In Österreich geborene Kinder sollen künftig automatisch die Staatsbürgerschaft erhalten. Mit dieser und weiteren Forderungen für einen einfacheren Zugang zu einem rot-weiß-roten Pass setzte die SPÖ am Mittwoch einen überraschenden Vorstoß, der vor dem roten Parteitag am 26. Juni auch intern für Diskussionen sorgt. 

Der Vorschlag ist nicht neu: Bereits 2018 stellte die Sozialistische Jugend beim Bundesparteitag einen entsprechenden Antrag. In der Arbeitsgruppe zu Migration unter der Leitung von Peter Kaiser wurden die Ideen ausgearbeitet und im Bundesparteivorstand am 23. April  beschlossen - einstimmig, wie die Partei betont. Der Kärntner Landeshauptmann spricht beim erarbeiteten Konzept von einem “Paradigmenwechsel”.

Allerdings nahm eine gewichtige Stimme an der damaligen Sitzung, in der dieser Paradigmenwechsel abgesegnet wurde, nicht teil: Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Er ließ sich an besagtem Termin entschuldigen, zu den konkreten Forderungen will er sich nicht äußern. “Ich habe mich aus diesen innerparteilichen Debatten zurückgezogen. Meine Standpunkte zum Gesamtkomplex Asyl, Migration und Integration sind ohnehin hinlänglich bekannt”, so Doskozil auf Nachfrage der Kleinen Zeitung.

Auch bei den Grünen wird es einen ähnlichen Vorstoß geben. Am Grünen Bundeskongress in Linz wird die Wiener Landesgruppe am kommenden Sonntag einen Antrag einbringen, den Zugang zur Staatsbürgerschaft zu erleichtern. „Wir rechnen mit 100 Prozent Zustimmung“, sagt der interimistische Wiener Parteichef Peter Kristöfel.

Die weitreichendste Änderung im SPÖ-Papier betrifft das sogenannte Geburtsortprinzip. Kinder, die in Österreich geboren sind, sollen demnach automatisch die Staatsbürgerschaft erhalten, wenn ein Elternteil sich mindestens fünf Jahre legal im Land aufgehalten hat. Eine ähnliche Regelung gibt es etwa seit 20 Jahren in Deutschland.

Gebühren für Staatsbürgerschaft sollen wegfallen

Bisher richtet sich die Staatsbürgerschaft der Kinder nach ihren Eltern. Sie werden auch bei einer Einbürgerung nach denselben Regeln behandelt, müssen also einen Mindestverdienst nachweisen und einen Staatsbürgerschaftstest bestehen. Handelt es sich bei den Eltern um Asylwerber, wird die Staatsbürgerschaft erst nach einem positiv abgeschlossenen Asylverfahren erteilt. Die Dauer des Verfahrens soll aber auf die fünf Jahre angerechnet werden.

Weiters sieht die Reform der SPÖ auch einen Rechtsanspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft nach sechs anstelle von bisher zehn Jahren vor. Senken will man zudem die Einkommensgrenzen. Wenn eine Person in den sechs Jahren Aufenthalt mindestens drei Jahre nicht von der Sozialhilfe gelebt hat, hat sie laut SPÖ ein Recht auf Einbürgerung.

Wegfallen sollen finanzielle Hürden, wie die zu entrichtenden Bundesgebühren für den Erwerb eine Staatsbürgerschaft (derzeit 1.115 Euro) und statt der Staatsbürgerschaftsprüfung sieht die Reform einen Lehrgang über die Grundrechte der Demokratie vor.

Österreich europaweit Letzter

Argumentiert wird der Vorstoß vonseiten der SPÖ mit dem seit Jahren als besonders restriktiv geltenden Staatsbürgerschaftsrecht in Österreich. Internationale Vergleiche wie etwa der Brüsseler Integration Policy Index weisen Österreich im Jahr 2019 beim Zugang zur Staatsbürgerschaft zusammen mit Bulgarien im Vergleich von 52 Staaten an letzter Stelle aus. Wie streng hierzulande vorgegangen wird, zeigt auch die seit Jahren sinkende Einbürgerungsquote: Kamen im Jahr 2005 auf 100 ausländische Staatsbürger noch fünf Einbürgerungen pro Jahr, waren es 2020 nur noch 0,6. Auch in diesem Vergleich ist Österreich europaweit auf den hintersten Plätzen zu finden.

“Wenn man sich ansieht, wie stark gleichzeitig die Zahl an Nicht-Staatsbürgern in Österreich gestiegen ist, beweist das nur, dass eine Reform seit langem dringend notwendig ist”, sagt Gerd Valchars, Politikwissenschaftler an den Universitäten in Wien und Klagenfurt. Da schon jetzt bei einem Drittel der aktuell 8.000 bis 10.000 jährlichen Einbürgerungen um Personen handelt, die in Österreich zur Welt gekommen sind, würde der automatische Zugang zu einer Staatsbürgerschaft nicht nur für diese Menschen persönlich, sondern auch aus Sicht der Verwaltung eine große Erleichterung darstellen, so Valchars. 

Dass die Reform, wie von ÖVP und FPÖ kritisiert wird, einen Pull-Effekt in Sachen Migrationsbewegungen auslösen würde, glaubt der Politikwissenschaftler wiederum nicht: “Personen, die in Österreich leben, haben ein demokratisches Recht auf Mitsprache. Man könnte genauso sagen, dass die Lebensqualität und der Rechts- und Sozialstaat Pull-Faktoren darstellen, also all das, worauf wir stolz sind.”

Keine Stellungnahme der steirischen SPÖ

Die Freiheitlichen in der Steiermark orten im Bestreben von SPÖ und Grünen, den Zugang zur Staatsbürgerschaft zu erleichtern, "einen völligen Irrsinn". Auch in der Steiermark sei "die fehlgeleitete Haltung der Sozialdemokraten, nicht zu verkennen", so der blaue Sozialsprecher Marco Triller.

Er kritisiert vor allem Soziallandesrätin Doris Kampus: "Dass sie vor allem Asylanten am liebsten noch mehr Rechte einräumen würde, bewies sie zuletzt mit der Vorlage des neuen Sozialunterstützungsgesetzes, welches ein Schlag ins Gesicht der steirischen Leistungsträger ist". Die Idee, dass "Ausländer noch einfacher an die österreichische Staatsbürgerschaft und folglich an alle damit verbundenen Rechte und Sozialleistungen kommen" sei gefährlich, meint Triller, der sich auch eine klare Antwort des steirischen SPÖ-Chefs Anton Lang erwarte.

Doch die steirische SPÖ hatte bis zum Abend auf Nachfrage der Kleinen Zeitung keine Stellungnahme abgegeben. Ein möglicher Grund: LH-Stellvertreter Anton Lang dürfte dem Thema Zuwanderung in manchen Punkten kritischer gegenüber stehen als viele Fraktionskollegen. Ein Beispiel: Dass er sich am Landesparteitag 2020 nicht für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Moria aussprach, sorgte für Kritik - vor allem des jungen Flügels -, die teils bis heute anhält.

Auch Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, wollte sich zur Thematik nicht äußern: "Dazu geben wir keinen Kommentar ab", hieß es aus seinem Büro.