Wolfgang Sobotka versuchte sich lange nichts anmerken zu lassen, als Reinhold Mitterlehner am Dienstagvormittag beim Ibiza-Untersuchungsausschuss ins Plaudern kam.

"Auf einmal ist die Regierungsarbeit desavouiert worden. Der eine oder andere von denen, die die Arbeit desavouiert haben, sitzen ja auch hier im Saal”, sagte Mitterlehner und meinte damit den nur wenige Meter von ihm entfernt sitzenden ÖVP-Nationalratspräsidenten und Vorsitzenden des U-Ausschusses. 

Nach anfänglicher Zurückhaltung gab Mitterlehner bei seiner Befragung Einblicke in den Machtwechsel der ÖVP im Mai 2017 und die Suche nach Unterstützern für Bundeskanzler Sebastian Kurz. Detailliert schilderte er auch seine Wahrnehmungen zum sogenannten “Projekt Ballhausplatz”, also jener Wahlkampfstrategie, die Kurz 2017 ins Kanzleramt half.

Bereits 2014, als Michael Spindelegger als Finanzminister, Vizekanzler und ÖVP-Obmann zurücktrat, sei Kurz Hoffnungsträger in der Volkspartei gewesen. Seine Zeit habe er damals aber noch nicht gekommen gesehen, sagte Mitterlehner. Daher habe Kurz ihn gebeten, als ÖVP-Obmann zu übernehmen, was er auch tat.

Spenden-Roadshows parallel zur Regierungszerstörung

Herrschte in den ersten Monaten nach seiner Übernahme noch ein gutes Einvernehmen mit Kurz, entwickelte sich 2016 ein Problem. Kurz habe, so Mitterlehner, gesehen, dass der damalige SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern mit Mitterlehner erfolgreich zusammenarbeitet. “Die Flüchtlingskrise war bereits am Abklingen, die Wirtschaft war im Aufschwung”, schilderte Mitterlehner. 

Daher wurde damit begonnen, die Regierungsarbeit bloßzustellen. In seinem Buch “Haltung” schreibt Mitterlehner, dass Sobotka in die Rolle des “Zerstörers und Kern-Kritikers” geschlüpft ist. Parallel zur Zerstörung der Regierung sei aber auch das Thema Finanzierung relevant geworden.

Diesbezüglich fanden sogenannte Roadshows statt, um Spenden aufzutreiben. Dass bei diesen Veranstaltungen bei Kurz Gesetze “gekauft” worden sein könnten, glaubt Mitterlehner aber nicht. “Im Wesentlichen geht es darum, dass ein Biotop der Qualifizierten entsteht”, sagte er. Spenden sollten dazu dienen, um ein offenes Ohr bei einflussreichen Politikern zu bekommen. So “blöd”, dass jemand nachweislich Gesetze “kaufe” sei man aber weder in Europa, noch in Bananenstaaten. 

Ein wichtiges Anliegen der Unternehmer habe das Verhindern einer Vermögenssteuer betroffen. Österreich sei eines der wenigen Länder, in dem es keine derartige Steuer gebe. Die Einführung einer Vermögenssteuer sei daher immer wieder Thema gewesen. Eine solche zu verhindern war stets “der kleinste gemeinsame Nenner” bei Unternehmen.

Spende gegen Mandat für Seilbahn-Obmann Hörl?

Das erste Mal wahrgenommen hat Mitterlehner ein derartiges Treffen im August 2016, als Manager Siegfried Wolf ins Kärntner Schloss Reifnitz eingeladen hatte. Dort sei es auch um Spenden gegangen. Weitere Events dieser Art wurden von unterschiedlichen Gastgebern veranstaltet, darunter auch eine Bank. Namen wollte Mitterlehner nicht nennen, zumal er sich auch nicht mehr genau erinnern könne: “Und Laptop habe ich auch keinen, ich bin schon über 60.” Worum es vor Ort jeweils ging, sei jedem bewusst gewesen. Die Leute hätten “natürlich nicht für mein Programm bezahlt”, so Mitterlehner.

Ende Jänner 2017 war ihm schließlich klar, dass er nicht mehr Spitzenkandidat der ÖVP sein werde. Von einer Demontage sprach Mitterlehner nicht. Es ging “eher immer darum, dass sich jemand positionieren wollte”. Das Sammeln von Spenden habe nach seiner Obmannschaft nicht aufgehört. Bis Juli 2017 sei aber kein Cent offiziell bei der Partei eingegangen. Das könne bedeuten, dass Spender zwar angesprochen wurden, aber nicht bezahlt haben, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt haben, oder dass die Spenden außerhalb der Partei eingegangen sind. “Das müssen aber sie herausfinden”, so Mitterlehner in Richtung der Fragesteller im Ausschuss.

