Unter Tags haben sich aber bereits einzelne ÖVP-Politiker zu der Regierungskrise geäußert. Mit dem Kommentar "Das hier:", teilte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Samstagmorgen auf Twitter einen Link zur englischsprachigen Wikipedia-Seite über das "Chicken Game".

Auf Deutsch wird das "Chicken Game" Feiglingsspiel oder auch Angsthasenspiel genannt. Es beschreibt ein Problem aus der Spieltheorie, das durch den James Dean-Klassiker "Denn sie wissen nicht, was sie tun" Bekanntheit erlangte: Zwei Sportwagen fahren mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu. Wer ausweicht, beweist damit seine Angst und hat das Spiel verloren. Weicht keiner aus, haben beide Spieler zwar die Mutprobe bestanden, ziehen jedoch daraus keinen persönlichen Nutzen, weil sie durch den Zusammenprall ihr Leben verlieren.

Arbeitsminister Kocher fühlt sich bei der aktuellen Krise zwischen der ÖVP und den Grünen (Die ÖVP will nur mit Sebastian Kurz weiterregieren, die Grünen nur ohne ihn) offenbar daran erinnert. "Umso wichtiger für alle: Staatsräson statt Parteiräson", schreibt er daher.

Kocher ist Verhaltensökonom und leitete das Wirtschaftsforschungsinstitut IHS, bevor er von der ÖVP als parteifreier Arbeitsminister nominiert wurde. Am Donnerstag hatte Kocher gemeinsam mit allen anderen ÖVP-Ministern eine Erklärung unterzeichnet, dass es eine ÖVP-Beteiligung an der Bundesregierung nur mit Sebastian Kurz an der Spitze gäbe.

Die jüngst öffentlich gewordenen Chats legen nahe, dass aus dem Umfeld von Sebastian Kurz bereits Wünsche an ihn herangetragen wurden, als er noch Wirtschaftsforscher war. "Das IHS und seine MitarbeiterInnen haben während meiner Zeit als Direktor immer völlig partei- und regierungsunabhängig und wissenschaftlich integer agiert, was mir sehr wichtig war", sagte Kocher dazu am Freitag.  

Erste ÖVP-Landesrätin distanziert sich von Kurz

Laut der Tageszeitung "Die Presse" distanziert sich indessen die Tiroler ÖVP-Landesrätin Beate Palfrader von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Sie ist damit die erste Statt sich bedingungslos hinter ÖVP-Chef Sebastian Kurz zu stellen, "erschiene es mir wichtiger, besser und korrekter, volle Aufklärung zu fordern", sagt Tirols Bildungs- und Kulturlandesrätin am Samstagvormittag im Gespräch mit der "Presse".

Die Unschuldsvermutung gelte für alle, betont Palfrader. Sie mache aber "keinen Hehl daraus, dass ich über das, was im Raum steht, sehr schockiert und tief betroffen bin". In der "Presse" verweist Palfrader auf "verschiedene Szenarien", nennt aber nur eines: "Dass sich jene, die mit Vorwürfen konfrontiert sind, zurückziehen, bis eine vollständige Aufklärung passiert ist. Und wenn ich das richtig gelesen habe, zählt auch der Bundeskanzler dazu."

Bereits im Mai war Palfrader nach Bekanntwerden der Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auf Distanz zu Kurz und der Bundes-ÖVP gegangen. Der "Tiroler Tageszeitung" sagte sie damals: "Ich fühle mich darin bestätigt, mich in Tirol stets als Schwarze und nicht als türkise VPlerin zu deklarieren".