Benzin wird ab 1. Juli 2022 um 8 Cent pro Liter teurer, Diesel um 9 Cent - dafür bekommen alle Österreicherinnen und Österreicher an diesem Tag (und mit jedem folgenden Jahresbeginn) vom Staat mindestens 100 Euro an Klimabonus überwiesen - oder mehr, wenn sie in entlegenen Regionen wohnen (Kinder erhalten die Hälfte).

Das sind die beiden spürbarsten Maßnahmen der "ökosozialen Steuerreform", die die türkis-grüne Koalition am Sonntagnachmittag im Bundeskanzleramt präsentierte.

CO2-Preis startet bei 30 Euro pro Tonne

Mit Juli 2022 führt Österreich demnach einen Preis von 30 Euro pro Tonne CO₂ ein, der in den folgenden Jahren steigt: 2023: 35 Euro; 2024: 45 Euro; 2025: 55 Euro pro Tonne. Die Steigerung verläuft analog zu jenem Modell, das die deutsche Bundesregierung beschlossen hat. Allerdings ist zu erwarten, dass die nächste deutsche Regierung den Pfad beschleunigen wird.

Diese Bepreisung ist zunächst als normale Steuer mit Fixpreis eingerichtet, ab 2026 soll sich der Preis über ein - noch auszuarbeitendes - Emissionshandelsystem nach den Klimazielen bzw. deren Erreichung bemessen.

Klimabonus abhängig vom Wohnort

Die Einnahmen werden zunächst einmal über einen "Regionalen Klimabonus" rückerstattet, gestaffelt in vier Stufen: 100 Euro bekommt, wer mitten in einer Stadt lebt. Wer in schlecht öffentlich angebundenen Regionen lebt, kriegt 133 Euro, 167 Euro und 200 Euro pro Jahr, dabei orientiert man sich am urban-rural-Index der Statistik Austria.

"133 Euro würde bekommen, wer in Leoben lebt, 167 jemand in Sinabelkirchen, 200 Euro jemand in Gnas", erörtert Jakob Schwarz, Klimasprecher der Grünen. Wenn der CO2-Preis ansteigt, wird auch der Klimabonus ansteigen. Im Jahr 2025 wird die Bonuszahlung laut Vizekanzler Kogler beinahe doppelt so hoch sein, wie zu Beginn. 

Allgemeine Steuersenkungen gibt es auch: die 2. Stufe der Einkommensteuer wird mit Juli 2022 von 35 auf 30 Prozent sinken, das bringt Steuerpflichtigen bis zu 650 Euro Entlastung pro Jahr.
Die Senkung der 3. Einkommensteuerstufe von 42 auf 40 Prozent kommt ab Juli 2023, hier ist eine maximale Entlastung von bis zu 580 Euro im Jahr möglich. Für kleine Einkommen werden die Krankenversicherungsbeiträge ab Juli 2022 gesenkt, beginnend mit 1,7 Prozent. Davon profitieren insbesondere einkommensschwachen Personen und Familien. 

Der Familienbonus steigt von 1.500 auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr ab 1. Juli 2022. Das bringt pro Kind 500 Euro mehr Geld am Konto. Hinzu kommt die Erhöhung des Kindermehrbetrages auf 450 Euro.

Für Unternehmen wird die Körperschaftssteuer bis 2024 stufenweise auf 23 Prozent gesenkt.

"Größte Entlastung der Zweiten Republik"

Das Prestigeprojekt der Bundesregierung wurde von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Finanzminister Gernot Blümel und Arbeitsminister Martin Kocher (beide ÖVP) sowie Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) präsentiert.

Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach von der "größten Steuerentlastung der Zweiten Republik". Bis 2025 werden die Österreicherinnen und Österreicher dadurch mit 18 Milliarden Euro entlastet: "Jeder, der arbeiten geht, bekommt mehr - auch jene, die in der wohlverdienten Pension sind."  

Für Vizekanzler Werner Kogler ist die Einführung der CO2-Bepreisung ein "historischer" Moment: "Klimafreundliches Verhalten wird günstiger, klimaschädliches Verhalten wird teurer." Mindestens so wichtig wie die Frage, wie teuer das System kommt, sei die Frage, wie das Geld zurückkommt. Schon wenn der CO2-Preis am 1. Juli 2022, wird der regionale Klimabonus an jeden Österreicher überwiesen sein.

Dass der CO2-Preis mit 30 Euro anfangs eher niedrig ausfällt, ist laut Kogler "nicht unabsichtlich" angesichts der derzeit hohen Inflation und der hohen Gaspreise. Wichtig sei aber: "Der Preis wird steigen. Und das ist das wichtige, richtige Signal für alle." 