Als einen der Spender deutete Mitterlehner bei seiner Befragung Franz Hörl, Obmann der Tiroler Seilbahnen, an, nannte ihn aber nicht namentlich. Hörl war von 2006 bis 2013 Nationalratsabgeordneter, dann wieder von Jänner 2018 bis Juni 2019 und er ist es auch seit Oktober 2019 wieder. Mitterlehner fand es interessant, wer alles auf Nationalratslisten schaffte. Die Bergbahnen sollen gespendet haben, zufälligerweise sei der Obmann dann auch wieder auf die Liste gekommen. 

Auf die Rolle der Medien während seiner Zeit als ÖVP-Chef angesprochen, berichtete Mitterlehner von Listen mit Inseratenpreisen, die ihm von Medienmachern gezeigt worden sind. Davon hätte er sich aber nicht beeindrucken lassen. Angriffige Berichte in Boulevardmedien gegen ihn habe es durchaus gegeben, etwa in der Zeitung “Österreich”. In Österreich würden Boulevardmedien generell gut an Regierungsinseraten verdienen. Unter Sebastian Kurz habe sich das noch einmal verstärkt. Die “Gleichschaltung der Medien” gehöre zum Programm. “Und man muss sagen, gut gemacht”, so Mitterlehner, der dann auch noch einmal auf den an diesem Vormittag meist ruhigen Ausschuss-Vorsitzenden zu sprechen kam.

Auf die Frage der SPÖ-Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, ob Sobotka um Spenden für Kanzler Kurz geworben habe, antwortete Mitterlehner: “Also zwischen Herrn Sobotka und mir herrscht kein hoher Grad an Freundschaft, aber ich weiß beim besten Willen nicht, was das mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun hat.” Da musste Sobotka dann doch noch lachen.

Kurz-Beraterin Mei-Pochtler kennt "Projekt Ballhausplatz" nur aus Medien

Nach Mitterlehner war Kurz-Beraterin Antonella Mei-Pochtler am Wort. Sie soll maßgeblich in das "Projekt Ballhausplatz" involviert gewesen sein und soll etwa Abendessen mit ihrem Chef und Wirtschaftstreibenden - darunter der Chef des Glücksspielkonzerns Novomatic, Harald Neumann - mitorganisiert haben. Geschehen sein soll das im Einklang mit der Unternehmerin Gabriela Spiegelfeld, die im U-Ausschuss bereits bestritten hat, im großen Stil Parteispenden organisiert zu haben.

Sie sagte, das "Projekt Ballhausplatz" nur aus Medien zu kennen. "Das war zu keinem Zeitpunkt Gesprächsthema", so die Leiterin der Strategiestabstelle im BKA mit dem Titel "Think Austria", die Kurz bereits damals im Wahlkampf beraten hatte.

Anfang 2017 habe sie auf Kurz' Bitte hin Expertengespräche mit der Politischen Akademie der ÖVP organisiert. Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Nationalratswahl 2017 war sie dann als Expertin für Standortthemen eingebunden. Dass Gelder von Behörden oder öffentlichen Betrieben an die von ihr 2018 gegründete Antonella Mei-Pochtler Advisory GmbH geflossen sind, schloss die Kurz-Beraterin aus. Ebenso, dass "ÖVP-Großspender" die Beratungsagentur beauftragt haben könnten. "Ich weiß auch nicht, wer die Spender der ÖVP sind", betonte sie.

Zu ihrem Arbeitsverhältnis mit Kurz verwies Mei-Pochtler auf einen "unentgeltlichen" Beratervertrag, den sie bis zum Ende der ersten Kanzlerschaft mit dem Kanzleramt gehabt habe. Auch die Treffen etwa in der politischen Akademie der ÖVP habe sie ehrenamtlich organisiert. Bis zu rund 60 Prozent ihrer Zeit habe sie für ihr Engagement investiert.

Mit einem Schwenk in die Welt des Glücksspiels endet - falls es die Zeit überhaupt zulässt - der erste Befragungstag. Bernhard Perner, ein ehemaliger Kabinettsmitarbeiter im Finanzministerium, ist im Management der Staatsholding ÖBAG tätig und dürfte Wahrnehmungen zur Bestellung des politisch umstrittenen FPÖ-nahen Finanzvorstands der Casinos Austria, Peter Sidlo, haben. Von ihm soll etwa die von Ermittlern sichergestellte SMS an ÖBAG-Chef Thomas Schmid, dass Sidlo "clean" sei, kommen.