Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) reißen die Behinderungen und "Störfeuer" bei den Ermittlungen im Ibiza-Komplex nicht ab. Jüngste Eskalation sei eine Dienstaufsichtsprüfung in Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gewesen, berichtete Oberstaatsanwalt Matthias Purkart bei seiner Befragung im Ibiza-Untersuchungsausschuss. "Leider konnten wir keine Besserung wahrnehmen", sagte er zum Arbeitsklima in der Justiz.

Die Causa Ibiza sei ein "Ermittlungskomplex, der immer umfangreicher wird", berichtete Purkart, der bereits im vergangenen Jahr als Auskunftsperson befragt worden war. Man ermittle mittlerweile in sehr vielen Komplexen, die allesamt einen gewissen Zusammenhang hätten - personell wie auch sachlich. Und: "Da spielt sich auch einiges hinter den Kulissen ab."

Laut Purkart dürfte es aus den erhaltenen Daten, die derzeit ausgewertet werden, noch zu einigen weiteren Erkenntnissen kommen. Zudem gebe es Zufallsfunde im Zuständigkeitsbereich anderer Staatsanwaltschaften, auch ein erster Strafantrag sei bereits gestellt worden. Allerdings entschuldigte sich der Oberstaatsanwalt in seinem Eingangsstatement, dass er auch diesmal zu laufenden Ermittlungen nur äußerst eingeschränkt Auskunft geben könne.

Dienstaufsichtsprüfung als Störfeuer

Die WKStA arbeite mittlerweile sehr eigenständig, betonte deren Vertreter, auch wenn es an Ressourcen mangle. In einer Sache habe man allerdings noch keine Lösung gefunden: Die von auch anderen Vertretern der Behörde erhobenen Vorwürfe teils politischer "Störfeuer". Hoffnungen auf eine Besserung seien erst vor kurzem zerstört worden - mit der nächsten Dienstaufsichtsprüfung, diesmal in der Causa Kurz. Diese sei von der Oberstaatsanwaltschaft Wien ausgegangen. Ihm sei aber kein Grund ersichtlich für die Dienstaufsichtsprüfung. Denn bei der Vorgehensweise habe es sich um eine "jahrelange Übung" gehandelt, die allein schon 27 Mal in diesem Komplex geübt wurde. Purkart beklagte, dass man noch immer mit derartigen Umständen konfrontiert sei. "Denn in diesem Fall habe ich nicht die Ermittlungen weiterführen können, sondern war mit meiner Verteidigung beschäftigt."

Recht unverhohlen übte er auch Kritik an der ÖVP: Purkart berichtete, dass ein von der ÖVP kritisierter angeblicher WKStA-Leak von Chats von ÖBAG-Chef Thomas Schmid seinem Dafürhalten von der ÖVP selbst gekommen sein muss. Die veröffentlichte Passage zwischen Schmid und ÖGB-Chef Katzian sei nämlich nicht Teil des Akts der WKStA gewesen. In einer anonymen Anzeige sei der WKStA dann berichtet worden, dass die Chats bei einem Hintergrundgespräch der ÖVP am Palmsonntag ausgeteilt worden seien, was sich auch mit dem Bericht eines Journalisten decke. Gleichzeitig habe die ÖVP die WKStA wegen des Leaks kritisiert, so Purkart: "Ich finde das ist eine Grenzüberschreitung."

Häufung an Vorfällen

Nicht gut kamen die Aussagen Purkarts bei der ÖVP-Fraktion im Ausschuss an. So wollte deren Abgeordneter Klaus Fürlinger von der Auskunftsperson wörtlich wissen: "Glauben Sie, dass die WKStA alles richtig macht und wir alles falsch?" Es sei die "gehäufte Form" solcher Vorfälle gewesen, antwortete der Oberstaatsanwalt. Und natürlich mache man auch in der Staatsanwaltschaft nicht alles richtig. 

Zuvor hatte - ebenfalls zum zweiten Mal - der frühere Leiter der Soko Tape und nunmehrige Bundeskriminalamtschef Andreas Holzer auf die Fragen der Abgeordneten geantwortet. Die SoKo habe im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video bis dato insgesamt 55 Audio- und Videodateien ausgewertet und den Staatsanwaltschaften übermittelt, berichtete er. Darunter seien auch Videos von Vorbereitungstreffen oder Zusammenschnitte von bereits bestehenden Videos gewesen, so Holzer.

Holzer wurde auch abermals zur nicht friktionsfreien Zusammenarbeit mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) befragt. Unter anderem auch darüber, warum er nach dem Auffinden des Videos nur die StA Wien und nicht die WKStA informiert habe. Das begründete der ehemalige SoKo Leiter damit, dass er der zuständigen Staatsanwaltschaft Wien berichtet habe, der weitere Informationsfluss sei aus seiner Sicht dann eine "justizinterne Sache" gewesen. Zudem verwies Holzer auf eine Anordnung, wonach keine Verfahrensinhalte der jeweils anderen Staatsanwaltschaft mitzuteilen seien. Mittlerweile sei die Kommunikation mit beiden Anklagebehörden "wiederhergestellt" und laufe gut.

Immer wieder habe es auch Gespräche mit dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs, und dem mittlerweile suspendierten Sektionschef im Justizressort, Christian Pilnacek, gegeben, erklärte Holzer auf entsprechende Fragen. Dabei sei es aber über operativ strategische Dinge im Zusammenhang mit den Ibiza-Ermittlungen gegangen. Etwa wie man grundsätzlich damit umgehe, dass zwei Staatsanwaltschaften involviert sind.

Abermals Thema war am Dienstag auch ein Treffen Holzers mit dem Ibiza-Anwalt im Jahr 2015, bei dem es um belastendes Material über den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ging. Holzer soll dem Informanten vom damaligen ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger empfohlen worden sein. Am Dienstag stellte der BKA-Chef in Abrede, Kaltenegger zu kennen. Über das Treffen mit dem Ibiza-Anwalt habe er damals einen Aktenvermerk angelegt. Das Verfahren sei aber von der Staatsanwaltschaft - und nicht von ihm - eingestellt worden, weil man keinen weiteren Kontakt mit dem Informanten habe herstellen können, so Holzer.

Als der grüne Abgeordnete David Stögmüller Holzer zu einem möglichen Konnex der Causa Ibiza mit dem Wirecard-Komplex fragte, meinte dieser, er könne dies nur in nicht öffentlicher Sitzung sagen. Dies geschah dann auch gegen Ende der Befragung, wofür der Ausschuss das Lokal wechseln musste. Eine weitere Verzögerung hatte davor Baulärm verursacht, weswegen der Ausschuss kurz pausieren musste.

Nach Ende der ersten Befragung gaben die Fraktionsführer von SPÖ und NEOS, Jan Krainer und Stephanie Krisper, bekannt, dass am 24. Juni Bundeskanzler Sebastian Kurz, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und ÖBAG-Chef Thomas Schmid nochmals geladen werden sollen. Alle drei waren bereits als Auskunftsperson im U-Ausschuss. ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger sah darin die übliche Inszenierung.