Heute, Dienstag, hat am Wiener Landesgericht für Strafsachen ein Prozess wegen Bestechlichkeit gegen den über das Ibiza-Video zu Fall gekommenen ehemaligen Vizekanzler und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache begonnen. Inkriminiert ist ein von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermuteter Gesetzeskauf im Zusammenhang mit der Privatklinik Währing. Mitangeklagt ist der Betreiber der Klinik, Walter Grubmüller, dem Bestechung angekreidet wird. Die Verhandlung ist auf vier Tage anberaumt.

Der erste Verhandlungstag zum Nachlesen.

Strache macht keine Angaben zu Einkommen und Schulden

Strache und Grubmüller haben bereits im Gerichtssaal Platz genommen, das Medieninteresse ist groß. Die Kamerateams und Fotografen werden aus dem Saal geschickt, es geht los. Als erster nimmt Grubmüller vor  der Einzelrichterin, Claudia Moravec-Loidolt, Platz. Im Vorfeld der Verhandlung hatte er sich hoffnungsvoll gezeigt, es müsse für ihn zu einem Freispruch kommen, erklärte er. Die Richterin geht mit ihm seine Stammdaten durch, gleiches gilt für Strache, der ebenfalls vor ihr Platz nimmt. Zu seinem Einkommen und seinen Schulden macht Strache keine Angaben.

Die Oberstaatsanwältin der WKStA trägt nun die Anklage vor. Strache macht eifrig Notizen, Grubmüller hört zu. Es wird den Angeklagten Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit vorgeworfen. Zur Erinnerung: Strache soll laut Anklage dafür gesorgt haben, dass Grubmüllers Privatklinik in Zeiten der türkis-blauen Koalition in den sogenannten Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) aufgenommen wurde. Das hatte zur Folge, dass die Einrichtung Leistungen direkt mit den Sozialversicherungen verrechnen konnte.

Strache und Grubmüller vor der Richterin
Strache und Grubmüller vor der Richterin © AP

"Alles war vergeblich" - bis Strache kam

Zuvor habe die Klinik jahrelang erfolglos versucht, in die Prikraf-Liste aufgenommen zu werden, erinnert die Staatsanwältin. "Alles war vergeblich, bis man in Heinz-Christian Strache einen Politiker gefunden hatte, der für das Anliegen ein offenes Ohr hatte. Und dabei ging es Strache laut Anklage nicht um die Sache, sondern um die Aussicht auf eigene Vorteile. Dieser habe sich dann in seiner Zeit als Vizekanzler für die Aufnahme "sehr aktiv" eingesetzt. Grubmüller habe sich zuvor über SPÖ und ÖVP "frustriert" gezeigt, die die Klinik nicht aufgenommen hatten.

"Nichts reden, still und leise"

Als Gegenleistung für die Änderung des ASVG und des PRIKRAF-Gesetzes soll Grubmüller laut Anklage der Bundes-FPÖ Ende August 2017 eine Spende von 10.000 Euro überwiesen und Strache und dessen Ehefrau Ende April/Anfang Mai 2018 übers Wochenende auf Korfu eingeladen und die Kosten für Unterkunft sowie die An- und Abreise mit einem Privatjet übernommen haben.  Die Oberstaatsanwältin erinnert: Es kommt auf den Zusammenhang an, nicht auf die zeitliche Abfolge. Chats zeigen, dass Strache auf das Angebot mit "Nichts reden, still und leise" geantwortet hatte. Und sie erinnert: "Es handelt sich hier um eine schwerwiegende Straftat, kein Kavaliersdelikt." Auf das bis zu fünf Jahre Haft stehen.

Selbst wenn es zur Korfu-Reise nicht gekommen sei, sei klar, dass Grubmüller Strache eingeladen habe und dieser nicht abgelehnt habe, sagt die Oberstaatsanwältin. "Das liegt selbst ohne Reiseantritt vor." Auch das "Sich versprechen lassen" als Amtsträger sei strafbar.

Für beide Angeklagte, die bisher die Vorwürfe zurückgewiesen haben, gilt die Unschuldsvermutung.

