Uneingeschränkte Reisen und Besuche von Gastronomie und Kultureinrichtungen für Corona-Geimpfte, Genesene oder frisch Getestete: Das verspricht der sogenannte "Grüne Pass", der aktuell als großer Schritt in Richtung Normalität und Mobilität innerhalb der EU angepriesen wird. Die Idee: Mithilfe eines auf jede Person zugeschnittenen QR-Codes, der eingescannt wird, kann Besitzern des Passes problemlos Einlass gewährt werden. Wer kein internet-fähiges Handy hat, soll den Pass auch ausgedruckt vorweisen können.

Spätestens im Sommer soll der Pass großflächig im Einsatz sein, denn bis Mitte Juli sollen laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) alle impfwilligen Österreicher zumindest eine Teilimpfung erhalten haben. Das wären rund sechs Millionen Menschen, die einen solchen Pass bekommen würden. Die Pässe sollen auch in anderen EU-Ländern Bewegungsfreiheit ermöglichen.

Ministerium gibt sich vage

So weit die Theorie. Wie genau die rot-weiß-rote Variante des Passes aussehen und programmiert sein soll, ist jedoch weiterhin unklar. Die konkrete Umsetzung liegt im Gesundheitsministerium und damit bald in den Händen von Wolfgang Mückstein, der am Montag als neuer Gesundheitsminister angelobt wird.

In seinem zukünftigen Ministerium gibt man sich auf Anfrage der Kleinen Zeitung aber vage, was den Fortschritt der Planungen betrifft. "Derzeit werden die Zertifikate konkret vorbereitet. Ebenso wurde die Prüflogik entwickelt, die zum Beispiel in den Apps zur Anwendung kommen wird. Diese technischen Vorarbeiten werden auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten gegenseitig zur Verfügung gestellt." Damit schaffe man die notwendigen Grundlagen für ein EU-konformes System, "das ab Inkrafttreten der gesetzlichen Grundlage umgesetzt wird".

Ein inakzeptables Vorgehen, finden die Neos. Es sei höchst an der Zeit, schon jetzt eine transparente Ausschreibung für die App in die Wege zu leiten. Allein bei der Oppositionspartei haben sich mehrere Entwickler mit bereits fix und fertig programmierten Programmen gemeldet. "Die Regierung muss endlich mit den Vorarbeiten für den Grünen Pass anfangen und darf nicht wieder alles verschlafen", fordert Gesundheitssprecher Gerald Loacker. In der Partei zeigt man sich zudem verärgert, dass Vizekanzler Werner Kogler im Gesundheitsausschuss am Donnerstag als Vertreter des Ministeriums Fragen zu den Vorarbeiten für den Grünen Pass nicht beantwortet habe.

"Stopp-Corona-App" kostete mehr als 800.000 Euro

Dass nationale digitale Lösungen nicht immer reibungslos verlaufen, hatte zuletzt neben dem "Kaufhaus Österreich" auch die "Stopp-Corona-App" des Roten Kreuzes gezeigt. Trotz exzessiver Bewerbung blieben die Nutzerzahlen weit hinter den Erwartungen (beim Roten Kreuz sieht man das freilich anders: "Die App wirkt", so eine Sprecherin: Mehr als 12.000 User hätten ihre Kontakte durch "Stopp Corona" gewarnt).

Die finanziellen Mittel, die der Staat beigesteuert hat, sind hingegen beachtlich. 806.250 Euro wurden laut einem Bericht des Gesundheitsministeriums für die Förderung der App ausgegeben. Werbemittel sind darin nicht inkludiert. Eigentlich sind sogar 997.572 Euro für die App vorgesehen, der Rest wird aber nur ausgezahlt, wenn die EU das Projekt nicht von sich aus fördert.

Vielleicht auch wegen des bereits geflossenen Geldes hatte Magnus Brunner (ÖVP), der Staatssekretär für Luftfahrt im Verkehrsministerium, bereits im Februar davon gesprochen, dass die unliebsame Stopp-Corona-App auch zu einem Nachweistool für Impfung oder Test umgebaut werden könnte. Dies sei eine "kostengünstige, rasche und einfache Möglichkeit". Das Rote Kreuz hatte sich jedoch ablehnend gezeigt, auch Impfnachweise in die App zu integrieren ‒ unter anderem aus datenschutzrechtlichen Gründen. Im Ministerium will man zu einem möglichen Umbau der App keine Auskunft geben.

ÖVP sieht Schuld bei Opposition

Eigentlich hätte die Regierung die ersten Grünen Pässe schon im April ausstellen lassen wollen. Doch die Opposition habe das im Bundesrat blockiert, beklagte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Donnerstag gegenüber Ö1. Aktuell arbeite man laut Edtstadler daran, entsprechende Beschlüsse zu erzielen.

Loacker lässt das nicht gelten. "Sich jetzt auf die Opposition auszureden und dann wieder schnell eine notdürftige technische Lösung zusammenzuschustern, genügt nicht." Mit der Stopp-Corona-App habe man die Bevölkerung auch nicht erreichen können. "Dieser Fehler darf beim Grünen Pass nicht wieder passieren. Besonders deshalb, weil jeder diesen nutzen muss und es hier keine Wahlfreiheit gibt.