Der letzte Gewaltschutzgipfel der Regierung ist erst ein halbes Jahr her, und trotzdem drängt das Thema wieder: Neun Frauen wurden in Österreich seit Jahresbeginn von ihren Ex-Partnern ermordet, zuletzt eine 35-Jährige in Wien. Aus diesem Anlass lädt die Regierung heute erneut zum Krisengipfel.

Auch wenn sich, wie alle Beteiligten betonen, Gewalt nie ganz wird verhindern lassen: Es gibt konkrete politische Maßnahmen, die Gewaltsituationen entschärfen oder gar nicht erst entstehen lassen. Gefordert sind dabei insbesondere zwei Ministerinnen und zwei Minister.

1) Systematische Zusammenarbeit

Frauenmorde passieren nicht plötzlich: In allen Fällen gab es bereits im Vorfeld Gewalt, in beinahe der Hälfte der Fälle Kontakt mit der Polizei, erhob eine Studie vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien. Bei besonders risikoreichen Fällen hat sich ein Instrument bewährt: Gemeinsame Konferenzen, in denen sich Vertreter von Polizei, Justiz und Jugendamt und fallweise auch von Frauenhäusern oder der Bewährungshilfe einmal pro Monat systematisch abstimmen, haben das Potenzial, drohende Eskalation zu erkennen und schwere Gewalt oder Morde zu verhindern.

Diese Fallkonferenzen gab es in Österreich bereits, sie wurden unter Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) aber abgeschafft. Seit Jahresanfang ist das Instrument wieder im Gewaltschutzgesetz aufgenommen. In der Praxis angekommen ist es aber nicht. Fallkonferenzen muss die Polizei einberufen. Es ist Aufgabe von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), das von den Landespolizeidirektoren auch einzufordern.

2) "Beziehungstat" im Strafrecht berücksichtigen

Der Begriff "Beziehungstat" wird in Österreich oft verharmlosend verwendet, indem mitschwingt: Das Paar hatte eben Probleme, womöglich sind beide schuld. In Prozessen argumentieren Strafverteidiger manchmal so. Auch einige Richter, Staatsanwälte und Polizisten haben diese Haltung noch verinnerlicht.

Im Strafrecht spielt die Beziehung von Opfer und Täter keine Rolle. Das sollte sie aber, wenn es nach der Europaratskonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geht, die in Österreich bereits seit 2014 in Kraft ist. Darin steht klar, dass es als strafschärfend angesehen werden kann, wenn die Tat in einer Beziehung oder Ex-Beziehung stattfindet, wo Intimität und Vertrauen eine Rolle spielen. Dafür Sorge zu tragen hat Justizministerin Alma Zadić (Grüne).

3) Schutzeinrichtungen langfristig finanzieren

Knapp 15 Millionen Euro gibt die Regierung für Gewaltschutz aus. Das ist zwar mehr als je zuvor, aber trotzdem zu wenig. Für effektiven Gewaltschutz bräuchte es mehr als 228 Millionen Euro, schätzt der Österreichische Frauenring.

Besonders problematisch ist auch der Finanzierungsmodus von Opferschutzeinrichtungen: Der Großteil der Gewaltschutzeinrichtungen wird über Förderungen von Jahr zu Jahr finanziert. Dafür sind – als Maßnahme der Sozialversicherung – grundsätzlich die Bundesländer zuständig, dazu gibt es Förderungen durch das Frauenministerium. Bei der Finanzierung für Kontinuität zu sorgen, ist die Aufgabe von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP).

4) Männer nicht zu Tätern werden lassen

"Um Frauen zu schützen, müssen wir mit Männern arbeiten", sagt Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne): "Und zwar bevor es zu Gewalt kommt." Als Sozialminister ist er für Männerberatung zuständig. Das Budget dafür plant er zwar nicht zu erhöhen, die Bekanntheit des Angebots allerdings schon. Dafür wird er eine Kampagne starten.

Für polizeibekannte Gefährder sind Beratungen künftig verpflichtend – allerdings erst ab September. Das Gewaltpräventionstraining wird in diesem Jahr ausgeweitet, von drei auf sechs durch den Bund finanzierte Stunden. Auch das ist allerdings häufig zu wenig, um Gewaltbiografien zu durchbrechen. Wenn eine Frau es schafft, sich aus einer Gewaltbeziehung zu befreien, geht der Gewalttäter nicht selten die nächste Beziehung ein, ohne dass sein Gewaltproblem gelöst ist.