Das ist Rekord. Die Koalition ist erst 15 Monate im Amt, bereits das dritte Regierungsmitglied hat das Handtuch geworfen. Ulrike Lunacek war überfordert, Christine Aschbacher stolperte über ihre Dissertation, Rudolf Anschober verabschiedete sich aus gesundheitlichen Gründen.

Anschobers Rücktritt ist der spektakulärste Abgang. Nicht nur war er über Monaten hinweg der beliebteste Grüne in der Regierung, dank Corona war er neben Kanzler Sebastian Kurz der wichtigste Mann im Kabinett. Fast alle Covid-Verordnungen tragen seine Unterschrift, keine Corona-Maßnahme konnte ohne sein Zutun beschlossen werden.

Dass Anschober Gesundheitsminister wurde, war nicht Teil der Lebensplanung. Im Jänner 2020 ging der Oberösterreicher nach Wien, um die Sozialagenden zu übernehmen. Corona änderte alles. Im Mai begannen die Sticheleien zwischen Kanzler und Minister – stets hinter den Kulissen, nie auf offener Bühne. Jeder ist auf seine Weise ein genialer Kommunikator, beide lieferten sich bald ein Duell um Platz eins im Ranking der Politiker. Der Zwist war immer auch inhaltlich begründet. Kurz drängte zu energischen Schritten, Anschober bremste. Dass das Gesundheitsministerium im Kampf gegen die Pandemie überfordert war (siehe Oster-Erlass und so manche Beschaffungsfragen), brachte das Kanzleramt oft auf die Palme.

Ob Anschobers Rücktritt zur Entspannung der zerrütteten Beziehungen zwischen Türkis und Grün beiträgt, ist fraglich. Längst belasten andere Themen die Koalition. Die Grünen haben sich mit Wolfgang Mückstein für einen angesehenen Hausarzt, der im Milieu der Wiener Grünen verankert ist, entschieden, der aber das politische Handwerk nicht kennt. „Das ist der Achillesferse“, räumt ein grüner Insider ein. Die bisweilen widerborstigen Landeshauptleute, der Koalitionspartner, die Impfstoffhersteller sind knallharte Verhandler. Angesichts von Corona darf sich Mückstein keine 100-tägige Schonfrist erwarten.

Anfang März kehrte Anschober gegen den Rat seiner Ärzte aus dem Krankenstand zurück. Eine zwei- bis dreimonatige Auszeit, wie er sie im Herbst 2012 nach dem Burnout noch genommen hatte, erlaubt das Amt eines Gesundheitsministers in Zeiten eines gesundheitlichen Ausnahmezustands nicht. Am Wochenende soll Anschober Parteichef Werner Kogler über den Rückzug informiert haben. Die ÖVP wurde im letzten Moment in Kenntnis gesetzt.