Die ÖVP will einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt etablieren. Diese Forderung erhob am Montag Klubchef August Wöginger in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Umsetzung könnte gelingen, denn SPÖ, Grüne und Neos plädieren seit vielen Jahren für eine entsprechende Position, konnten die Volkspartei dafür aber bisher nicht gewinnen. Dementsprechend meint Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), dass die ÖVP dem Druck der Grünen "endlich" nachgebe.

Geschaffen werden solle eine weisungsfreigestellte, entpolitisierte oberste Staatsanwaltschaft. In den Regierungsverhandlungen habe die ÖVP dieses Anliegen noch vehement blockiert, meint Kogler, der aktuell in Vertretung von Alma Zadic (Grüne) die Justizagenden betreut. Die Ereignisse der letzten Jahre hätten die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme deutlich vor Augen geführt. Das zuständige Justizministerium werde dieses Vorhaben so rasch als möglich in Angriff nehmen, kündigt Kogler an.

Anlass für die ÖVP-Initiative sind offenkundig die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), die zuletzt trotz einer nicht allzu eindeutigen Verdachtslage zu einer Hausdurchsuchung beim Ressortchef geführt hatten.

Keine Rede von Blümel

Direkt angesprochen wird in der Aussendung freilich weder die Blümel-Angelegenheit (bzw. nur in einem Nebenaspekt) noch die WKStA direkt. Ausgeführt wird von Wöginger dafür allerlei, womit diese Staatsanwaltschaft während der vergangenen Monate in die Schlagzeilen gekommen war: die rechtswidrige Hausdurchsuchung im BVT, die zu einem internationalen Imageschaden für Österreich geführt habe, eine Anzeige gegen eine Journalistin sowie gegenseitige Abhörungen und Anzeigen innerhalb der Beamtenschaft, womit auf den Dauerkonflikt zwischen WKStA und Oberstaatsanwaltschaft bzw. Sektionschef Christian Pilnacek angespielt wird.

Nicht zuletzt habe es immer wieder Leaks gegeben, die dazu geführt hätten, dass Verfahren medial ausgetragen würden und es zu einer Vorverurteilung von unschuldigen Betroffenen komme, schreibt Wöginger. Andere Länder hätten diese Probleme nicht. Daher will sich die ÖVP ein Beispiel an den Generalbundesanwälten in Deutschland und der Schweiz nehmen.

Opposition reagiert abwartend und skeptisch

Die SPÖ verwies darauf, dass man schon seit über 20 Jahren einen Bundesstaatsanwalt fordere. Justizsprecherin Selma Yildirim will konkret einen vom Parlament gewählten, unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt als Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden. Dieser soll auf eine Dauer von zwölf Jahren bestellt werden und nicht wiedergewählt werden können.

Vorsichtig skeptisch zeigten sich die Freiheitlichen. "Das wird man sich anschauen, wie dieser Bundesstaatsanwalt ausgestattet sein soll", sagte deren Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker, in einer ersten Reaktion. Man werde sich dies in den entsprechenden Fachgremien ansehen. Der Vorstoß zeige aber nur, "dass der ÖVP das Wasser bis zum Hals steht", befand Hafenecker.

Die Neos reagierten abwartend bis spöttisch: "Wir sehen, was in diesem Land plötzlich möglich ist, wenn die ÖVP unter Druck gerät und von den laufenden Ermittlungen gegen Finanzminister Blümel ablenken will", meinte Justizsprecher Johannes Margreiter in einer Aussendung. In politisch brisanten Strafverfahren müsse jeder Fall von den Staatsanwaltschaften bis rauf ins Ministerium berichtet werden. Aufgrund dessen sei es auch so wichtig, dass jeglicher Verdacht von Voreingenommenheit oder politischer Einflussnahme verhindert wird.

Staatsanwälte wollen Bestellung über Bundespräsidenten

Die Vereinigung der Staatsanwälte will, dass eine vom Bundespräsidenten eingesetzte Kommission mit Experten aus der Justiz den geplanten Bundesstaatsanwalt einsetzt. Sogar noch besser wäre die Einrichtung eines "Rat der Gerichtsbarkeit", der sämtliche Höchstrichter sowie den neuen Bundesanwalt ernennt, wie die Vorsitzende der Vereinigung Cornelia Koller im Gespräch mit der APA ausführt.

Der Bundesanwalt müsse jedenfalls weisungsfrei und von der Politik komplett unabhängig sein. Sonst wäre es nur ein Justizminister, der einen anderen Namen trägt. Da könnte man dann gleich beim gegenwärtigen System bleiben. Koller betont, dass durchaus eine parlamentarische Verantwortung da sein müsse - aber im nachhinein.

Die Standesvertreterin will jedenfalls jetzt eine ergebnisoffene inhaltlich Debatte und eine Lösung mit Verfassungsmehrheit. Es brauche einen großen Wurf, "damit es uns etwas bringt" und damit ein möglichst großes Vertrauen in die Position gegeben sei. Eingebunden werden müssten alle Player in der Justiz; neben den Staatsanwälten auch Richter, Rechtsanwälte und Wissenschaft.