Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat den Fraktionen im Ibiza-Untersuchungsausschuss mit einem am Freitag veröffentlichten Erkenntnis ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk beschert. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) muss nämlich das gesamte Video ungeschwärzt vorlegen. Wie Zadic am Freitag erklärte, wolle sie dem auch "ehestmöglich" nachkommen. Die Fraktionen zeigten sich allesamt erfreut. Und die ÖVP bemüht nun ebenfalls den VfGH.

An die Höchstrichter hatten sich in der Video-Causa SPÖ, FPÖ, NEOS und auch die Grünen gewandt, und zwar weil der Ausschuss nur eine teils abgedeckte Version des Videos und geschwärzte Transkripte erhalten hatte. Diese Vorgehensweise hat der VfGH nicht akzeptiert. Die Höchstrichter betonen in ihrem Erkenntnis, dass Zadic verpflichtet ist, auch Unterlagen vorzulegen, die formal nicht zum Ermittlungsakt der Staatsanwaltschaft genommen wurden.

Auch die im Verfahren vorgebrachte Behauptung des Justizministeriums, wonach die geschwärzten Passagen gar nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst wären, lassen die Verfassungsrichter nicht gelten. Sie betonen, dass dieses Argument schon zuvor dem Ausschuss gegenüber hätte vorgebracht und begründet werden müssen.

Freigabe mit Einschränkung

Allerdings hält der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis auch fest, dass die Justiz die Möglichkeit hätte, jene Unterlagen zurückzuhalten, deren Weitergabe die Ermittlungen gefährden würde. In diesem Fall müsste Zadic ein sogenanntes Konsultationsverfahren einleiten. Sollte es dabei Meinungsverschiedenheiten geben, wäre abermals der Verfassungsgerichtshof am Zug.

Zadic begrüßte am Freitag die "abschließende Lösung dieser wichtigen bislang noch ungeklärten Rechtsfrage". Sie werde nun anweisen, "das Video in Entsprechung des Erkenntnisses des VfGH dem U-Ausschuss vorzulegen".

"Sieg für die Aufklärung"

Bestätigt sahen sich jedenfalls die Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und FPÖ. SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer ortete einen "Sieg für die Aufklärung". Für Krainer ist das Erkenntnis auch über den Anlassfall hinaus für die Arbeit des U-Ausschusses bedeutsam, insofern dass auch das Bundeskanzleramt bzw. andere Ministerien die Lieferung von Akten und Unterlagen verweigerten.

Auch die pinke Fraktionsführerin Stephanie Krisper zeigte sich erfreut und drängte einmal mehr auf die Übermittlung sämtlicher sichergestellter Chats und Korrespondenzen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Und FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker freute sich über die "Rechtssicherheit" und betonte, dass die Entscheidung viel weitreichender sei. Schließlich klassifiziere der VfGH das öffentliche Interesse des U-Ausschusses höher als die Persönlichkeitsrechte Dritter.

Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli begrüßt die Entscheidung ebenfalls, da aus ihrer Sicht damit geklärt sei, dass der Ausschuss Informationen der Justiz erhalten kann, die zwar nicht strafrechtlich, wohl aber politisch relevant sind. Durch die Unterlagen berührte Persönlichkeitsrechte will Tomaselli durch die Vergabe entsprechender Geheimhaltungsstufen wahren.

ÖVP will Glawischnig hören

Eine "wichtige Orientierung für die künftige Arbeit" sah wiederum ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl in dem Erkenntnis. Nun sei Zadic am Zug. Zudem will die ÖVP ebenfalls das Höchstgericht anrufen, da die Ladung der ehemaligen Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig, die nach ihrem Ausscheiden aus der Politik Anfang 2018 beim Glücksspielkonzern andockte, von den anderen Fraktion abgelehnt worden war. Für Gerstl ist dies nicht nachvollziehbar, da Glawischnig "doch in sehr prominenter Position bei Novomatic angestellt" gewesen sei. "Vor allem die Ablehnung der Ladung durch die Grünen im U-Ausschuss hat mich sehr überrascht. Aufklärungswille sollte nicht an der Schwelle zur eigenen Partei enden", meinte Gerstl.

Hier finden Sie das Erkenntnis in voller Länge.