Der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern hat im Ibiza-Untersuchungsausschuss bestätigt, dass auch seiner Partei im Wahlkampf brisantes Material über den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache angeboten worden war.

Allerdings habe man damit nichts zu tun haben wollen, da es sich offenbar um eine schwierige und "halbseidene" Sache gehandelt habe, sagte er bei seiner Befragung. In einem Brief habe man daher das "Desinteresse an der Sache bekundet", schilderte Kern.

In den Untersuchungsausschuss geladen worden war der ehemalige Bundeskanzler - wie schon andere der SPÖ nahestehende Personen - von der ÖVP. Kern bestätigte Aussagen, wonach die Macher des Ibiza-Videos an den Werber Nikolaus Pelinka herangetreten waren, der wiederum Kern und Thomas Drozda über das Angebot informierte.

Zwei Wochen später habe Kern nach einer Prüfung durch den Parteianwalt Drozda gebeten, das Angebot abzulehnen, denn: "Mit der Sache wollten wir nichts zu tun haben."

Im Zusammenhang mit der Schredder-Affäre wurde Kern auch gefragt, wie nach seinem Ausscheiden aus dem Bundeskanzleramt mit den Unterlagen und Termineinträgen aus seiner Amtszeit umgegangen wurde.

Der Ex-Kanzler verwies auf die Verpflichtung, relevante Akten an das Staatsarchiv zu übertragen, was auch unter der Aufsicht von Beamten passiert sei. Einen Anlass für das "Schreddern" von Datenträgern unter falschem Namen, wie dies am Ende der ersten Amtszeit von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) passierte, habe es aber nicht gegeben.

"Schmierige Angelegenheit"

Zur Frage, was die SPÖ vom Ibiza-Video wusste und weiteren Fragen, wurde bereits im November Thomas Drozda, der ehemalige Minister und SPÖ-Bundesgeschäftsführer, geladen. Er hatte sich auf Wunsch von Christian Kern im April 2018 mit dem Wiener Anwalt M. getroffen, der ihm von Videomaterial über Heinz-Christian Strache erzählte. Sowohl im U-Ausschuss als auch bei seiner Einvernahme beim Bundeskriminalamt gab Drozda zu Protokoll, dass er die Angelegenheit an den Parteianwalt weiterleitete, der einen kurzen Ausschnitt zu sehen bekam. Um sechs Millionen Euro hätte die SPÖ es erwerben können, man lehnte schriftlich ab und empfahl dem Anwalt, die Sache bei der Justiz anzuzeigen, so Drozdas Darstellung.

„Das war eine durch und durch schmierige Angelegenheit“, sagte Christian Kern vor seinem Auftritt im U-Ausschuss zur Kleinen Zeitung. Vom Video sei ihm lediglich erzählt worden, gesehen habe er nichts. Man sei der Sache nachgegangen, habe sie für unseriös gehalten und abgelehnt. Und: Hätte er damals gewusst, was auf dem Video zu sehen wäre, hätte er den SPÖ-Vorsitz nicht im Oktober 2018 zurückgelegt. „Eine Wahlauseinandersetzung mit ÖVP und FPÖ in Korruptionssumpf hätte ich gerne geführt“, sagt er heute.

Geschäftsbeziehungen von Moskau bis Peking

Kern hat der Politik mittlerweile ganz den Rücken zugekehrt. Mit seiner Frau führt er die „Blue Minds Company“, eine Technologiefirma, die in Unternehmen investiert. Zuletzt beteiligte sich das Unternehmen an einer Glasfabrik in Brandenburg, die Glas für Photovoltaikpaneele produziert. Darüber hinaus ist Kern, der als SPÖ-Chef gegen das Handelsabkommen CETA kampagnisierte, es dann aber auf EU-Ebene doch nicht blockierte, Mitglied im Aufsichtsrat der russischen Staatsbahn und der amerikanischen Investmentbank Lazar. Außerdem ist er Präsident eines chinesischen Unternehmervereins in Europa, der direkt an die Regierung in Peking angebunden ist und rund 2.000 der größten Firmen Chinas vertritt. „All das fällt eher unter Hobbys“, sagt Kern. Kommerzielle Interessen stünden nicht dahinter.

Ex-Faymann-Sprecher ratlos über Ladung

Der Ausschusstag hat mit der Befragung des früheren Sprechers von Ex-Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Thomas Landgraf, begonnen. In seinem Eingangsstatement zeigte er sich über seine Ladung einigermaßen ratlos. Er habe "wenig bis gar keine Wahrnehmung zu den Beweisthemen" und wisse nicht, was er zur Aufklärung beitragen könnte.

Der Grund der Ladung dürfte sein, dass er als Zeuge in einem Nebenverfahren rund um das Ibiza-Video, das die türkis-blaue Regierung zu Fall gebracht hat, einvernommen wurde, so Landgraf in seinem Eröffnungsstatement. Das Ermittlungsverfahren sei aber ergebnislos eingestellt worden.

Ihm selbst sei das Video nicht angeboten worden, von dessen Existenz habe er erst am Tag der Veröffentlichung erfahren. Danach sei ihm das Gerücht zugetragen worden, dass das Video der SPÖ vor der Veröffentlichung angeboten worden sei. Dieses habe er bei einem Mittagessen wiedergegeben, bei dem er von SoKo-Beamten "belauscht" worden sei.