Es gibt immer wieder Spitzenpolitiker, die in Wien tätig sind, aber nie in die Bundeshauptstadt übersiedelt sind und sich fast jeden Abend ins Heimatbundesland chauffieren lassen. Legendäre sind Ex-Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, der nahezu täglich nach Linz heimfuhr (200 Kilometer), Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos, der in Kroatisch-Minihof (112 Kilometer) zu Hause ist, bisweilen auch der Hartberger Reinhold Lopakta in seiner Zeit als Staatssekretär oder Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der an lauen Sommerabenden nach zweistündiger Heimreise  zu mitternächtlicher Stunde in seinem Refugium in Waidhofen an der Ybbs (154 Kilometer) mit einer Stirnlampe zu garteln beginnt. Warum man sich für das Dasein eines Pendlers, der täglich drei bis vier Stunden im Auto sitzt, entscheidet?

Zum einen sind es private Gründe wie bei Leitl, der bei seiner Übersiedelung nach Wien mit seiner Frau das so paktiert hatte, zum anderen auch politische. So verliere man nicht die Bodenhaftung, meinte einmal ein Gesprächspartner, wenn man am Abend zu Hause noch unter die Leute komme. Wer in Wien lebe, hebe ab.

Sieben Tage über 400

Nicht täglich, aber relativ oft pendelt auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner heim nach Gresten im Bezirk Scheibbs. Ab Freitag gehen in dem niederösterreichischen Bezirk die Uhren anders. Weil in dem Bezirk siebenmal in Folge die Sieben-Tages-inzidenz über 400 lag, wird die Region abgeriegelt. 18 Gemeinde und 41.000 Einwohner sind betroffen. Die Polizei hat stichprobenartige Kontrollen an allen Ausfahrtsstraßen, wie das bei Hermagor, Schwaz, Wiener Neustadt, Neunkirchen, Wiener Neustadt Land, bereits der Fall war, angekündigt.

Was das für die Verteidigungsministerin hießt? Muss sie sich jeden Tag um fünf Uhr früh, ehe sie ihre Heimatgemeinde verlässt, testen lassen? Laut Verordnung muss bei der Ausreise ein negativer Antigen-Test, der maximal 48 Stunden alt ist, oder ein PCR-Test, der nicht älter als 72 Stunden ist, vorgelegt werden. Praktisch die gesamte Bundesregierung, also Kanzler, Vizekanzler, Minister, Staatssekretär wie auch alle Kabinette lassen sich mehrfach wöchentlich testen, somit ist fast jeder rund um die Uhr im  Besitz eines gültigen Tests.

Andere Spielregeln für Genesene

Für Klaudia Tanner gelten allerdings andere Spielregeln – jedoch nicht, weil sie im Krisenfall das Heer befehligt, sondern weil sie bereits Corona hatte. Rund eine halbe Million Österreicher hatten sich mit dem Virus bereits infiziert, darunter die Ministerin. Die Verordnung für Hochinzidenzgebiete sieht vor, dass Genesene keine Tests brauchen, sondern mit einer ärztlichen Bestätigung, wonach sie in den letzten sechs Monaten infiziert waren, oder einem Nachweis über neutralisierende Antikörper (für einen Zeitraum von drei Monaten) ihr Auslangen finden.

Im Büro der Verteidigungsministerin wird allerdings betont, dass Tanner ohnehin auf Nummer sicher gehe und sich wie ihre Mitarbeiter auch  mehrfach wöchentlich testen lasse.