Tirols Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) befürchtet ein negatives Echo für Österreich auf internationaler Ebene, sollte es zu einer Anklage gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen mutmaßlicher Falschaussage kommen. "Ganz ehrlich: Schwierig", beantwortete sie im APA-Sommerinterview die Frage, ob ein angeklagter Kanzler noch tragbar sei: "Was stünde dann wohl in der Washington Post?"

Auch wenn "da nichts rauskommt", wäre die Situation im Hinblick auf die internationale Reputation "durchwachsen". Sie vertraue jedenfalls "zu hundert Prozent der unabhängigen Justiz". "Ich weiß, dass Justizministerin Alma Zadić (Anm.: Grüne) darauf schauen wird, dass alle Instanzen und der Weisungsrat wohlüberlegt und klug entscheiden", betonte Felipe.

Trotz Differenzen fand sie lobende Worte für die türkis-grüne Zusammenarbeit, die sie durchaus als "Langzeitmodell" sah. Auch wenn die Grünen auf Bundesebene in Hinblick auf die Justiz einige politische Kröten schlucken mussten, zeigte sich die grüne Landeshauptmannstellvertreterin mit der Bundesregierung zumindest "in meinen Zuständigkeiten sehr zufrieden". Lobend hob sie die Unterstützung des Kanzlers und der ÖVP in der Verkehrspolitik hervor.

Abschiebestopp logische Konsequenz

Die Diskussion um einen Abschiebestopp nach Afghanistan sieht Felipe durch die erfolgte Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als erledigt. Man müsse sich auf internationale Experten verlassen, meinte Felipe im APA-Sommerinterview und sah - entgegen der Meinung des Koalitionspartners ÖVP - ein generelles Abschiebeverbot als logische Konsequenz.

Frauen und Mädchen jetzt nach Afghanistan zurückzuschieben, wo die Taliban immer mehr Gebiete für sich reklamieren würden, befand Felipe jedenfalls als "letztklassig". Dass Abschiebungen generell eine rote Koalitions-Linie darstellen, verneinte die Grünen-Politikerin aber indirekt. Diese seien im Regierungsübereinkommen definiert. "Da steht zwar aus meiner persönlichen Warte viel zu wenig drinnen in Sachen Verbesserung. Aber es steht definitiv drinnen, dass nichts schlechter werden darf".

Die ÖVP ist in der Frage indes kompromisslos. So reagierte Kanzler Kurz  gegenüber oe24.tv scharf auf den Stopp einiger Abschiebungen nach Afghanistan durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) in dieser Woche. Auf die Frage, ob Österreich trotz dieser Entscheidung weiter nach Afghanistan abschieben wird, antwortete Kurz: "Ja, es muss weiter nach Afghanistan abgeschoben werden. Es kann nicht sein, dass wenn jemand illegal zu uns kommt, dass er dann einfach bei uns bleibt. Das ist inakzeptabel."