Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, hat am Mittwoch im Ibiza-Untersuchungsausschuss mit einer Aussage zu Ermittlungen bei Ministern und Ministerinnen für Aufhorchen bei den Abgeordneten gesorgt. Er berichtete, dass das Justizressort - im nachhinein - über Hausdurchsuchungen bei Ministern informiert werde. Immerhin säße man ja im Ministerrat an einem Tisch. Zudem konnte Fuchs nicht ausschließen, Aktenteile an Sektionschef Christian Pilnacek übermittelt zu haben.

Es habe einfach zu viele “Störfeuer” gegeben. So fasste die frühere Korruptionsstaatsanwältin Christina Jilek vor einem Monat im Ibiza-U-Ausschuss die Gründe zusammen, warum sie nach 13 Jahren in ihrer Funktion das Handtuch geworfen hatte. Jilek, die für Teile der Ermittlungen in der Ibiza-Affäre sowie die Schredderaffäre zuständig war, beklagte sich während ihrer Befragung ausführlich darüber, wie ihre Ermittlungsarbeit erschwert wurde und deutete politische Einflussnahme an. 

Auf Ladung von SPÖ und NEOS äußerte sich heute mit Johann Fuchs, dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, eine jener Personen im U-Ausschuss, auf die Jileks Kritik abzielte. Fuchs ist, wie auch der Leiter der Soko Tape, Andreas Holzer, bereits zum zweiten Mal geladen.

Als erste Auskunftsperson zu Wort kam Roland Koch, jener ehemalige Kabinettsmitarbeiter im Justizministerium, der das Verfahren gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, und Sektionschef Christian Pilnacek ausgelöst hatte. Er sei kein "Whistleblower", sagte er, sondern sei lediglich seiner Verpflichtung nachgekommen.

"Stutzig geworden"

Knapp 15 Jahre lang war Koch Staatsanwalt, im Februar 2019 wechselte er ins Justizressort unter dem damaligen Minister Josef Moser (ÖVP). Ein Jahr - und zwei weitere Minister - später beendete er seine Funktion dort. Nachdem er den Untersuchungsausschuss via Medien und über die veröffentlichten Protokolle mitverfolgt hatte, sei er stutzig geworden, schilderte Koch in seinem umfangreichen Eingangsstatement.

Die Berichte über den Ausschuss hätten darauf schließen lassen, dass nicht alle relevanten Dokumente zu den Ibiza-Ermittlungen vorgelegt worden seien, die Schilderungen wichen von der Realität ab, sagte Koch. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Kabinett tätig war, übermittelte er den Behörden offiziell und unter seinem Namen E-Mails. Darin schrieb etwa Pilnacek am Abend des Erscheinens des Ibiza-Videos, dass man der WKStA keine aktive Rolle bei den Ermittlungen zukommen lassen solle.

Er sei weder ein "Insider", noch ein "Whistleblower", betonte Koch. "Das hat nichts mit Mut zu tun, sondern mit gesetzeskonformem Handeln." Nachdem über sein Vorgehen in den Medien berichtet worden war, hätten ihn Kollegen angesprochen und gemeint, er habe sich "mächtige Feinde" gemacht, erzählte er außerdem. "Ich fürchte mich nicht", betonte Koch, unangenehm berührt sei er aber dennoch.

"Aufregung ist mir unverständlich"

Fuchs wiederum erklärte im Anschluss, sein Handeln sei "ausschließlich" durch das Gesetz bestimmt und nicht durch opportunistische Überlegungen oder "Netzwerke".

So bezeichnete er aus "heutiger Sicht" auch die "gesetzmäßige Strukturierung" der Ermittlungen in einen Strang rund um die Erstellung des Videos, den die Staatsanwaltschaft Wien bearbeitet, und in die Ermittlungen zu Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen durch die WKStA als "gute Entscheidung".

Die wiederholt im U-Ausschuss diskutierte E-Mail von Pilnacek habe auf den Verfahrensfortgang "keinen Einfluss" gehabt, so Fuchs. Dabei habe es sich auch nicht um eine Weisung "im Sinne des Gesetzes" gehandelt, sondern um eine "interne Diskussion". Daher sei diese auch nicht "veraktet" worden, die dadurch entstandene Aufregung für ihn "vollkommen unverständlich".

Kommunikation mit Pilnacek

Unsicher zeigte sich Fuchs, was die Kommunikation mit Pilnacek betrifft. Ausgetauscht habe man sich aber auch noch, als dieser nicht mehr Leiter der Strafrechtssektion war. Dieser sei immerhin ein "exzellenter Strafrechtsexperte". Ausschließen konnte Fuchs auch nicht, dass man sich im Nachhinein über die Verdachtseinschätzung im Fall von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) unterhalten habe. Immerhin gebe es nicht so viele Leute im Büro, mit denen dies möglich sei.

Ob er Pilnacek generell Aktenteile überlassen hat, konnte Fuchs nicht genau beantworten. Auf die Frage, ob er je Aktenteile abfotografiert habe, verwies Fuchs darauf, dass er immerhin zwei Stunden mit dem Zug zur Arbeit fahre und manche Fälle während der Fahrten am Handy studiere. An "Unberechtigte" habe er Akten aber sicher nie weitergeleitet.

Zu viele Berichte

Die von der WKStA geäußerte Kritik an der Oberstaatsanwaltschaft Wien nehme er "sehr ernst". Daher habe er sich die einzelnen Kritikpunkte im Detail angesehen. Zum Vorwurf des "Berichtsdrucks" führte Fuchs eine Statistik ins Treffen. Die WKStA habe im gesamten Ibiza-Verfahrenskomplex bis dato insgesamt 181 Berichte erstattet.

