Der Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung, besser bekannt als "Ibiza-Untersuchungsausschuss" nähert sich seinem vorläufigen Ende. Am 15. Juli ist Schluss der Beweisaufnahme, allfällige weitere Beratungen wollen die Grünen nicht durch eine Verlängerung, sondern allenfalls durch die Einsetzung eines neuen U-Ausschusses ermöglichen.

Was der Ausschuss politisch gebracht haben wird, ist schon jetzt umstritten: Ein Sittenbild der türkis-blauen Politik hat er jedenfalls offengelegt. Was aber schon jetzt klar ist: der Ausschuss wird eine ganze Reihe rechtlicher Debatten hinterlassen.

Und zwar auf zwei Ebenen: Zum einen gibt es in Juristenkreisen eine Diskussion, ob Staatsanwälte weiterhin vergleichsweise einfachen Zugriff auf Mobiltelefone Verdächtiger haben sollen wie bisher. Zum anderen stellt sich die Frage, ob das Parlament nicht auf zu viele der Daten, die auf diesem Wege an die Behörden kommen, Zugriff bekommt - und wie sicher diese Daten in den Händen der Abgeordneten sind.

Beschlagnahme von Smartphones

Als in den 1990er Jahren der "Lauschangriff", also das großangelegte Abhören Verdächtiger und ihrer Gesprächspartner durch die Behörden, neu geregelt wurde, gab es eine intensive Debatte darum, wie tief in die Privatsphäre ein solcher Eingriff reichen darf - und welche Freigaben und Kontrollen es dafür durch die Richterschaft braucht.

Die Wiener Strafrechtsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf hat dazu Anfang dieser Woche in der "Presse" argumentiert, auch die Sicherstellung von Handys und Laptop gehöre neu geregelt. Weil sich das Kommunikationsverhalten geändert habe, gehe es bei der eher schwach abgesicherten Beschlagnahme von Gegenständen nicht mehr nur darum, das blutige Messer nach einem Mord sicherzustellen - sondern eben auch um Smartphones, auf denen  praktisch das ganze Leben bis in den intimsten Bereich hinein gespeichert ist.

Selbst wenn man die Sicherstellung von Chat-Protokollen nur beim Beschuldigten vornehme, sei von der Auswertung immer auch der Kommunikationspartner betroffen, so Reindl-Krauskopf. "Das kann irgendwer sein, der zufällig involviert war." Und es würden auch Chat-Protokolle ausgewertet, die nicht am Gerät selbst abgespeichert sind, sondern in der Cloud.

"Würden wir Kommunikationsinhalte in Echtzeit überwachen, hätten wir dafür ein anderes Überwachungsregime: mit richterlicher Vorabkontrolle, nur bei dringendem Tatverdacht, Verwendungsverboten im Nachhinein, sehr starkem Schutz von Unbeteiligten", so sie Professorin". All das falle bei der Sicherstellung von Telekommunikationsgeräten weg.

Chats, Mails und Akten für das Parlament

Die andere Frage ist, was mit solcherart gesichertem Material passiert, wenn es einmal bei der Staatsanwaltschaft liegt. Grundsätzlich nehmen die Ermittler nur Material zu den Akten, das unmittelbar zum Verdachtsfall gehört, Verdächtige also be- oder entlasten kann. Ein großer Teil der in den vergangenen Wochen veröffentlichten Chats - etwa die Auslassungen des Spitzenbeamten Christian Pilnacek und Höchstrichter Wolfgang Brandstätter über den Verfassungsgerichtshof - zählt da nicht dazu.

Im Rahmen des Untersuchungsausschusses gelten aber etwas andere Regeln: Weil dieser nicht die strafrechtliche, sondern die politische Verantwortung zu klären hat, kann er auch zusätzliches Material von den Behörden - in dem Fall vom Justizministerium - anfordern.

Das trägt den ermittelnden Staatsanwälten dann auf, die vorliegenden Datenbestände darauf zu prüfen, ob darin Material steckt, das für den Untersuchungsgegenstand "abstrakt relevant" sein könnte. Jede einzelne Nachricht wird dann von den Oberbehörden noch einmal geprüft, bevor sie dem Parlament übermittelt wird.

