Bundeskanzler Alexander Schallenberg ist der Ansicht, dass sein Amtsvorgänger eines Tages wieder in die Politik zurückkehren könnte. Im Interview im neuen "Spiegel" meint Schallenberg auf die Frage, ob Sebastian Kurz je wieder ein Regierungsamt übernehmen könne: „Kurz kann absolut wieder zurück in die Politik.“ Es gelte immer noch die Unschuldsvermutung. Kurz sei immerhin „vor knapp zwei Wochen mit 100 Prozent der Stimmen zum Klubobmann und davor mit 99,4 Prozent zum Parteiobmann gewählt worden.“    

Vierparteienkoalition wäre auseinandergebrochen

Schallenberg geht allerdings davon aus, dass er selbst bis zum Ende der Legislaturperiode, die regulär 2024 endet, Hausherr im Kanzleramt bleibe. „Ich habe das Amt für die Dauer dieser Legislaturperiode übernommen.“ Er sei froh, dass der „abenteuerliche Versuch, eine Alternativregierung“ unter Einbindung der FPÖ und Herbert Kickl zu schaffen, gescheitert sei. Diese wäre bereits bei der „ersten Coronamaßnahme auseinandergebrochen.“

Kein tägliches Telefonat mit Kurz

Mit Kurz stehe er nicht im täglichen Telefonkontakt. „Wir hatten auch in der Vergangenheit gar nicht so oft Bedarf, unbedingt jeden Tag zu reden, weil wir in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich gepolt sind.“ Ob es eine rote Linie gäbe, jenseits derer die Zusammenarbeit von Schallenberg mit Kurz undenkbar wäre, sollten neue Chats, neue Vorwürfe auftauchen? „Das sind Fragen, die unsere Parteigremien zu entscheiden hätten.“  

"Manche Nerven liegen blank"

In den Beziehungen zu den Grünen sei „natürlich etwas zerbrochen.“ Deshalb habe er mit Vizekanzler Werner Kogler ein Get-together vereinbart. „Wir müssen die Teamarbeit wieder hinkriegen. Manche Nerven liegen blank.“ Seine nach Amtsantritt getätigte Aussage, er gehe davon aus, dass an den Vorwürfen nichts dran sei, sei seine private Meinung gewesen: „Ich habe volles Vertrauen in die Justiz, sie funktioniert und ist unabhängig.“

"Schon lange nicht mehr in den sozialen Medien"

Seine Aufgabe sehe er jetzt darin, das „Schiff wieder in ruhigere Gewässer zu steuern. Die Menschen wollen jetzt Sacharbeit und dass es vorangeht mit unserem Land.“ Er habe den Vorteil, dass er vieles gar nicht mitkriege. „Ich bin schon lange nicht mehr in den sozialen Medien unterwegs. Ich sehe es nun als meine Aufgabe, Emotionen rauszunehmen.“ Als vor zwei Wochen der Anruf  kam, ob er das Amt übernehmen könne, habe er seinen Vater angerufen. „Er sagte: Es ist eine Ehre, in diesem Amt der Republik zu dienen. Und das ist auch mein Verständnis. Ich bin ein Teamplayer, auch wenn dieser Akt aus einer Krise geboren ist. Es ist eine Sondersituation, weil ich mitten im Sturm das Steuer übernommen habe.“

Inseratencausa: "Politik ist begründungspflichtig"

Ob das Verhältnis zwischen Politik und Medien in Österreich auf eine neue Basis gestellt werden müsse? „Das müssen wir uns in Ruhe anschauen, ohne Scheuklappen. Wir sind im Gegensatz zu Deutschland ein kleines Land, in dem sich viel in Wien konzentriert. Es gibt eine Nähe von Medien zur Politik, aber die Medien leben auch von dieser Nähe.“ Schallenberg verteidigt die Inseratenpolitik. „In einer Demokratie ist Politik begründungspflichtig und damit kommunikationsbedürftig. Die Pandemie ist ein gutes Beispiel dafür, da hat die Politik einen Informationsauftrag.“