strafausmaß bis zu 3.600 Euro.
  • Alternativ kann das Verfahren in einem sogenannten abgekürzten Verfahren geführt werden. Hier beträgt das Strafausmaß bis zu 600 Euro. Wird dieser Betrag nicht eingezahlt oder gegen die Strafverfügung Einspruch erhoben, wird wiederum ein ordentliches Verfahren eingeleitet und der genaue Sachverhalt ermittelt.
  • In keinem Verfahren wird eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
  • Für Ärzte, die ein falsches Ausnahme-Attest ausstellen, sieht der Entwurf außerdem eine Verwaltungsstrafbestimmung mit einem Strafausmaß von bis zu 3.600 Euro vor.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger machte kein Hehl daraus, dass die Impfpflicht für sie nur die zweitbeste Lösung ist. Für sie gehe es aber "um das klare Signal, dass die Impfung eine Bürgerpflicht ist. Das hat nichts mit einer Spaltung zu tun, sondern es geht im Gegenteil darum, gemeinsam alles dafür zu tun, dass wir herauskommen aus der Pandemie".

Beraten vor Strafen

Beraten gehe vor Strafen, und den Neos ist es besonders wichtig, dass vor Inkrafttreten der Impfpflicht jeder nicht Geimpfte auch noch eine Einladung für einen Impftermin ohne Wartezeit erhält. Die Einschränkung der Freiheit müsse verhältnismäßig sein, aber die Neos stünden keinesfalls "auf der Seite derer, die alle Maßnahmen ablehnen, die die Fakten ignorieren und die Pandemie leugnen: Das ist nicht Freiheit, sondern es ist unverantwortlich, egoistisch und gemeingefährlich", so Meinl-Reisinger an die Adresse der FPÖ.

Das bedeute nicht, dass sie der Regierung uneingeschränkt die Mauer mache. "Es ist vieles verabsäumt worden, was wir vorgeschlagen hatten, um eine Impfpflicht zu vermeiden." Das Ergebnis sei, dass zu wenige Menschen geimpft seien, daher habe sie ihre Meinung in Sachen Impfpflicht geändert: "Eine neue Welle steht an, das Ergebnis kann nicht ein Lockdown nach dem anderen sein."

Die Abstimmung im Parlament werde für die Neos freigegeben, "aber ich weiß, dass die meisten für die Impfpflicht stimmen werden".

SPÖ "nicht Teil der Inszenierung"

Seitens der SPÖ hieß es aus dem Büro von Parteivorsitzender Pamela Rendi-Wagner, die Partei unterstütze den Impfpflicht-Entwurf grundsätzlich, auch wenn die Pflicht "nie das Ziel war". "Eine hohe Durchimpfungsrate ist entscheidend, um den Teufelskreis von Lockdowns zu durchbrechen. Nur gemeinsam können wir das Sicherheitsnetz einer hohen Durchimpfungsrate von 90 Prozent erreichen, um weitere Lockdowns zu verhindern", so Rendi-Wagner in einer schriftlichen Stellungnahme

Die SPÖ habe "wichtige Punkte" durchgesetzt, etwa eine ausführliche Begutachtung, die Einbindung von Datenschutz- und Verfassungsexperten, keine Freiheits- und Beugestrafen und einkommensabhängige Strafen. Das Fernbleiben bei der Pressekonferenz erklärte man in Rendi-Wagners Büro damit, dass es der SPÖ um die Inhalte, "nicht um irgendeine Inszenierung" gehe.