Sind die Abgeordneten mit dem Lieferumfang nicht zufrieden, können sie beim VfGH prüfen lassen, ob die Behörden ausreichend Material freigegeben haben. Dieser hat in den vergangenen Monaten relativ großzügig zugunsten des U-Ausschusses entschieden - auf Basis der neuen Geschäftsordnung, die 2014 beschlossen worden ist.

Staatsanwälte wollen nichts mit dem U-Ausschuss zu tun haben

Geht das zu weit? Vielleicht. Unzufrieden sind damit etwa die Staatsanwälte selbst, die so in die politische Auseinandersetzung hineingezogen werden (und zum Beispiel unter Beschuss der ÖVP stehen, weil diese der Ansicht ist, sie hätte zu viele Protokolle übermittelt).

Aus ihrer Sicht wäre es jedenfalls zu begrüßen, "wenn laufende Ermittlungen nicht von U-Ausschüssen begleitet werden", sagte deren Präsidentin Cornelia Koller im Interview mit der ZiB 2 des ORF.  Damit könnte man verhindern, dass Ermittlungen beeinträchtigt werden - und die Staatsanwälte würden dann nicht so sehr in den Mittelpunkt der Diskussionen gestellt, "weil sie dort nicht hingehören und auch nicht hin möchten"

Für kontraproduktiv hält den Vorschlag der Staatsanwälte der Innsbrucker Verfassungsrechtsprofessor Peter Bußjäger. Gerade bei Ermittlungen wegen Korruption würden Verfahren oft Jahre dauern - danach sei aus einem Thema oft "die Luft draußen", so Bußjäger - eine Klärung der politischen Verantwortung brauche eine zeitliche Nähe zum untersuchten Sachverhalt. "Kein Untersuchungsausschuss während laufender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen: das wäre ein eleganter Tod des schärfsten Instruments parlamentarischen Kontrolle", so der Verfassungsjurist.

Eine Frage der Geheimhaltung

Handlungsbedarf sieht aber auch er: Ein Ansatz wäre für Bußjäger, darüber nachzudenken, ob man die Geheimhaltungsbestimmungen im Parlament nachschärft. Derzeit sind nur die höchsten Klassifikationen der Geheimhaltung mit einer Strafe gegen Verstöße abgesichert - wenn Informationen von Geheimhaltungsstufe 2 weitergegeben werden (darunter fielen zum Beispiel Teile des Pilnacek-Akts), zieht das maximal einen Ordnungsruf des Nationalratspräsidenten nach sich.

Auch Völkerrechtler Ralph Janík sieht gegenüber der Kleinen Zeitung Handlungsbedarf: Menschenrechtlich sei jedenfalls geboten, dass der Staat absichere, dass vom U Ausschuss nichts an Medien dringt, was nicht hinreichend relevant für die Öffentlichkeit ist.

Die Unterhaltungen zwischen Pilnacek und Brandstätter sind auf diesem Wege an die Öffentlichkeit gekommen: Die Neos, die sich inzwischen dazu bekannt haben, haben diese "abstrakt relevante" Auswertung weitergegeben.

Der andere Weg, wie Akten an die Öffentlichkeit kommen - wie jüngst die Nachrichten von Thomas Schmid an Sebastian Kurz zu einer Budgeterhöhung 2016 - ist freilich noch schwerer in den Griff zu bekommen. Er führt über Parteien im Verfahren selbst: Grundrechtlich geboten ist ja, dass Beschuldigte im Strafverfahren (und ihre Verteidiger) Einsicht in die Akten bekommen, die die Staatsanwaltschaft zu ihrem Verdacht sammelt.

Was sie daraus kopieren, können sie dann natürlich auch weitergeben. Entweder, um Medien schon im Vorhinein einen "Spin" mitzugeben, wie die Akten zu lesen sind. Oder aber, um einem Mitbeschuldigten zu schaden; in mehreren der Ibiza-Folgeverfahren sind etwa Politiker unterschiedlicher Parteien beschuldigt - die eventuell wenig Interesse haben, einander zu schonen.

Update 17 Uhr: Der Artikel wurde umfassend aktualisiert, um die Rechtslage besser abzubilden.