  • Mehr als die Hälfte, nämlich 104 davon basierten auf "gesetzlichen Verpflichtungen".
  • 58 Berichte, also etwa ein Drittel, gingen von parlamentarischen Kontrollrechten, "also von Ihnen als Untersuchungsausschuss und von parlamentarischen Anfragen aus", so Fuchs:
  • "In nur 16 Fällen - also nicht einmal neun Prozent - lag den Berichten ein Berichtsauftrag der OStA Wien zugrunde."

Da dieser Berichtsdruck auch eine Belastung für die OStA Wien bedeute, begrüßt er eine Reduktion derartiger Berichte.

Bis dato seien vier Weisungen im gesamten Verfahrenskomplex erteilt worden. Diese seien aus seiner Sicht "rechtlich gut begründet" gewesen. Keine der Weisungen sei "persönlich" ergangen. Das entspreche auch nicht dem System und schließe "behauptete Schikanen" aus, findet Fuchs. Die ehemalige Korruptionsstaatsanwältin Christina Jilek, die im Ausschuss von "Störfeuern" der OStA gesprochen hatte, genieße bei der OStA und bei ihm "persönlich einen ausgezeichneten Ruf". Dass sie, wie von ihr geschildert, die WKStA wegen einer dienstrechtlichen Maßnahme von ihm verlassen habe, mache ihn "doppelt betroffen". Dabei hat es sich laut Fuchs um keine "disziplinäre Maßnahme" gehandelt, sondern um eine "formalisierte, fachliche Kritik zu einem absoluten Randthema in den Ibiza-Ermittlungen".

Die Vorgeschichte

Zugrunde liegen der Auseinandersetzung zwischen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mit der Oberstaatsanwaltschaft eine Reihe von Konflikten. Etwa nach der Hausdurchsuchung beim BVT, welche Ende 2018 die Drei-Tages-Berichtspflicht für Staatsanwälte zur Folge hatte, die nun durch das Justizministerium wieder zurückgenommen worden ist.

Für Wirbel sorgte auch 2019 der damalige Chef der Strafrechtssektion im Justizministerium, Christian Pilnacek, in der Eurofighter-Causa. Die WKStA zeigte ihn wegen Amtsmissbrauchs an, weil er versucht habe das Verfahren abzuwürgen. Die Auseinandersetzung mit dem Vorwurf, nicht konkret mit als Weisungen deklarierten Vorgaben zu agieren, eskalierte so sehr, dass der damalige Justizminister Josef Moser (ÖVP) ein Mediationsverfahren einleiten ließ. Aufgrund des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses wurde Pilnacek Ende Februar suspendiert.

Als Höhepunkt der Auseinandersetzung mit der Oberstaatsanwaltschaft führte Jilek bei ihrer Befragung eine Rüge in ihrem Personalakt, eine sogenannte “Ausstellung”, an. Sie hatte die Weisung, wonach die Akten der Schredder-Affäre nicht dem U-Ausschuss des Parlaments vorgelegt werden sollen, im Ermittlungstagebuch vermerkt. Und das wurde später an den U-Ausschuss übermittelt. Jilek wurde vorgeworfen, das E-Mail eines Kollegen, der auf die Weisung hinwies, “falsch” abgelegt zu haben. Sie widersprach dem Vorwurf vehement und gab an, besagtes E-Mail im Tagebuch des Stammverfahrens vermerkt zu haben. 

Auf eigene Kosten setzte sie sich daraufhin mit einem Anwalt gegen die Maßnahme zur Wehr. Nach einer Weisung des Justizministeriums wurde die “Ausstellung” schließlich zurückgenommen. An Jileks Eindruck von der Oberstaatsanwaltschaft änderte das aber nichts mehr. “Ich habe jegliches Vertrauen in die Fachaufsicht verloren”, sagte sie während ihrer Befragung. Sie beendete ihre Tätigkeit in der WKStA. Einzelne Personen hätten aber nicht Schuld an den Problemen: “Das System sei der Fehler.”

Es war zu erwarten, dass Fuchs eine andere Sicht auf die Dinge darlegen würde. Bereits im Juli 2020 war er im U-Ausschuss geladen. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden verlaufe nicht immer "friktionsfrei", sagte er damals. Das wäre aber auch "fad". Bei einer derart komplexen Ermittlungsstruktur seien unterschiedliche Meinungen "nichts Beunruhigendes", so Fuchs.

"E-Mail-Verkehr unvollständig"

Die Oppositionsparteien haben am Mittwoch im Ibiza-Untersuchungsausschuss die Vollständigkeit der vorgelegten Chatverläufe zwischen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen damaligem FP-Vizekanzler Heinz-Christian Strache bezweifelt. SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer etwa vermisste Nachrichten aus sieben der insgesamt 17 Chatgruppen, in denen Kurz und Strache dabei waren.

"Wir erwarten uns Aufklärung, warum wir aus diesen sieben Gruppen keine Nachrichten bekommen haben", so Krainer. Auch den in einem Chat angesprochenen "Side Letter" zur ORF-Reform will Krainer im U-Ausschuss haben: "Uns interessiert der Inhalt." Nun habe Kurz aber "keinen einzigen Zettel übermittelt", kritisierte Krainer: "Alles, was wir wollen, müssen wir über den Verfassungsgerichtshof erstreiten."