Das Treffen der Landeshauptleute am Achensee in Tirolwird in die Geschichte eingehen - nicht nur, weil Bund und Länder den vierten Lockdown sowie – zum zweiten Mal in der Nachkriegsgeschichte - eine bundesweite Impfpflicht beschlossen haben, sondern weil die politische Machttektonik des Landes auf den Kopf gestellt wurde. Die übermächtige Volkspartei, die seit 2017 den Kanzler stellt, hat sich in einer Schlüsselfrage verrannt - und nun das Nachsehen. Seit Freitag leckt die Bundes-ÖVP, die auf dem falschen Fuß erwischt wurde, die Wunden. Die roten Landeshauptleute hatten erstmals seit Jahren wieder das bessere Ende für sich.

Bundeskanzler Alexander Schallenberg und die ÖVP-Landeshauptleute gingen mit der fixen Vorstellung im Tiroler Alpenhotel ins nächtliche Treffen, dass ein bundesweiter Lockdown nicht kommen sollte und nur Oberösterreich und Salzburg am Montag zu strengen Ausgangsbeschränkungen greifen werde. Um drei Uhr in der Nacht sah die Welt anders aus, das türkise Corona-Dogma, dass die Pandemie für Geimpfte vorbei sei, nur Ungeimpften in den Lockdown geschickt werden sollen und für ihre Unvernunft bezahlen müssen, wurde von den Landeshauptleute - sechs gehören immerhin der ÖVP an - über Bord geworfen - weniger aus politischen Gründen, sondern weil virologisch und epidemiologisch eine solche Strategie angesichts der gewaltigen Infektionsdynamik zu keiner Trendwende geführt hätte.

Enge Verflechtung der Bundesländer

Entscheidenden Anteil an dem Beschluss hatte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der noch zu Jahresbeginn die Meinung vertreten hatte, bei Corona könne man, wie er wiederholt bei Pressekonferenzen betonte, „Risiko nehmen.“ Spätestens zu Ostern wechselte der Bürgermeister die Fronten. Im Vorfeld jeder regulären Sitzung der LH-Konferenz stimmt man sich entlang der Parteifarben ab. Auf Einladung von Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer weilten Ludwig und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zu Vorgesprächen in Innsbruck, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Burgenlands Hans-Peter Doskozil waren virtuell zugeschaltet. Rasch kamen die roten Landeschefs zur Überzeugung, dass angesichts der Kleinheit des Landes und der engen Verflechtungen der Bundesländer regionale Alleingänge sinnlos seien.

Während Schallenberg und die Landeshauptleute von Niederösterreich und Tirol, Johanna Mikl-Leitner und Günther Platter, sich mit Händen und Füßen gegen eine bundesweite Regelung stemmten, schloss sich der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer Ludwigs Argumentation an, ein gemeinsames Vorgehen der Länder sei einem Fleckerlteppich vorzuziehen - und das, obwohl ausgerechnet Wien und die Steiermark die niedrigsten Inzidenzen aufweisen. Die engen Banden, die Ludwig und Schützenhöfer in den Monaten des steirischen Vorsitzes geknüpft hatten, ebneten den Weg zur Übereinkunft.