Es habe sie immer gewundert, warum das Thema nie vor Gericht gebracht worden ist, sagt Michaela Krömer. 2019 gab der Anwältin ein Tiroler Spenglereibetrieb schließlich Anlass dazu.

Das Unternehmen wollte einen pakistanischen Asylwerber als Lehrling einstellen, weil es von seiner Eignung für den Beruf überzeugt war. Eine Anstellung muss allerdings vom Arbeitsmarktservice (AMS) geprüft werden. Prinzipiell haben Asylwerbende drei Monate nach Zulassung ihres Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt.

Dieser wird aber durch zwei Erlässe der früheren Arbeitsminister Martin Bartenstein (ÖVP) und Beate Hartinger-Klein (FPÖ) deutlich beschränkt. Der eine Erlass besagt, dass Asylwerber nur als Erntehelfer oder Saisonarbeiter eingesetzt werden dürfen, der andere verhindert, dass sie Zugang zu einer Lehrstelle erhalten. Außerdem werden Asylwerbenden nur Beschäftigungsbewilligungen erteilt, wenn es für die Stelle keine Arbeitskraft aus Österreich oder der EU gibt.

Dafür, dass sonst keine Bewilligungen erteilt werden, sorgt ein Regionalbeirat des AMS. Dieses Gremium lehnt eine Zustimmung, für die es einen einstimmigen Beschluss braucht, ab, wenn sie nicht den beiden Erlässen entspricht. So war es auch im Fall der Spenglerei in Tirol. Das Unternehmen klagte daraufhin gegen die Entscheidung und der Fall landete vor dem Verfassungsgerichtshof.

Nun hat der VfGH beide Erlässe gekippt. Begründung: Sie hätten so deutliche Auswirkungen, dass sie als Verordnungen einzustufen sind. Darüber hinaus äußern die Höchstrichter auch Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Regionalbeirates. Er wird nun in einem weiteren Verfahren überprüft.

Für 19.000 Menschen in Österreich, deren Asylverfahren derzeit läuft, hat diese Entscheidung weitreichende Folgen. Sobald die Aufhebung der Erlässe kundgemacht wurde, können sie in allen Bereichen beschäftigt werden. “Gerade für Branchen, die dringend nach Arbeitskräften suchen, ist diese Entscheidung von Bedeutung”, sagt Fremdenrechtsexperte Johannes Peyrl von der Arbeiterkammer.

Für Pflegebereich ein Tropfen auf dem heißen Stein

Vom Fachkräftemangel betroffen sind vor allem die Gastronomie, die Bauwirtschaft sowie die Pflege. Je mehr Personen da sind, die den Job ergreifen wollen, umso besser, meint Sylvia Gassner vom Fachbereich Soziale Dienste der Gewerkschaft vida. Im Hinblick auf einen Mehrbedarf an 80.000 Pflege-Arbeitskräften bis 2030 sei das Urteil aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Vorerst liegt der Ball aber ohnehin beim Arbeitsminister, der die bestehende Praxis weiterhin sicherstellen will. Kocher betont, dass es auch künftig keinen generellen Arbeitsmarktzugang für Asylwerber geben werde. Man habe das Erkenntnis natürlich analysiert, so Kocher im Ö1 Morgenjournal am Donnerstag. Aus seiner Sicht ändere sich aber wenig. Noch heute wolle man einen neuen Erlass ans AMS übermitteln, der sicherstellen soll, dass weiterhin Vorrang für inländische Arbeitskräfte, EU-Bürger und Asylberechtigte herrscht. Asylwerber sollen nur dann arbeiten dürfen, wenn das AMS keine Arbeitslosen auf den Job vermitteln kann.

Neue Einschränkungen für Asylwerbende auf dem Jobmarkt wären in Form einer Verordnung möglich.

Sowohl Peyrl als auch Anwältin Krömer rechnen damit, aus ihrer Sicht verfügt Minister Martin Kocher in diesem Fall aber über keine Verordnungskompetenz. Zudem sei die bisherige Regelung auch europarechtlich bedenklich. “Wenn im Gesetz nicht erwähnt wird, dass der Arbeitsmarkt nur für Saisontätigkeiten beschränkt werden kann, ist es auch schwierig, das mit einer Verordnung einzuführen”, so der Fremdenrechtsexperte.

"Österreich war hier lange säumig"

Die FPÖ fordert eine "sofortige Reaktion" des Arbeitsministers. "Kocher muss den bisherigen Zustand, der vom VfGH nicht inhaltlich, sondern nur aus Formalgründen beanstandet wurde, sofort mit einer entsprechenden Verordnung wiederherstellen", so FPÖ-Parteichef Herbert Kickl in einer Aussendung. Kochers Reaktion auf den VfGH werde "zu einer neuerlichen Nagelprobe" für die Asylpolitik der ÖVP.

Positiv bewerten die VfGH-Entscheidung die Grünen, SPÖ, NEOS, Caritas, SOS Mitmensch und die Asylkoordination. "Österreich war hier lange säumig, umso mehr begrüßen wir die nunmehr erfolgte Klarstellung von höchster Stelle", so der Grüne Asylsprecher Georg Bürstmayr. Der Zugang zum Arbeitsmarkt sei "ein wichtiger Hebel zu finanzieller Eigenständigkeit und sozialer Integration". Die SPÖ Integrationssprecherin Nurten Yilmaz plädierte für eine strikte Trennung zwischen Flucht- und Arbeitsmigration. Es mache aber Sinn, wenn eine Person, die länger als neun Monate auf ihren Asylbescheid warte, eine Ausbildung mache, einen Sprachkurs besuche und nach einiger Zeit auch arbeiten könne.

Für Neos Vize-Klubobmann Gerald Loacker ist die Entscheidung des VfGH angesichts der Rekordzahl an offenen Stellen "überaus wichtig". "So dürfen jene Menschen einen Job annehmen, sollte kein Österreicher und kein EU-Bürger für eine Stelle gefunden werden", sagte Loacker.