In einer eigenen Sondersitzung widmete sich der Nationalrat heute einer Frage, die künftige Bemühungen um den von der Regierung angekündigten Grünen Pass erst möglich macht: Sollen Geimpfte mit Getesteten gleichgestellt werden und damit auf Eintrittstests verzichten können? Die Antwort stand schon vorab fest: Ja.

Klare Worte fand Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein: Er appellierte an alle Österreicherinnen und Österreicher, sich zum ehestmöglichen Termin impfen zu lassen. Nur das werde die geplante Öffnung ab 19. Mai möglich machen. "Die Impfung ist der Weg zurück ins alte Leben."

Die Öffnung wird mit der Notwendigkeit verbunden sein, sich vor bestimmten Aktivitäten testen zu lassen. Alle jene, die Ende April bereits einen ersten Stich erhalten haben - das seien rund zwei Millionen Menschen - müssen sich aber nicht mehr testen lassen, und auch Genesene werden den Geimpften gleichgestellt. Das schaffe Kapazitäten für die vielen zusätzlich notwendigen Tests.

Grundlage, so der Minister, sei die wissenschaftlich belegte Erkenntnis, dass drei Wochen nach dem ersten Stich eine ausreichende Schutzwirkung gegeben sei. Dennoch appelliere er an alle, die Grundregelung für den Schutz vor Ansteckung weiterhin einzuhalten: Hände waschen, Abstand halten, FFP-2-Masken tragen. Es gehe darum, dass jeder Kranke ein Intensivbett bekomme, wenn er es brauche, "damit meine ich nicht nur die Covid-Infizierten, sondern auch diejenigen, die einen Autounfall oder einen Blinddarmdurchbruch haben."

Zu Beginn ein Fleckerlteppich

Der Grüne Pass werde schrittweise umgesetzt, "am 1. Juni wird noch nicht jeder einen QR-Code haben". 17 Prozent der Österreicher hätten zudem kein Smartphone, sie würden ihre Nachweise auf andere Weise bekommen. Von wem, wie genau und mit welchen datenschutzrechtlichen Sicherheitsvorkehrungen werde gerade geklärt.

Auch der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Martin Selmayr, warnte gestern vor überzogenen Erwartungen. Das Europäische Impfzertifikat werde nicht sofort "überall perfekt funktionieren können", anfangs werde es durchaus ein "Fleckerlteppich" sein. 

SP trägt Gleichstellung mit

Möglich machte die Regelung im Parlament die Zustimmung von SPÖ und Neos. "Wir werden uns den Entwurf genau ansehen", erklärt SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried vorab. "Eine Gleichstellung von Geimpften und Getesteten tragen wir aber grundsätzlich mit." 

Nicht mitgetragen hatte die Partei die Änderung des Epidemie- und Covid-Maßnahmengesetzes, die vor vier Wochen im Bundesrat blockiert worden war. Laut Leichtfried sei es damals vor allem um das Vorhaben gegangen, Geimpfte von allem zu befreien – inklusive  Ausgangsbeschränkungen. "Bei einer damaligen Impfrate von vier Prozent hätte das zu einer immensen Diskriminierung jener geführt, die sich noch nicht impfen lassen konnten. Weil es die Regierung damals verabsäumt hatte, ausreichend Impfstoff zu bestellen."

Grünes Licht soll es heute übrigens auch für die erweiterte Testpflicht an Arbeitsorten geben. Diese sieht vor, dass jene, bei deren Tätigkeit die Gefahr besteht, andere anzustecken, sich testen lassen müssen. Ein alternatives Tragen einer FFP2-Maske entfällt, den Test ermöglichen muss der Arbeitgeber.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner begründete die Zustimmung ihrer Fraktion damit, dass mittlerweile die Risikogruppen durchgeimpft seien, so sie das wollten. Gleichzeitig betonte sie, wie wichtig es sei, die Menschen zu einer Immunisierung zu motivieren - das nicht mit Impfzwang, sondern mit Antworten auf die Fragen jener, die Zweifel haben. Betont wurde von der SPÖ-Vorsitzenden aber, dass bei der Schaffung eines "Grünen Passes" der Datenschutz eingehalten werden müsse - die Farbe des Dokuments sei egal, das sei nur PR der Regierung.

Den gleichen Vorwurf erhob NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker, der gar keinen echten "Grünen Pass", sondern eine Fortsetzung der "Zettelwirtschaft" erkennt. Zudem gibt es für ihn etliche Unklarheiten, etwa welche Antikörper-Tests für die Bestätigung einer Genesung anerkannt würden. Auch sieht er Probleme mit dem Datenschutz und ist kritisch, dass dem Gesundheitsminister über Verordnung wieder gewaltige Ermächtigungen zuerkannt werden.

Eine wahre Brandrede gegen die heutige Vorlage lieferte FP-Klubobmann Herbert Kickl ab. Von einem "Umbau unserer Art zu leben" war da ebenso zu hören wie von einer "Perversion Grüner Pass". Es werde ein "System der Entmündigung und Entrechtung der Bürger, des Souveräns" geschaffen, dem die Regierung eigentlich zu dienen hätte. Der Entfall der Testpflicht für Geimpfte ist für Kickl nur ein "Leckerli". Zudem würden der Bevölkerung die Risiken der Immunisierung verschwiegen. Die FPÖ stimmte nur bei der Erhöhung des Anspruchs auf Gratis-Tests auf zehn Stück pro Monat mit.

Die Koalition sah das völlig anders. Seitens der ÖVP meinte der Abgeordnete Josef Smole, es gehe hier nicht um ein Privileg, sondern um ein Sachlichkeitsgebot. Es würden Schritte der Freiheit und Solidarität gesetzt. Der Grüne Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner betonte, dass mit dem neuen System auch Veranstaltungen für Kunst und Sport möglich würden. Hervorgehoben wurde von ihm aber, dass die Tests wichtig blieben. Daher werde die Zahl der Heimtests, die gratis abgegeben werden, auf zehn monatlich verdoppelt.