Strache vor Gericht
Strache vor Gericht © AFP

Grubmüllers Anwalt: "Völlig unrichtige Darstellungen"

Grubmüllers Verteidiger, sein Bruder Helmut Grubmüller, meldet sich nach der Oberstaatsanwältin zu Wort, der ihren "völlig unrichtigen Darstellungen" widerspricht. Es habe schließlich kein Gesetz für die Aufnahme in den Fonds gebraucht, sein Mandant habe ein solches also nicht angestrebt. Es sei schlicht daran gelegen, dass man "keine Konkurrenz" wollte, dass so lange keine neue Klinik aufgenommen wurde. Dabei wäre auf die 20-Betten-Klinik ohnehin kaum Geld aus dem Fonds entfallen. Die Vorwürfe gegen seinen Mandanten hätten deshalb "etwas Kabaretthaftes".

Weniger zum Lachen ist an diesem Vormittag die Akustik. Grubmüller war zu Beginn beinahe kaum zu verstehen, die Ausführungen seines Verteidigers sind es nun ebenso wenig. Zwischen Strache und Grubmüller habe sich über die Jahre eine Freundschaft entwickelt, erklärt der Anwalt. Gemeinsame Flüge seien daher nicht verwerflich. "Es gibt überhaupt keinen Zusammenhang mit dem Prikraf". Die Spende an die FPÖ sei "aus einer gewissen Enttäuschung" über die anderen Parteien erfolgt. Zusammengefasst: "Mein Mandant hat keine Korruption zu verantworten."

Strache-Anwalt: "Unrichtige Schlussfolgerungen"

Nun ist Straches Anwalt, Johann Pauer, am Wort. Er werde aufzeigen, wie die WKStA zu ihren "unrichtigen Schlussfolgerungen" gekommen sei. Er geht zuerst auf das Ibiza-Video ein, das selbst Drahtzieher Julian H. in einem Interview als "Misserfolg" bezeichnet hatte. Die Interpretation von Politik und Medien sei eine andere gewesen. Das gesamte Video zeige, dass sein Mandant nichts Unrechtes versprochen habe. Und dieser mehrfach erklärte: "Ich mache nichts Unkorrektes." An die anwesenden Medien erklärt Pauer: "Ich bitte um einen fairen Umgang mit meinem Mandanten." Vieles sei in der Öffentlichkeit gewesen, noch bevor Strache davon erfahren habe. Und: "Strache ist definitiv nicht bestechlich."

Sein Mandant habe Flüge immer selber bezahlt und es gab auch sonst keine Vorteile in seiner Amtszeit, erklärt der Anwalt, der durch seine Präsentation galoppiert. Mehrere Chats würden belegen, dass Strache Geld und Freundschaft immer getrennt habe. Zur Prikraf erklärt Pauer, dass sich sein Mandant "lediglich gegen Missstände ausgesprochen" habe. Zusammengefasst: "Mein Mandant ist nicht schuldig."

Richterin Claudia Moravec-Loidolt
Richterin Claudia Moravec-Loidolt © APA/HERBERT NEUBAUER

Grubmüller: "Hätte mir das Gesetz schon vor zehn Jahren kaufen können"

Nach einer kurzen Pause geht es weiter - mit der Befragung von Grubmüller. Den man leider kaum versteht. Er beginnt mit der Klarstellung, dass er an die FPÖ gespendet habe, weil ihn der Kampf der Partei gegen die Kammer-Zwangsmitgliedschaft beeindruckt habe. Die Klinik in Währing habe er gekauft, weil er auf viel Bargeld gesessen sei und Investitionsmöglichkeiten gesucht habe. Angesprochen auf die Prikraf erklärt Grubmüller, dass schon andere eine Aufnahme in den Fonds in Aussicht gestellt hatten.

Heute belaufe sich der Schaden auf einen "zweistelligen Millionenbetrag". Dieser sei entstanden, weil er "als Sozialist" die Mitarbeiter immer weiter bezahlt und nicht gekündigt habe. Die Klinik sei jedenfalls klein und im Fonds nicht ins Gewicht gefallen. Eine sachliche Begründung für die vorher fehlende Aufnahme darin habe es nicht gegeben. "Der Vorwurf des Gesetzeskaufes ist lächerlich, ich hätte mir das Gesetz schon vor zehn Jahren kaufen können", sagt Grubmüller verärgert.