Das Dieselprivileg bleibt, wie es ist: Diesel bleibt gegenüber Benzin also weiterhin steuerbegünstigt. Auch das Pendlerpauschale bleibt von der Reform unberührt.

Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort

"Natürlich kommt es durch eine CO2-Bepreisung auch bei Unternehmen zu höheren Kosten bei Anschaffungen", so Finanzminister Gernot Blümel. Um Unternehmen nicht übermäßig zu strapazieren, gibt es daher eine Entlastung für besonders CO2-intensive Unternehmen, die in internationalem Wettbewerb stehen, nach deutschem Vorbild ("Carbon leakage"). Für besonders hoch belastete Unternehmen gibt es Härtefallregelungen. Außerdem gibt es einen Investitionsfreibetrag inkl. Ökologisierungskomponente, der sich an der Investitionsprämie orientiert.

Auch die Körperschaftssteuer wird gesenkt, allerdings nicht sofort. Im Jahr 2023 sinkt sie um einen Prozentpunkt und im Jahr 2024 um einen weiteren Prozentpunkt. Im Jahr 2025 soll sie dann 23 Prozent betragen (derzeit 25 Prozent) und um bis zu 700 Millionen Euro entlasten.

Für die Landwirtschaft wird ein pauschalierter Agrardiesel eingeführt. Für energieautarke Bauernhöfe wird es eine Förderung von 25 Millionen Euro geben.

Späterer Start wegen hoher Gaspreise

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler betonte, dass seit 30 Jahren über einen CO2-Preis geredet wird. Dass er nicht, wie ursprünglich geplant, mit Jahresbeginn 2022 startet, sondern erst im Juli, argumentiert Gewessler mit den derzeit hohen Kosten für Gas. "Es ist unsere Aufgabe, hier dagegenzuhalten."

Der Fördertopf für den Tausch von Öl- oder Gasheizungen wird daher auf insgesamt 500 Millionen Euro erhöht. "Wir wollen den Umstieg auf klimafreundliches Verhalten so einfach wie möglich machen", so Gewessler: "Niemand soll draufzahlen."

Arbeitsminister Martin Kocher, der auch Verhaltensökonom ist, betont: "Natürlich werden nicht alle im nächsten Jahr auf den öffentlichen Verkehr umsteigen." Die Reform habe aber eine langfristige Lenkungswirkung: "Wichtig ist, dass wir beim CO2-Preis Planbarkeit haben. Die Lenkungswirkung ergibt sich in der Vorausschau, etwa bei der Entscheidung, sich ein Auto zu kaufen, eine Heizung zu tauschen oder ob die öffentliche Hand in öffentlichen Verkehr investiert."

NGOs und Ökonomen ist der Schritt zu klein

Der neue Wifo-Chef Gabriel Felbermayr forderte am Sonntag in der ORF Pressestunde eine rasche stufenweise Anhebung der CO2-Abgabe auf Verkehr und Energie auf 60 Euro je Tonne. Er schlug einen Startpreis von 35 Euro pro Tonne vor.

Der WWF bewertet den Einstieg in die CO2-Bepreisung als wichtigen Schritt, fordert aber einen steileren Preispfad und einen größeren Öko-Bonus. Als "verheerendes Signal" sieht der WWF den erneut verschobenen Abbau umweltschädlicher Subventionen.

Auch dem VCÖ ist der CO2-Preis zu niedrig. Dies bedeute hohe Kosten für Allgemeinheit und künftige Generationen. Die Klimaschäden durch 1.000 kg CO2 betragen laut Umweltbundesamt 201 Euro, erinnerte der VCÖ. Im Regierungspapier sind in einem ersten Schritt 30 Euro pro Tonne vorgesehen.

Greenpeace ortet einen viel zu niedrigen CO2-Preis ohne Lenkungseffekt und fordert ebenfalls das Ende klimaschädlicher Subventionen, wie etwa des Dieselprivilegs. Die Regierung habe es bei der Steuerreform verabsäumt, Österreich auf Klimakurs zu bringen. "Es ist ein Armutszeugnis, dass es Österreich nicht gelingt, ein deutlich klimafreundlicheres Modell vorzulegen als etwa das konservative Deutschland", so Greenpeace.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler betont, dass die Steuerreform erst ein erster Schritt sein wird: "Klimaschutz ist nicht mit dem heutigen Tag erledigt. Er wird uns bis zum Jahr 2040 beschäftigen, wenn wir Klimaneutralität erreicht haben."