Erkundigt man sich in der SPÖ nach Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. Die Bezeichnungen "ambitioniert", "diszipliniert", "zielstrebig" und "enorm belastbar" sind vor allem in der Bundeshauptstadt Wien zu hören. Außerhalb fallen neben "kompetent" und "erstaunliches Durchhaltevermögen" aber auch Beschreibungen wie "etwas zu still". Einig ist man sich aber in einer Sache: Die Corona-Krise hat das Ansehen der Chefin in den roten Reihen deutlich verbessert.

Rendi-Wagner, die heute ihren 50. Geburtstag feiert, hat die Krise für sich nutzen können. Die besonnene Art, mit der sie ihre Expertise als Ärztin in die Pandemie-Politik einbringt, war vielen in der Partei zu Beginn deutlich zu zurückhaltend. Nun scheint sich genau das bezahlt zu machen. Ihre Einschätzungen und Prognosen haben sich vielfach bewahrheitet, sogar Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) holte immer wieder die Meinung der Medizinerin ein. Das hat auch viele Kritiker in den eigenen Reihen verstummen lassen.

Aber bei weitem nicht alle.

Ihre Gegner

Rendi-Wagners größter Widersacher sitzt 63 Kilometer von der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße entfernt in Eisenstadt. Es ist der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der sich zum Hauptgegner entwickelt hat. Immer wieder attackiert er die Vorsitzende und ihren Kurs in Sachen Migration und Corona-Politik. Bei der Entscheidung über die Verlängerung des harten Lockdowns im Burgenland, Niederösterreich und Wien scherte Doskozil aus und sperrte wieder auf. Öffentliche Kritik von Parteichefin und Wiens SPÖ-Landeshauptmann Michael Ludwig waren die Folge.

Ein besonders harter Schlag ins Gesicht dürfte der kurz nach digitaler Zustellung bereits an die Öffentlichkeit geratene Brief gewesen sein, den Doskozil seiner Parteichefin vergangene Woche hat zukommen lassen. Darin brach er mit der Partei, indem er verkündete, beim Parteitag in wenigen Wochen nicht anzutreten und sich damit aus dem Bundesvorstrand zurückzuziehen. Zudem wolle er die Partei aus dem "medialen Dauerfeuer nehmen". Dieses fachte Doskozil nun aber erneut an. Gegenüber "Heute" beklagte er, dass er von der eigenen Partei "an den Pranger gestellt" worden sei. Das "hat das Fass zum Überlaufen gebracht".

Um den früher am lautesten schreienden Kritiker in den roten Reihen ist es zuletzt hingegen ruhig geworden. Georg Dornauer, Landesparteichef in Tirol, stänkerte besonders gern gegen die Parteivorsitzende. Den Grund dafür sahen viele in eigenen Ambitionen, in die Bundespartei zu wechseln. Dort kamen die rauen Töne des Tirolers aber gar nicht an. Zuletzt sind sie verstummt. Hat man ihm das nahe gelegt? Das will man in der Bundespartei nicht beantworten. Wie lange der Frieden anhält, wird sich zeigen.

Ihre Verbündeten

Zwar steht Rendi-Wagner in regelmäßigem Austausch mit den Landesparteichefs via Whatsapp-Gruppen und Videokonferenzen, den engsten Kontakt dürfte sie aber zu zwei Genossen haben. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig ist einer davon. Er war übrigens der erste Gratulant, der Rendi-Wagner bereits am Donnerstag zum 50er gratulierte. Der Chef der Bundeshauptstadt hat sich bei der Verlängerung des harten Lockdowns auf Linie der Parteivorsitzenden begeben, mahnt wie sie zu stetiger Vorsicht. Zudem gab es zuletzt viel warme Worte für die Chefin. Freilicht spielt hier auch die Nähe eine Rolle, der Weg ins gegenüberliegende Rathaus ist nicht weit.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser gehört ebenfalls zu Rendi-Wagners Verbündeten. Er gibt sich seit jeher solidarisch mit ihr, lobt sie, verteidigt sie. Mit Kaiser hat die Parteichefin damit eine gewichtige rote Stimme auf ihrer Seite. Denn der Landeshauptmann ist tief in der Partei verwurzelt und fiel in letzter Zeit immer wieder mit rhetorisch gelungenen Aussagen auf. Fürchten muss sich Rendi-Wagner aktuell aber nicht vor ihm, einen Wechsel in die Chefetage nach Wien schließt Kaiser aus. Derzeit jedenfalls.

Dass die Parteivorsitzende zwei so mächtige Landeschefs auf ihrer Seite hat, wird ihr am bevorstehenden Parteitag wohl nicht schaden. In der Bundespartei kann Rendi-Wagner aber auf noch jemanden zählen: ihren Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Er gibt sich als angriffigen Oppositionspolitiker, während die Parteichefin kalmiert. Einen Vergleich mit der FPÖ-Dopplespitze Norbert Hofer und Herbert Kickl will man im Klub aber nicht hören. "Bei uns ist klar, wer der Chef ist - Rendi-Wagner." Zumal Leichtfried keinerlei Ambitionen auf das Amt nachgesagt werden.

Ihre größten Baustellen

Die Zeit nach der Pandemie

In Pandemiezeiten kann die Ärztin Rendi-Wagner mit ihrer Expertise punkten. Ist die Krise aber erst überstanden, wird sich zeigen, ob die roten Reihen geschlossen bleiben oder sich neue/alte Rebellen hervortun, die die Parteichefin ablösen wollen. Sie muss ihre Genossen nun vor allem im Vorfeld des bevorstehenden Parteitages davon überzeugen, dass sie die richtige Wahl für die Position ist - auch nach der Pandemie.

Ausrichtung

Spätestens nach der Pandemie wird jenes Thema wieder an Brisanz gewinnen, bei der die Partei eine wenig einheitliche Linie aufweist: die Migration. Während der linke Flügel Aufnahmen fordert, sprechen sich "Realos" für einen deutlich restriktiveren Zugang aus. Eine seit Jahren offene Flanke in der Partei, der sich Rendi-Wagner annehmen muss.

Fehlende Hausmacht

Viele Genossen betonen, dass Angriffe an ihr abprallen und sich die Parteichefin ihrer Sache sicher ist. Das bewundern viele. Dennoch fehlt Rendi-Wagner als Quereinsteigerin die nötige Hausmacht innerhalb der Partei. Sie hat keine Orts- oder Landesgruppe hinter sich, in der sie sich zuvor engagiert hat. Fehlende Kommunikation nach innen kreiden ihr vor allem kleinere Funktionäre an, die einen Fokus auf Wien kritisieren. Klinken putzen in den Landesorganisationen könnten hier helfen.

Mediale Zurückhaltung

Die Parteivorsitzende gehört zur besonders scheuen Sorte, was Medienauftritte betrifft. Während andere Oppositionspolitiker stets auf Bildschirmen und in Zeitungen auftauchen, werden Interviewanfragen an die SPÖ-Chefin immer wieder abgelehnt. Das schmeckt nicht allen in der Partei, die sich mehr Präsenz wünschen. Die Medienstelle müsste dafür aber aufgestockt werden - und dafür fehle aktuell das Geld. Heißt es jedenfalls.

Ihren heutigen 50er wird Rendi-Wagner übrigens "im kleinsten Familienkreis" feiern. Ihre Mutter komme zu Besuch, ihr Mann werde kochen. "Große Feiern sind ohnehin nicht meins - zumindest nicht, wenn es um mich geht".