Grubmüller zu Strache: Freundschaftliches Verhältnis

Das Verhältnis zu Strache sei freundschaftlich gewesen, aber auch distanziert. "Der Rote, hat er immer gesagt." Er habe jedenfalls nie etwas von ihm genommen. Seine Spende an die FPÖ habe jedenfalls keinen Konnex zu Strache oder seiner Klinik. Er habe sich dafür auch nichts erwartet. Und er wollte, dass diese publik wird - dass er als Sozialdemokrat an die FPÖ spende. Auf die Frage, ob es mehr als 10.000 Euro waren, will Grubmüller nichts sagen.

Von seinem Freund Strache habe er nur gehofft, dass dieser "Wirbel" gegen die Zwangsmitgliedschaft mache. An den sichergestellten Chats sieht Grubmüller nichts Verwerfliches. Ein kurzer, nicht zuordenbarer Alarm im Saal sorgt kurz für Aufregung, Grubmüller hebt die Hände über den Kopf und sorgt für leises Lachen bei den Zuschauern.

Richterin bremst Strache

Nach der Mittagspause geht es mit Strache weiter, der von der Richterin befragt wird. In seiner einleitenden Darstellung beginnt Strache damit, dass er Grubmüller vor langer Zeit in seinem Heimatbezirk Landstraße kennengelernt habe. Er betont, dass er mit seinem Juristen das Anliegen von Grubmüller geprüft hatte. Deshalb habe man "diesen Missstand" aufgezeigt. Die Richterin muss Strache mehrfach in seinen Ausführungen bremsen, die Protokollarin kommt kaum mit.

Er habe mehreren Anstalten den Zugang zur Prikraf ermöglichen wollen. Wie viele das betreffen würde, aber er aber nicht geprüft. Er habe seine Experten damit beauftragt. Er habe sich für mehrere Dinge eingesetzt, nicht nur für die Klinik. Diese sei aber Beispiel dafür gewesen, "wie es sich manche richten" und "Konkurrenz ausschalten". "Es ging ums Prinzip."

Ein Blick in den Großen Schwurgerichtssaal
Ein Blick in den Großen Schwurgerichtssaal © AFP

"Waren nie von Spenden abhängig"

Grubmüller habe sich damals öfter darüber geärgert. Dieser sei laut Strache ein herzlicher, aber sehr emotionaler Mensch. Mit seiner "still und leise"-SMS habe er versucht, ihn zu beruhigen. Dass die Klinik nicht zuvor aufgenommen wurde, sei "eine bewusste politische Entscheidung" gewesen. Dass man keinen Bedarf gesehen habe, habe er aus den Medien erfahren. Angesprochen auf die Spende gibt sich Strache gelassen: "Wir waren nie von Spenden abhängig. Wir haben auch gar nicht darum geworben. Wir hätten uns gefreut, hätten wir mehr gehabt, aber das war nicht der Fall."

Wofür Grubmüllers Spende verwendet wurde, wisse er nicht. Die Ungerechtigkeit rund um die Prikraf sei jedenfalls "eine Sauerei" gewesen. Deshalb habe man das ins Programm aufgenommen. Er habe sich jedenfalls dafür eingesetzt. Und in der sich ziehenden Befragung erfahren wir: "Ich bin ein Bargeld-Fetischist." An Strache hat die Richterin deutlich mehr Fragen.

Richterin: "Ich entscheide, welche Fragen relevant sind"

Jetzt ist die Staatsanwaltschaft dran und beginnt mit Grubmüller. Es geht um Kontodetails und Chats. Phasenweise wirkt der Angeklagte ungeduldig und genervt bei der Beantwortung. Es geht auch um gemeinsame Urlaube und Details. Als die WKStA Strache befragen will, stellt sein Anwalt klar, dass er nur für das Verfahren relevante Fragen beantworten werde. "Welche Fragen relevant sind, entscheide ich", stellt die Richterin klar.

Die Staatsanwälte fragen nach weiteren Details, die Richterin schreitet nicht ein, Strache antwortet und stellt ein paar Dinge klar. Anwesende und Angeklagte sind sichtlich erschöpft, weshalb die Richterin die Verhandlung nach genau acht Stunden schließt. Morgen wird der Prozess fortgesetzt.