Die ÖVP steigt nicht von dem Pferd herunter, das sie seit Tagen reitet: fokussierter Kritik an bzw. harte Attacken auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA. 

Am Freitag war es Verfassungsministerin, Ex-Richterin und, pikanterweise, formal karenzierte WKStA-VizechefinKaroline Edtstadler, die in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Bundeskanzleramt ausritt. Angekündigt war eigentlich Neues zum (ebenfalls aus der Not geborenen) Vorschlag der ÖVP, einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt einzurichten, gewesen - dazu gab es allerdings nichts Neues zu sagen.

Stattdessen listete Edtstadler abermals auf, welche Mängel die ÖVP bei der WKStA verortet: Von der von ihr beantragten Hausdurchsuchung im BVT über Konflikte mit anderen Beamten in der Justizverwaltung und mit einer Journalistin bis dahin, dass "immer wieder Aktenteile aus nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren" in Medien landen.

"Das ist unerträglich, das ist mit nichts zu rechtfertigen", so die Ministerin. Die österreichische Bevölkerung habe großes Vertrauen in die Justiz, "wir dürfen das nicht aufs Spiel setzen". Die letzten Tage und Wochen hätten gezeigt, "dass es so nicht weiter gehen kann".

Ähnliches hatte Tags zuvor schon ÖVP-Klubobmann August Wöginger erklärt: Er verlangte von der WKStA nun eine "Richtigstellung". Wie Edtstadler und andere ÖVP-Vertreter kritisierte er, dass eine Namensverwechslung Auslöser für die Meinung  Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel gewesen sei - statt dem damaligen Außenminister Sebastian Kurz hätte sich der Novomatic-Eigentümer Johann Graf die damalige Aufsichtsrätin Martina Kurz in den Kalender eingetragen - was diese inzwischen per eidesstattlicher Erklärung bestätigt hat.

Faktencheck: Wie wichtig ist der Kalendereintrag?

Was an den Vorwürfen der ÖVP stimmt: Dieser Kalendereintrag spielt tatsächlich eine Rolle in dem Ermittlungsakt gegen Finanzminister Blümel (der auch der Kleinen Zeitung inzwischen vorliegt). "Für den 25. Juli 2017 findet sich im Terminkalender der persönlichen Sekretärin von GRAF ein Termin mit dem Titel „KURZ“", schreibt der ermittelnde Staatsanwalt über Unterlagen von Novomatic-Eigentümer Johann Graf (der ebenfalls sagt, er habe weder Kurz noch Blümel je getroffen).

Dass es sich dabei um die Aufsichtsrätin statt um den heutigen Kanzler gehandelt haben könnte, war der WKStA aber bewusst, denn auf der nächsten Seite findet sich der Vermerk: "Angemerkt wird, dass zum Zeitpunkt des Termins Mag. Martina KURZ Mitglied des Aufsichtsrats der
NOVOMATIC AG war. Es findet sich jedoch bis auf diesen Termin kein anderer Termin mit „Kurz“. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist daher kein Bezug zur Aufsichtsrätin Mag. KURZ erkennbar."

Die ÖVP suggeriert in ihren Auftritten aber auch, dass dieser Eintrag die ganze Substanz wäre, auf die der Verdacht der WKStA stützt. Das zumindest kann man anhand des Ermittlungsaktes verneinen. Der Staatsanwalt fasst die Sachlage dahingehend so zusammen:

"Mag. NEUMANN ersuchte im Juli 2017 um ein Treffen mit KURZ über Mag. BLÜMEL, MBA und erwähnte dazu zwei Themen, nämlich ausdrücklich „Spende“ und ein Steuerproblem der NOVOMATIC Italia S.p.a. in Italien. Dabei handelt es sich um eine drohende Steuernachzahlung und Strafe in Höhe von bis zu 60 Millionen Euro wegen nicht dem Fremdvergleich standhaltender Konzernverrechnungen. Mag. BLÜMEL, MBA bat in Folge MMag. SCHMID um Hilfeleistung für die NOVOMATIC AG „Tu es für mich“ und Letzterer leistete diese Hilfestellung, in dem er Mag. NEUMANN an die Leiterin der Abteilung für internationales Steuerrecht im BMF verwies und seine Hilfe ausdrücklich über ein Verständigungsverfahren anbot."

Weder in dieser Zusammenfassung noch in der Schilderung des Anfangsverdachts erwähnt die WKStA (die den Fall über eine Presseaussendung hinaus wie gewohnt nicht kommentiert) den Termineintrag - dieser kommt im Akt nur ein einziges Mal vor, ein Stück in einer breiten Ansammlung von Indizien zum Naheverhältnis der ÖVP mit Novomatic und den Casinos. Dass es ohne die "Verwechslung", die die Staatsanwaltschaft sogar mit in Betracht gezogen hat, keinen Fall Blümel gäbe, scheint also unwahrscheinlich.

Was der Akt aber auch hergibt: Ein viel dichteres Tatsachensubstrat gegen Blümel - der wie Neumann, Schmid und alle anderen Beteiligten - die Vorwürfe bestreitet - als die bereits sattsam bekannten SMS (Spende - Intervention - "Tu es für mich") hat die Staatsanwaltschaft derzeit nicht in der Hand.

Justiz stellt klar

Am Samstag stellt ein Sprecher der Justiz via Aussendung noch einmal klar: Der medial thematisierte Kalendereintrag "Kurz" war kein entscheidender Grund für die Anordnung der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel. Dieser Termin wird in der Anordnung, die insgesamt 12 Seiten umfasst, lediglich am Rande in nur einem Satz erwähnt und wurde von der WKStA nicht als rechtlich relevant für die Hausdurchsuchung betrachtet.

Das Justizministerium hielt am Samstag zudem fest, "dass die Staatsanwaltschaften gesetzlich verpflichtet sind, bei entsprechender Verdachtslage Ermittlungsschritte zur Aufklärung des Sachverhalts zu setzen. Dabei ermitteln sie alle Umstände, die gegen den Beschuldigten sprechen, aber auch alle, die ihn entlasten. Dies geschieht ohne Ansehen der Person."

Grüne stellen sich demonstrativ hinter WKStA

Die ÖVP ist dennoch - wohl schon allein vieler pikanter Details im Akt (an einem Punkt bittet Neumann Blümel um einen Job für seine Freundin "im Gesundheits- oder Landwirtschaftsministerium", dieser antwortet mit "ich schau mal") - nervös ob dieser Ermittlungen.

Und während sie sich auf die WKStA eingeschossen hat, stellen sich die Grünen demonstrativ hinter sie; Vizekanzler Werner Kogler hat bereits demonstrativ die Vorab-Meldepflicht von Hausdurchsuchungen abgeschafft - eine Vorsichtsmaßnahme, die Ex-Justizminister Josef Moser nach der Blamage mit dem BVT eingezogen hatte. Auch weitere Berichtspflichten rund um die Staatsanwälte sollen abgeschafft werden - wofür es aber eine Gesetzesänderung bräuchte, und damit die Zustimmung der ÖVP.

Aus der Justiz kommt jedenfalls Unterstützung für die Staatsanwälte: Die Präsidentin der Richtervereinigung, Barbara Matejka, übt in einem Interview mit der "Tiroler Tageszeitung" explizit Kritik an der ÖVP: "Die anhaltenden Angriffe schaden der Justiz." Blümel habe einen Anwalt und brauche zu seiner Verteidigung nicht "die laute Unterstützung des Parlamentklubs". Das Vorgehen der ÖVP lasse Vergleiche mit jenen EU-Ländern zu, deren Rechtssystem bereits brüchig geworden ist, so Matejka.