"Ich bin vieles, aber kein Hellseher", sagt Bundespräsident Alexander Van der Bellen: Er könne nicht beurteilen, ob Finanzminister Gernot Blümel die vom U-Ausschuss angeforderten Unterlagen vollständig und rechtskonform geliefert hat, wie Blümel es behauptet. Oder, ob die Aktenvorlage unvollständig sei, wie Mitglieder des Untersuchungsausschusses beklagten. "Ich werde aber die in der Verfassung vorgesehenen Schritte umsetzen", so der Bundespräsident in einer kurzfristig anberaumten Stellungnahme am Mittwochabend.

Um das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu vollziehen wird Van der Bellen am morgigen Donnerstag "dem am besten geeignete Gericht", dem Straflandesgericht Wien, dessen Durchsetzung anordnen. "Das ist ein Informationssicherungsverfahren, kein Strafverfahren", betonte Van der Bellen.

Der zuständige Richter habe nun die Aufgabe, herauszufinden, wer recht hat - Gernot Blümel oder die Abgeordneten des U-Ausschusses. Dafür könne er auch Datenforensiker und IT-Fachleute einsetzen. Etwaige Datenschutzprobleme sollen mit dem Bundesverwaltungsgericht abgeklärt werden. "Er hat die Rechte, die ich auch hätte, weil ich ihn beauftrage", so Van der Bellen.

Über den Ausgang skizziert Van der Bellen drei Szenarien: Es könnte sich herausstellen, dass Gernot Blümel tatsächlich nicht alles geliefert hat, was dem U-Ausschuss von Rechts wegen zugestanden wäre. Es könnte sich auch herausstellen, dass die Abgeordneten des U-Ausschusses sich irren. Und es könnte sich herausstellen, "dass beide recht haben", so Van der Bellen. Wenn nämlich alles geliefert wurde, was verfügbar war, "aber gelöschte Daten irgendwo in der Cloud existieren, von denen niemand wusste."

Konsequenzen, falls sich herausstellt, dass Blümel nicht alles geliefert habe, ließ Van der Bellen offen. Hypothetische Fragen beantworte er grundsätzlich nicht. Nun werde man das Gericht arbeiten lassen, dann "werden wir sehen, was herauskommt." Die Situation sollte aber nicht dramatisiert werden, so das Staatsoberhaupt: "Bleiben wir ein bisserl am Teppich."

Van der Bellen sieht in dem einmaligen Vorgang eine "Stärkung der Demokratie": "Die Österreicherinnen und Österreicher erwarten, dass die Institutionen vollumfänglich arbeiten und für alle dieselben Regeln gelten. Dafür werde ich sorgen - ohne Wenn und Aber."

Rückpass des VfGH

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte Van der Bellen am Mittwoch darüber informiert, dass die Zuständigkeit für die - von der Opposition gewünschte - Exekution der Aktenlieferungen von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) an den Ibiza-U-Ausschuss nicht bei sich, sondern bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen liege. Dessen Zuständigkeit sei mit dem Exekutionsantrag vom 5. Mai begründet worden. Der VfGH habe nicht die Stellung eines "betreibenden Gläubigers".

Van der Bellen hatte nach einem Schreiben der Opposition den VfGH um Mitteilung ersucht, ob er seinen Exekutionsantrag aufrecht erhält. SPÖ, FPÖ und Neos hatten in einem Schreiben an den Bundespräsidenten beklagt, dass die - nach dem Exekutionsantrag dann doch erfolgten - Aktenlieferungen des Finanzministeriums unvollständig und zum Teil mangelhaft (weil nicht in elektronischer Form) seien. Blümel hat das bestritten und Van der Bellen eingeladen, sich von der Vollständigkeit der Aktenlieferung zu überzeugen.

Bundespräsident hat "weiten Spielraum"

Das Ersuchen des Bundespräsidenten wurde im Plenum des VfGH erörtert und mit einem heute, Mittwoch, übermittelten Schreiben beantwortet. Darin verweist der VfGH darauf, dass die Verfassung ihm keine über den Antrag hinausgehende Zuständigkeit im Exekutionsverfahren zuweise - und hebt besonders hervor, dass er nicht die Stellung eines betreibenden Gläubigers habe.

Die Exekution sei gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG nach den Weisungen des Bundespräsidenten durch nach seinem Ermessen beauftragte Organe durchzuführen. Dabei komme ihm ein "weiter Handlungsspielraum" zu. "In diesem Zusammenhang obliegt es dem Bundespräsidenten allerdings auch zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche weiteren Schritte zu setzen sind, um den vom Spruch des Erkenntnisses vom 3. März 2021, UA 1/2021, verlangten Zustand herzustellen", konstatiert der Gerichtshof. In der Präsidentschaftskanzlei wollte man sich über das weitere Vorgehen auf APA-Anfrage nicht inhaltlich äußern. Man bestätigte nur den Erhalt der Mitteilung des VfGH.

Erstmals Exekution beauftragt

Mit dem ursprünglichen Erkenntnis hatte der VfGH am 3. März dem Verlangen der Opposition auf Aktenlieferung des Finanzressorts am 3. März stattgegeben - und Blümel aufgefordert, unter anderem die E-Mail-Postfächer der Leiterin des Beteiligungsmanagements im Finanzministerium sowie die Korrespondenzen von Ministeriumsmitarbeitern mit dem ehemaligen ÖBAG-Chef Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, und anderen Mitarbeitern von Ex-Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen.

Da Blümel dem nicht nachkam, hatte die Opposition die Exekution beantragt. Auch dem kam der VfGH nach und beauftragte Van der Bellen am 5. Mai mit der Exekution. Bisher kam es dazu allerdings nicht, Blümel startete damals umgehend die Lieferung. Die letzte Tranche kam am 16. Juni.