Die türkis-grüne Regierung absolvierte am Montag mehrere digitale und persönliche Treffen mit Experten, Landeshauptleuten und Vertretern der Opposition. Ergebnis: der aktuelle Lockdown, der am 7. Februar endet, wird über weite Strecken nicht mehr verlängert.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) begann die Pressekonferenz "mit einer guten Nachricht": "Der Lockdown hat in Österreich Wirkung gezeigt." Man habe es geschafft, dass die Infektionszahlen sinken. "Die schlechte Nachricht: Die Virusmutationen breiten sich aus und fressen ein Stück weit den Erfolg unseres Lockdown auf." Deshalb müsse man nun "sehr behutsam" öffnen.

Ziel von 50er-Inzidenz klar verfehlt

Tatsächlich hat Österreich das angepeilteZiel, die 7-Tages-Inzidenz auf  50 Infektionen pro 1000 Einwohner zu senken, klar verfehlt - sie liegt seit Tagen knapp über 100. "Wenn sie auf rund 200 steigt, droht die Gefahr eines neuen exponentiellen Wachstums", so Kurz - und dann drohe ein neuerlicher Lockdown, "zumindest regional auf die betroffenen Länder beschränkt."

Man habe sich "einstimmig" auf einzelne Erleichterungen geeinigt, aber auch auf Verschärfungen. Ein Überblick.

Schulen öffnen - mit Testpflicht für alle

Volksschüler sollen ab 8. Februar wieder ganz normal an Schulen unterrichtet werden, für die Unter- und Oberstufen ist ein Schichtbetrieb vorgesehen. Die erste Gruppe darf am Montag und am Dienstag das Schulgebäude betreten, die zweite Gruppe am Mittwoch und Donnerstag. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich jeder Schüler einem recht unkomplizierten „Nasenbohrtest“ in der ersten Schulstunde unterzieht. An den Oberstufen gilt zudem FFP2-Maskenpflicht.

Das Bildungsministerium hat zu diesem Zweck 20 Millionen Testkits angekauft. Auch die Volksschüler sollen am Montag und Mittwoch getestet werden. Am Freitag verbleiben die Ober- und Unterstufen im Homeschooling. Kinder, die sich - aus welchen Gründen auch immer - einem Test verweigern, müssen zu Hause bleiben und bekommen Arbeitsblätter.

"Das sind keine invasiven Tests, sondern sogenannte Vornasenraumtests", so Kurz. "Was wir nicht zulassen können ist, dass einige wenige eine große Menge gefährden." Details zu den Schulen sollen am Dienstag präsentiert werden. Klar sei jedoch: Ohne Tests dürften Schüler nicht in den Unterricht. Die Öffnung sei laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) "ein besonders wichtiger Schritt".

Handel, Museen und Tierparks dürfen öffnen

Auch hier soll es Öffnungen geben, jedoch mit Schutzmaßnahmen. Das Tragen einer FFP2-Maske in den Geschäften wird verpflichtend, pro Kunden müssen 20 m² im Geschäft zur Verfügung stehen.

Besuch bei Friseur, Kosmetik, Masseur und Co. mit Test

Die sogenannten körpernahen Dienstleistungen sollen ab 8. Februar wieder möglich sein, "hier soll es aber eine Art Eintrittstestung geben", so Kurz. Diese sollen nicht älter als 48 Stunden sein und müssen von einer zertifizierten Teststelle - etwa den öffentlichen Massentests aus der Apotheke oder von Ärzten - stammen, ein "Wohnzimmertest" soll nicht ausreichen.

Lockerungen für das Sozialleben

Die Ausgangsbeschränkungen zwischen 20 und 6 Uhr bleiben.
Unter Tags dürfen sich hingegen zwei Haushalte treffen. Maximal möglich sind dabei vier Erwachsene. Kurz nennt hier ein verheiratetes Paar, das ein anderes Paar treffen darf, als Beispiel. Dennoch solle man die sozialen Kontakte weiterhin auf ein Minimum beschränken. Die größte Gefahr sei weiterhin "im privaten Bereich".

Verschärfungen für Strafen und Grenzen

Wer gegen die Covid-Maßnahmen verstößt, muss mit höheren Strafen rechnen. Die entsprechenden Organstrafmandate (Masken/Abstand) werden deutlich erhöht, erklärte Kurz. Zudem soll es deutlich strengere Grenzregelungen geben. Details dazu wird Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) Dienstag Vormittag präsentieren.

Keine Entwarnung

"Bitte verstehen Sie diese punktuellen Lockerungen nicht als Entwarnung", warnte Kurz am Ende seiner Ausführungen. Wenn die Zahlen  stark steigen sollten, werde "sofort" wieder geschlossen. Ein solches Szenario sei realistisch. Wie schnell das geht, "wird jetzt von uns abhängen". Laut Anschober wolle man "Perspektiven, aber auch Sicherheiten schaffen". "Jetzt brauchen wir jeden von Ihnen, jeden von euch", um nicht einen erneuten Lockdown zu brauchen. "Die nächsten Wochen werden entscheidend sein."

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigte sich erfreut über die Öffnungsschritte, die "notwendig" seien. Laut dem steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) seien diese aber auch "ein Ritt auf der Rasierklinge". Er bedankte sich bei all jenen, "die sich an die Maßnahmen halten".

Das sagt die Opposition

Unterschiedlicher Meinung ist die Opposition über die von der Regierung angekündigten Lockerungen: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist sehr skeptisch, ihr gehen die Lockerungen eigentlich zu weit. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist sehr zufrieden damit - und FPÖ-Obmann Nobert Hofer hätte gern alle Sperr-Maßnahmen sofort beendet.

Die Schulöffnung - mit den Selbsttests - erachtet zwar auch Rendi-Wagner als "richtig und notwendig". Aber mit den Lockerungen darüber hinaus "geht die Bundesregierung ein großes Risiko ein", meinte sie in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Denn die Infektionszahlen seien immer noch sehr hoch. Die Regierung rücke von ihrem selbst gesteckten Ziel (700 Neuinfektionen pro Tag) ab. "Ich hoffe sehr, dass die Regierung dieses Risiko kontrollieren kann", meinte die SPÖ-Chefin. Scheitere man daran, "droht in wenigen Wochen die dritte Welle und der nächste Lockdown. Die Verantwortung dafür trägt die Bundesregierung."

"Es wird genau das umgesetzt was wir am Wochenende gefordert haben", freute sich hingegen NEOS-Chefin Meinl-Reisinger in einer ersten Stellungnahme. Freilich sollte aber, meinte sie, die Möglichkeit der Tests in Schulen, aber auch bei körpernahen Dienstleistern, "gut genutzt" werden - und wies darauf hin, dass auch niederschwellige Testmöglichkeiten in Betrieben möglich gemacht und als Bestätigung herangezogen werden könnten. Wichtig wäre zudem, dass die digitale Kontaktnachverfolgung weiter ausgebaut wird.

FPÖ-Chef Norbert Hofer greifen die Öffnungen zu kurz: Nicht nur der Handel, auch Hotellerie und Gastronomie sollten geöffnet werden, damit die Menschen in Cafés und Restaurants gehen können - und sich nicht weiterhin im privaten Bereich - wo keine Sicherheitsregeln eingehalten werden - anstecken. Diesen "Hot Spot des Infektionsgeschehens" habe die Regierung nicht entschärft. Die Öffnung des Handels hält Hofer laut einer Aussendung für gut, aber Tests vor dem Besuch privater Dienstleister (wie Friseure oder Fußpflege) lehnt er ab. Das schaffe eine "Zweiklassen-Gesellschaft".