Eine neue Regelung der Sterbehilfe lässt weiter auf sich warten, doch der innerkoalitionäre Druck steigt. Nach Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der sich dafür aussprach, Sterbehilfe-Regelungen in den Verfassungsrang zu heben, legt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Mittwoch mit einer Forderung nach. Sie spricht sich dafür aus, dass der erforderliche Gesetzesentwurf, an dem gerade im Justizministerium gearbeitet wird, ein Werbeverbot für assistierten Suizid enthalte. „Ich will nicht, dass mit dem Tod geworben wird, ich will auch nicht, dass mit dem Tod ein Geschäft gemacht wird“, so Edtstadler in Richtung Alma Zadic (Grüne).

Das Justizministerium muss einen Gesetzesentwurf für das neue Sterbehilfegesetz erarbeiten muss. Der Verfassungsgerichtshof hatte ja das Verbot des assistierten Suizids in Österreich aufgehoben. Die Regierung muss bis Jahresende ein neues Gesetz erarbeiten, damit der Bereich weiterhin juristisch geregelt ist. Die Vorstellungen davon, wie das neue Gesetz aussehen soll, liegen aber weit auseinander. Das zeigte auch der Schlussbericht des Dialogforums, wo viele Fragen breit diskutiert wurden aber schlussendlich offen bleiben. Wie Suizidassistenz ablaufen soll, wer das tödliche Präparat vertreiben soll, wer sich überhaupt zum assistierten Suidiz entscheiden darf und wer assistierten Suizid leisten darf - darüber herrscht unter Vertretern von Religionsgemeinschaften, Ethik, Ärzteschaft und Zivilgesellschaft keine Einigkeit.

Noch kein Gesetzesentwurf präsentiert.

Unabhängig vom Inhalt des neuen Gesetzes wurden in konservativen Kreisen Stimmen laut, die Regelung in den Verfassungsrang zu heben, womit der VfGH diese dann auch nicht aufheben könnte. So etwa die katholische Bischofskonferenz, die das von den Verfassungsrichtern nicht aufgehobene Verbot der "Tötung auf Verlangen" auf diese Weise sichern will. Für Nationalratspräsident Sobotka muss ganz generell die Frage nach der aktiven Sterbehilfe "mit Sicherheit in die Verfassung aufgenommen werden".

Verhalten gehen die anderen Parteien, die es für die Sicherung einer Zwei-Drittel-Mehrheit braucht, mit der Forderung um. Unzufrieden damit zeigt sich nun Tirols SPÖ-Obmann Georg Dornauer. Er rief angesichts der "konservativen Drohung" die eigene Parteiführung zur Vorsicht auf: "Wenn Sobotka jetzt der Forderung der Bischofskonferenz nachkommt, und eine Verankerung der Thematik im Verfassungsrang fordert, kann das nichts Gutes heißen", sagte er. Dornauer befürchtet, dass ein entsprechendes Gesetz so dem VfGH entzogen werden soll, anstatt es verfassungskonform zu gestalten.

Die offenen Fragen

1 Wo steht die Reform der Sterbehilfe aktuell?
Nach dem Entscheid des Verfassungsgerichtshofes, den Straftatbestand „Hilfeleistung zum Selbstmord“ aufzuheben, muss das Parlament bis Jahresende entscheiden, wie Sterbehilfe in Zukunft in Österreich geregelt sein soll. Ende Juni präsentierte das „Dialogforum Sterbehilfe“ mit Vertretern aus Religion, Ethik, Ärzteschaft und Zivilgesellschaft seinen Bericht vorgelegt, der das Problem umfassend erörtert.

2 Worauf konnten sich die Teilnehmer verständigen?
Konsens besteht unter anderem darin, dass die Versorgung im Palliativbereich ausgebaut werden soll. Ebenfalls einig sind die Expertinnen und Experten, dass Sterbehilfe mit umfassender Aufklärung, verbunden sein muss – etwa durch die Beiziehung eines Juristen, der auch die Freiwilligkeit des Suizids dokumentiert.

3 Wie soll Suizidassistenz ablaufen?
Die Experten haben sich darauf geeinigt, dass nur die betroffene Person selbst eine Erklärung abgegeben kann – kein Vertreter. Möglich soll aber auch eine Erklärung „auf Vorrat“ werden, abgegeben bei Notar oder Anwalt.
Die nächste Frage ist, wie man an das tödliche Präparat kommt: Soll ein Arzt das Mittel verschreiben oder kann man einfach mit der Verfügung in die Apotheke gehen? Die Ärzteschaft steht dem Thema kritisch gegenüber und will tendenziell eher keinen Beitrag leisten.

4 Wer darf sich zum assistierten Suizid entscheiden?
Hier hinterlassen die Experten der Politik viele Frage. Dürfen Minderjährige erklären, sterben zu wollen? Soll die Möglichkeit an ein Krankheitsbild gebunden sein? Sollen nur Todkranke die Möglichkeit haben? Einziger Konsens: Person muss entscheidungsfähig sein.

5 Wer soll Sterbehilfe leisten dürfen?
Auch das ist noch unklar. Der VfGH hat beispielsweise offengelassen, ob kommerzielle Sterbehilfe erlaubt sein soll, ob Sterbehilfevereine möglich sind usw. Auch, ob assistierter Suizid in Spitälern erlaubt wird, ist umstritten.