Vergangene Woche wurde der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern noch im Ibiza-Untersuchungsausschuss befragt, am Dienstag wurde er von Christoph Grissemann und Dirk Stermann der ORF-Show “Willkommen Österreich” in ein launiges Verhör genommen.

Darauf angesprochen, was er im Vergleich zu seinem Nachfolger Sebastian Kurz (ÖVP) anders machen würde, nahm Kern auch zur aktuellen Impf-Problematik Stellung: “Wenn heute eine Regierung so viel Geld für Werbung ausgibt wie für den Kauf des Impfstoffs, hätte ich vorgeschlagen, dass wir das anders machen.” 

Spitzen gegen Sebastian Kurz

Bezüglich der Unterschiede seiner öffentlichen Auftritte als Politiker, für die er auch einmal in eine Lederhose schlüpfte, im Vergleich zu jener von Kurz, merkte er süffisant an: “Die Inszenierung war nicht immer optimal, aber ich bewundere meinen Nachfolger. Der geht ins Altersheim und fragt die Bewohner: Und? Habt’s scho Mittag g’essen? Das ist noch einmal eine andere Liga.” 

Doch es gebe auch Politiker, die er bis heute schätzt. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zum Beispiel. “Das Problem in der Politik ist, dass viele Zyniker unterwegs sind, an denen alles abprallt. Bei ihm habe ich erlebt, dass er in jeder Sitzung versucht hat, Dinge weiterzubringen. Andere haben sich hingegen zurückgelehnt, auf die Pressekonferenz gewartet und dort dann erklärt, was sie nicht alles für gute Ideen haben”, so Kern.

Kein Politik-Comeback

Mit einem Comeback in der österreichischen Politik liebäugelt der frühere ÖBB-Chef  nicht. “Ich habe festgestellt, dass Leute aus der Politik nicht mehr herauskommen. Es ist wie ein Käfig. Viele schaffen es psychologisch nicht, weil sie glauben, immer dabei sein zu müssen. Es ist ein bisschen wie auf einem Segeltörn. Man fährt an der Wasseroberfläche und denkt sich: Wow! Dann packt man eines Tages Schnorchel und Taucherbrille aus und sieht erst die prachtvolle Welt unter einem.”

Abgesehen davon würde man in der Wirtschaft in vergleichbaren Jobs deutlich mehr verdienen als mit der Tätigkeit als Bundeskanzler. “Andere politische Karrieren brauchen oft Hilfe. Ich habe mich entschieden aus der Politik zu gehen und auf das zu vertrauen, was ich kann bzw. Geld zu verdienen, ohne dass mir jemand unter die Arme greifen muss.” 

Sein Weg aus der Politik hat Kern 2019 in den Aufsichtsrat der russischen Staatsbahn RZD geführt, wobei er versucht, seine Rolle dort herunterzuspielen: “Es ist kein typischer Aufsichtsrat, auch kein Vorstand, es ist ein Board of Directors. Die Bahn hat über eine Million Mitarbeiter und ist eine der erfolgreichsten in Europa. Ich mache das aus Interesse, lerne viel dabei und versuche, ein bisschen mitzuhelfen.” Dass russische Klischee, wonach bei jeder Sitzung der Wodka in Strömen fließt, kann er nicht bestätigen: “Das sind lauter Asketen, die so ernsthaft sind, wie man es sich nur vorstellen kann.”