Um das Risiko eines neuerlichen Terroranschlags zu minimieren, können künftig auch terroristische Straftäter im Maßnahmenvollzug landen. „Damit ist die Möglichkeit gegeben, besonders gefährliche Terroristen länger einzusperren“, so Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadić (Grüne) am Dienstag erste Eckpunkte einer Reform des Maßnahmenvollzugs präsentiert hat.

Konkret betrifft die Regelung einen Paragrafen, der bislang nur bei Rückfallstätern zur Anwendung kam, die etwa wegen Gewalt- oder Sexualdelikten verurteilt wurden. Für terroristische Straftäter gelten allerdings niedrigere Hürden, um in den Vollzug zu kommen.

Notwendig ist dafür eine zweifache Verurteilung. Die Anlasstat hat ein „Terrordelikt“ mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 18 Monaten zu sein, die Vorstrafe muss zu einer Verurteilung mit mehr als zwölf Monaten unbedingt geführt haben. Zusätzlich muss vom Gericht die Befürchtung vorliegen, dass der Betroffene weitere Straftaten begeht. Im Unterschied zum Maßnahmenvollzug für psychisch Kranke beträgt die Höchstdauer der Unterbringung zehn Jahre bzw. fünf Jahre bei Personen unter 21 Jahren. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass die Maßnahme erst nach der Strafe zu vollziehen ist.

Während Innenminister Nehammer von einem „sicherheitspolitischen Meilenstein“ spricht, stellen Strafrechtsexperten die Wirksamkeit der Gesetzesänderung infrage. Schon die bisherige Regelung für Rückfallstäter gilt nämlich als totes Recht. „Seit 2012 wurde diese Maßnahme in ganz Österreich nur drei Mal verhängt“, sagt Alois Birklbauer, Strafrechtsprofessor an der Kepler-Universität in Linz.

Er ortet infolge des Wiener Terroranschlages im vergangenen November einen „klassischen Fall von Anlassgesetzgebung“, die weder effizient sei noch im konkreten Anlassfall etwas bewirkt habe. Birklbauer verweist auch darauf, dass die infolge des Terroranschlags eingesetzte Kommission von Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes keinen derartigen Maßnahmenvollzug für Terrorverdächtige empfohlen hatte.

„Der jetzt erfolgte Beschluss kann sich sogar als sehr kontraproduktiv herausstellen“, glaubt Birklbauer. Wird etwa beispielsweise ein Terrorist gemäß dieser Neuregelung zu fünf Jahren Haft verurteilt, wird die dazugehörige Maßnahme zwar im Urteil ausgesprochen, ob und für wie lange sie schlagend wird, steht aber erst am Ende der Haftstrafe fest.

Zadić verspricht "massiven Ausbau" in der Betreuung

“Wenn ich also mit jemandem im Strafvollzug daran arbeite, dass er sich deradikalisiert, muss ich ihm sagen, ob das reicht oder du jetzt vielleicht noch zehn Jahre in Maßnahmenvollzug kommst, kann ich nicht sagen”, erklärt Birklbauer. Die Aussicht auf Resozialisierung werde dadurch deutlich gemindert: „Viele werden sich fragen, warum sie sich das antun sollen“, so der Strafrechtsprofessor, der angemessene Haftstrafen in Verbindung mit umfangreichen Deradikalisierungsprogrammen sinnvoller fände.

Als überfällig bezeichnet er die eigentliche Reform des Maßnahmenvollzugs. Hier reagiert die Bundesregierung auf die Kritik, dass viele psychisch kranke Menschen im Maßnahmenvollzug untergebracht wurden, obwohl sie nur leichte Delikte begangen haben. Sogar der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte Österreich darob mehrmals. Derzeit befinden sich etwa 1300 Menschen im Maßnahmenvollzug, in den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl um 60 Prozent gestiegen.

In einem ersten Schritt werden nun die Einweisungsvoraussetzungen geändert. Wer etwa im Zuge eines psychotischen Schubs jemanden schubse oder eine Drohung ausspreche, werde künftig psychiatrisch behandelt.

In einem zweiten Teil der Reform soll die Betreuung im Maßnahmenvollzug durch mehr Psychiater und Psychologen verbessert werden. Man werde diesen Bereich „massiv ausbauen“, so Zadić. Den hält Strafrechtsprofessor Birklbauer auch für dringend notwendig: “Hier muss man auch das Gesundheitssystem in die Pflicht nehmen. Die Behandlung von psychisch kranken Menschen ist nun einmal teuer. Das darf nicht ökonomisch diskutiert werden.”