Nach der Ankündigung von Salzburg und Oberösterreich, dass beide Bundesländer ab Montag in einen Lockdown gehen werden, haben sich die Landeshauptleute am späteren Nachmittag zu Beratungen über die weitere Vorgehensweise zurückgezogen. Neben der Frage, ob nicht gleich ganz Österreich in einen Lockdown gehen soll, wollen sich die Landeschefs, im Zuge der regulären LH-Konferenz am Achensee in Tirol weilen auch dem Thema der Impfpflicht widmen. In Oberösterreich und Salzburg geht man indes bis zum Äußersten: Auch die Schulen schließen.

Nach Informationen der Kleinen Zeitung plant der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer bei dem Treffen am Achensee einen Vorstoß in der Impffrage. Dem Vernehmen nach schwebt Schützenhöfer eine Impfprämie von mindestens 100 Euro, maximal 300 Euro. Dieser soll jede Person erhalten, die bis Ende April dreifach geimpft worden ist, also vollimmunisiert ist. Auf diesem Weg sollen auch Ungeimpfte in den Genuss der Prämie kommen. Wer nicht geimpft ist, müsste sich in den nächsten Tagen seinen ersten Stich, vor oder nach Weihnachten den zweiten Stich und dann nach vier Monaten den letzten Stich holen. Ab 1. Mai soll dann eine bundesweite Impfpflicht gelten. An Schützenhöfers Seite gesellte sich der Tiroler Landeshauptmann Platter - sowohl hinsichtlich der Ablehnung eines generellen Lockdowns als auch hinsichtlich der allgemeinen Impfpflicht. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hält die Diskussion ebenso für notwendig wie Oberösterreichs Landeschef Thomas Stelzer (ÖVP). Und auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner will angesichts der dramatisch steigenden Zahlen die Diskussion über eine Impfpflicht neu führen.

Ärztekammern für COVID-Impfpflicht

Donnerstagabend sprachen sich dann auch die Ärztekammern geschlossen für eine generelle COVID-Impfpflicht aus. "Es braucht jetzt ein klares Zeichen der Republik, dass die Gemeinschaft die aktuelle Situation nicht mehr länger hinnehmen kann", begründete Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer, die Forderung nach einer Impfpflicht für alle. "Wir appellieren an die Politik, hier endlich eine klare Ansage zu machen und auch einen Katalog mit den Konsequenzen für Impfverweigerer zu erstellen", berichtete er das Ergebnis einer Videokonferenz der Bundes- und neun Länderkammern.

Experten: "Impfpflicht hält rechtlich"

Verfassungsexperten sprachen sich im ORF-Mittagsjournal unisono dafür aus, dass die Impfpflicht auch rechtlich halten würde. Für Rechtswissenschafter Bernd Christian Funk von der Siegmund-Freud-Privat-Universität in Wien ist angesichts der Beurteilung der Lage durch die Experten die Schwere der Verhältnismäßigkeit erreicht. Auch Karl Stöger, Medizinrechtler an der Uni Wien, sieht angesichts der jüngsten Judikatur des Europäischen Gerichtshofs eine Impfpflicht als zulässig an.

Für den Verfassungsjuristen Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck kommt die Impfpflicht für die aktuelle Lage zu spät, es werde damit Vorsorge für die kommende Entwicklung getroffen, aber auch das erachte er für verhältnismäßig. Andreas Janko von der Johannes-Kepler-Universität in Linz stimmt zu, zumal man schon gesicherte Erkenntnisse über die Wirkung und Folgen der Impfung habe und freiwillige Alternativen nicht zum Erfolg führten.

Für Lockdown bundesweit

Am Donnerstag tagten in Wien die Sozialpartner mit der Spitze der Bundesregierung. Am Freitag ist die Landeshauptmannkonferenz am Wort. Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) will - ähnlich wie SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig - einen bundesweiten Lockdown zumindest prüfen: "Die Bundesregierung ist gefordert, unverzüglich Maßnahmen vorzulegen, um die Zahl der Menschen, die auf Intensivstationen mit dem Tod ringen, zu verringern und die Intensivstationen sowie das Personal zu entlasten", so Kaiser zur Kleinen Zeitung. "Ein genereller, kurzer, aber harter Lockdown ist aufgrund der dramatisch steigenden Zahlen zu prüfen." Es bedürfe allerdings "mehr als nur einer singulären Maßnahme", so Kaiser: auch er spricht sich dafür aus, Erst- und Drittimpfungen zu forcieren.

Nach den öffentlich ausgetragenen Differenzen über den einzuschlagenden Kurs geloben die Koalitionspartner Besserung, Kanzler Alexander Schallenberg wie auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein haben beim gestrigen Ministerrat einen großen Bogen um die Mikrofone gemacht, in beiden Lagern wird versichert, dass man miteinander rede und verhandle. Erst wenn eine Einigung erzielt werde, werde man wieder das Licht der Öffentlichkeit suchen.

Die Besorgnis ist jedoch groß: Mückstein verlieh dem auch über Twitter Ausdruck:

Dem Vernehmen nach könnten bei der am Achensee unter Tiroler Vorsitz stattfindenden Landeshauptleutekonferenz neue Maßnahmen verkündet werden - womöglich ein Lockdown, der nicht Lockdown heißt. Ob sich dieser auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt, steht in den Sternen. Wie das im Detail aussehen könnte, ob einiges, vieles oder alles zugesperrt wird, ist Gegenstand der Gespräche. Gastgeber Günter Platter hat sowohl Schallenberg als auch Mückstein zu dem Treffen nach Tirol eingeladen.

Die steirische Wirtschaftslandesrätin und Vize von ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz, Barbara Eibinger-Miedl tendierte am Donnerstag eher zu einem kurzen, harten Lockdown. Sinngemäß: Alles noch besser, als der monatelange Stillstand wie letzten Winter. "Das hält die Wirtschaft, der Tourismus nicht noch einmal aus", so Eibinger-Miedl.

Der Lockdown von Oberösterreich und Salzburg ist aus Sicht der Steirerin richtig. Sollten sich die Zahlen auch in der Steiermark so entwickeln, wäre die Landesrätin nicht gegen den Lockdown der Grünen Mark.

Lage erinnert an Bergamo

In der ÖVP hatte man bis zuletzt gehofft, dass der Lockdown für Ungeimpfte eine Trendwende mit sich bringt. Man wolle die Geimpften nicht für die Unvernunft der Ungeimpften bestrafen, so der Tenor. Angesichts der Infektionsdynamik und der Lage in einigen Spitälern, die an Bergamo erinnert, scheint man umzudenken.
Im Gesundheitsministerium betont man, dass die Stimmung zwischen den Koalitionspartnern deutlich besser sei als sie zu Wochenbeginn. Dennoch zeigt man sich davon überzeugt, dass es weitere Maßnahmen für das Eindämmen des Infektionsgeschehens brauche. Einen schnellen, harten, aber kurzen Lockdown für alle als "Wellenbrecher" soll Mückstein angeblich nicht verfolgen.

Beschränkungen

Stattdessen sei der Minister davon überzeugt, dass eine 30-prozentige Kontaktreduktion ausreichen könnte. Erreichbar sei das mit nächtlichen Ausgangsbeschränkungen, mehr Home-Office, Beschränkungen bei Veranstaltungen, eine Ausweitung der FFP2-Maskenpflicht. Nachdem sich die ÖVP zuletzt „auf den Schlips getreten gefühlt“ habe, wolle man den Koalitionspartnern nun nicht mehr öffentlich, sondern in direkten Gesprächen von diesen Schritten überzeugen.