In Oberösterreich und Salzburg wird der Lockdown für Ungeimpfte ab Montag Realität, ob auch in ganz Österreich, wird noch entschieden. Aber kann es überhaupt statthaft sein, Grundrechte nur einer Gruppe zu beschneiden?
Christoph Bezemek: Der Gleichheitsgrundsatz verlangt keine unbedingte Gleichbehandlung sämtlicher Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in sämtlichen Situationen, wir kennen viele Differenzierungen. Er fordert nur, dass Gleiches sachlicherweise gleich und Ungleiches sachlicherweise ungleich behandelt wird. Der Normsetzer ist in erster Linie den Sachlichkeitsanforderungen verpflichtet, daraus kann sich ein Gleichbehandlungsgebot, aber auch ein Differenzierungsgebot ergeben.
Das bedeutet im konkreten Fall der Ungeimpften was?
Der Normsetzer muss auf Situationen angemessen sachlich reagieren. Geimpfte und Ungeimpfte befinden sich eben in einem ungleichen Zustand, was ihr Verhältnis zum Infektionsgeschehen anlangt. Deshalb ist es sachlich angezeigt, sie ungleich zu behandeln. Es geht nicht um eine Schlechterbehandlung von Ungeimpften, sondern es geht darum, für welche Gruppe, welche Art der Restriktionen in einer Situation wie der derzeitigen erforderlich ist.
Wie beurteilen Sie die Aussichten einer Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof?
Die Erfolgsaussichten hängen davon ab, wie das entsprechende Gesetz oder die Verordnung ausgestaltet ist. Dass alle relevanten Parameter, die in die Waagschale zu werfen sind, zu berücksichtigen sind. Wie verhält es sich mit der Auslastung der Intensivkapazitäten, die ein entscheidender Faktor sind, von wem geht eine entsprechende Mehrbelastung aus, wie ist die Risikoverteilung der verschiedenen Gruppen, wie kann ich eine Binnendifferenzierung unter diesen Gruppen gewährleisten?
Wie schaut es nun mit der immer wieder diskutierten allgemeinen Impfpflicht aus? In unserem rechtlichen Rahmen eine Möglichkeit?
Möglich wäre es. Hier hängt es nun von mehreren Indikatoren ab. Eine Impfpflicht stellt einen erheblichen Eingriff in das Recht auf körperliche Integrität dar, und es wären daher auf Basis der Datenlage einige Momente zu berücksichtigen. Zum einen, wie effektiv ist die Impfpflicht, was den Eigenschutz anbelangt, wie gut funktioniert die Impfung mit Blick auf das verminderte Ansteckungsrisiko und die Schwere des Krankheitsverlaufs. Und wie bremst eine Impfpflicht allgemein das Infektionsgeschehen, wie wirkt sie sich allgemein auf die gesundheitliche Versorgung aus.
Sollte man die Frage einer Impfpflicht einem Volksentscheid unterziehen?
Rechtlich kann man das tun, erforderlich ist es nicht, Es gibt politische Repräsentanten, eben dafür, das Gemeinwesen zu repräsentieren. Typischer Weise sieht die Bundesverfassung verpflichtende Volksabstimmung eigentlich nur in Grundfesten des Gemeinwesens vor. Dann, wenn wir die Grundprinzipien der Bundesverfassung ändern wollen.
Vor wenigen Tagen erteilte der Salzburger Landeshauptmann dem Begehren des Gesundheitsministers nach einem lokalen Lockdown für Ungeimpfte eine Abfuhr. Wer ist für Gesundheit zuständig, Bund oder Länder?
Es ist Bundessache, der Gesundheitsminister hat entsprechende Kompetenzen, während den Landeshauptleute im Zuge der mittelbaren Bundesverwaltung Zuständigkeiten zukommen.
Das heißt, als mittelbare Bundesverwaltung sind die Landeshauptleute eigentlich eher Erfüllungsgehilfen des Bundes?
Eigentlich ja. Andererseits möchte man in einem Bundesstaat im Sinne einer weitgehenden Landesautonomie vorgehen. Politisch verstehe ich die Entscheidung, rechtlich ist es nicht vorgegeben.
Das heißt, der Bundesminister könnte auch in nur einem Bundesland einen teilweisen Lockdown durchsetzen?
Der Gesundheitsminister könnte dafür eine eigene Verordnung erlassen.