Die von der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) erhobenen Vorwürfe gegen Kanzler Sebastian Kurz, Teilen seines engsten Umfelds und der Mediengruppe Österreich rufen nun auch eine Reaktion der österreichischen Chefredakteurinnen und Chefredakteure hervor. Sie üben scharfe Kritik an dem von der WKStA beschriebenen mutmaßlichen System von gekauften Meinungsumfragen und Gegengeschäften für Anzeigen.

"Die in den Justizunterlagen beschriebenen Zustände sind unethisch, unmoralisch und verwerflich. Medienkonsumenten wurden dadurch getäuscht, der Ruf der Medienbranche beschädigt", erklärten Chefredakteurinnen und Chefredakteure in einer gemeinsamen Erklärung.

Keine Gegenleistung für Inserate

Die Chefredakteure räumten zudem mit der bis in höchste politische Kreise verbreiteten irrigen Annahme auf, wonach es für Inserate Gegenleistung in Form von redaktioneller Berichterstattung gebe. Auch wenn einzelne Gratistitel auf Basis dieses Konzepts ihre Geschäftsmodelle und Verlagsimperien aufgebaut haben sollten, gebe es in den allermeisten Medienhäusern rote Linien und eine strikte Trennung zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung.

"Unsere Journalistinnen und Journalisten leisten tagtäglich großartige Arbeit. Unsere Aufgabe ist es, die Herrschenden, Mächtigen und Regierenden kritisch zu begleiten und über Vorgänge, Verhältnisse und Zustände in Politik und Gesellschaft zu berichten. Dazu zählen Erfolge und vernünftige Lösungsansätze ebenso wie Fehler im System, Ungerechtigkeiten oder Korruption. Journalismus mit Respekt vor dem politischen Amt, aber kritischer Distanz. Wir leisten diese Aufgabe unabhängig von politischen oder werblichen Einflüssen. Wir halten Abstand und lassen uns nicht vereinnahmen. Und wir sind davon überzeugt, dass die liberale Demokratie solch unabhängige Medien braucht", heißt es in der Erklärung weiter.

Unabhängige Medien kein Instrument des Machterwerbs

Die Chefredakteurinnen und Chefredakteure erinnerten zugleich an ihr Statement nach der Ibiza-Affäre 2019: "Unabhängige Medien sind in einer liberalen Demokratie kein Instrument des Machterwerbs und Machterhalts einer Partei oder mächtiger Interessensgruppen, kein Instrument zur Manipulation der Leserinnen und Leser. Bei allen Mängeln, die man ihnen vorhalten kann, sind sie ein wichtiges Korrektiv der Politik. Wer die Grenze zwischen Journalismus und Politik missachtet, gefährdet die Grundlagen der Demokratie."

Dass durch die via Staatsanwaltschaft kolportierten Vorgänge Werbung in Medien unter Generalverdacht gerate und desavouiert werde, bedauern die Chefredakteure. "Anzeigenerlöse waren neben Abo-und Verkaufserlösen über Jahrzehnte eine wichtige Einnahmequelle von Medien und haben einen Beitrag zur wirtschaftlichen Basis und Unabhängigkeit geleistet, die für die redaktionelle Unabhängigkeit unabdingbar ist. Wir sind aber überzeugt, dass kritischer Journalismus ein attraktives Geschäftsmodell ist und bleibt."

Dem Verein gehören die Chefredakteurinnen und Chefredakteure von APA, "Der Standard", "Die Furche", "Die Presse", "Falter", "Kleine Zeitung", "Kurier", "News", "Niederösterreichische Nachrichten", "Oberösterreichische Nachrichten", "Oberösterreichisches Volksblatt", "profil", "Salzburger Nachrichten", "Tiroler Tageszeitung", "trend", "Vorarlberger Nachrichten" und "Wiener Zeitung" an.